Fernwärme in Hamburg: Der große Umbau läuft

In der Mitte des Bildes eine rostfarbene Säule - der Wärmespeicher.Foto: Hamburger Energiewerke
Wärmespeicher mit 50.000 Kubikmetern im Energiepark Hafen beim Aufbau
Bis 2030 soll das Fernwärmenetz von Hamburg kohlefrei werden. Die Großstadt praktiziert ihre Wärmewende. Dafür müssen die Kraft­wer­ke in Wedel und Tiefstack abgelöst werden. Die Bauarbeiten sind in vollem Gange. Unterm Strich soll weiterhin ein großer Teil der Wärme aus Verbrennungsprozessen kommen.

Von Süd nach Nord frisst sich Tunnelbohrer „Hermine“ unter der Elbe in Hamburg hindurch. Ende des Jahres soll sie den Zielschacht erreichen, so die Ankündigung der Hamburger Energiewerke (HEnW). Die neue Fernwärmeleitung soll Wärme aus dem „Energiepark Hafen“ in die westlichen Wohngebiete Hamburgs bringen, um Ende 2026 endlich das uralte Kohlekraftwerk Wedel abzulösen, das westlich der Stadt an der Elbe steht.

Weniger Kohle dank Wind

Dank einer Power-to-Heat-Anlage, die vor allem mit Windstrom betrieben werden soll, läuft das Kohlekraftwerk immerhin schon etwas weniger als vorher. Allerspätestens 2030 soll laut dem Hamburger Kohleausstiegsgesetz auch im östlichen Heizkraftwerk Tiefstack keine Kohle mehr verbrannt werden.

Im Westen läuft der Umbau schon auf Hochtouren. Mehr als 55 Prozent der bisher aus Wedel stammenden Wärme soll „klimaneutral“ ersetzt werden. Das sind 710 von 1.260 Gigawattstunden im Jahr. Die Wärme kommt aus Abwasser-Wärmepumpen im städtischen Klärwerk und einer Power-to-Heat-Anlage sowie sogenannter unvermeidliche Abwärme. Diese stammt aus Industriebetrieben, der städtischen Klärschlammverbrennung und: Müll.

Viel Wärme aus Müll

Für den Hamburger Westen soll die Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) nach einem Turbinentausch bis zu 30 Megawatt (MW) zusätzliche Abwärme liefern. Im Nordwesten hat die Hamburger Stadtreinigung im April 2024 den Bau des Zentrums für Ressourcen und Energie (ZRE) begonnen, für 2025 ist die In­betriebnahme vorgesehen. Rund 323.000 Tonnen Müll sollen dort jährlich ankommen, knapp die Hälfte davon Restmüll. Eine Sortieranlage soll vor der Verbrennung immerhin noch Metalle, Papier, Kunststoffe und Glas herausfischen. Bis zu 23 MW elektrische und bis zu 75 MW thermische Leistung sollen sich an den Turbinen gewinnen lassen, weitere 5 MW aus einem Rauchgas-Wärmetauscher. Am östlichen Ende der Stadt liefern zwei Linien der Müllverbrennung Borsigstraße bereits seit Langem Fernwärme. Seit April dieses Jahres koppelt auch die dritte Verbrennungslinie Wärme aus. Hinzu kommen drei thermisch angetriebene Rauchgaswärmepumpen. Unterm Strich sind das 60 MW beziehungsweise jährlich 350 Gigawattstunden zusätzliche Wärme.

Neue Heizkraftwerke

Sowohl im Energiepark Hafen als auch am Standort Tiefstack wird es auch in Zukunft Heizkraftwerke geben, die zumindest teilweise fossil arbeiten. Das neue Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Dradenau im Energiepark Hafen soll „H2-ready“ sein. Nach heutigem Stand der Technik bedeutet das 30 Prozent Wasserstoffanteil – den man aber auch erst einmal bekommen muss. Eine Umrüstung sei später im Rahmen der Revision möglich, heißt es von den HEnW.
Die bis zu 260 MW thermische Leistung sollen auch zum „auftoppen“ der vergleichsweise lauen Wärme aus der Industrie und den Wärmepumpen dienen. Hinzu kommen eine Power-to-Heat-Anlage (30 MW) und ein Wärmespeicher, der 50.000 Kubikmeter heißes Wasser fassen soll. Ein Teil des Powerblocks steht, zwei Gasturbinen eine Dampfturbine und der Stahltank für den Wärmespeicher ebenfalls.

Als Brennstoffe für das neue Heizkraftwerk in Tiefstack nennen die Hamburger Energiewerke Erdgas und Biomasse in flexiblem Verhältnis. Die Wärmeauskopplung ist in Summe mit 268 MW beziffert. „Ausschließlich Rest- und Schadholz“ soll im Biomasseteil verfeuert werden, so die HEnW. In einem „Biomassekodex“ haben sie eine Reihe von Nachhaltigkeitsanforderungen definiert.

Große Wärmepumpen für die Fernwärme in Hamburg

Am Hafen befindet sich auch Hamburgs zentrale Kläranlage. Dort ist mittlerweile das Fundament für die vier Großwärmepumpen gegossen. Jeweils 15 MW Leistung sollen sie haben, die erste hat der Hersteller in Nantes bereits fertiggestellt. Im Herbst sollen sie mit einem Schwerlasttransport nach Hamburg kommen.
Noch mehr Energie sollen Großwärmepumpen im Osten der Stadt aus dem Wasser ziehen. Aus dem nördlichen Elbarm sind in den aktuellen Plänen der HEnW 200 MW vorgesehen, an der Billwerder Bucht weitere 60 MW. Zudem ist auch in Tiefstack eine Power-to-Heat-Anlage mit 50 MW eingeplant.

Mit großen Wärmespeichern wollen die HEnW den Wärmebedarf von der Stromerzeugung entkoppeln. Im Energiepark Hafen ist von der Autobahn A7 aus bereits die „rostige Dose“ zu sehen, wie das Hamburger Abendblatt den 50.000 Kubikmeter fassenden Stahltank taufte. Er soll noch isoliert und begrünt werden. Am Standort Tiefstack ist ein ähnlicher, mit 40.000 Kubikmeter etwas kleinerer Speicher geplant. Die Idee, ein versalzenes Aquifer im Untergrund als Wärmespeicher zu nutzen, musste Hamburg wieder aufgeben. Versuche aus dem Jahr 2023 zeigten, dass die wasserführende Schicht im Untergrund zu dicht ist, sodass sich die benötigten Förderraten nicht erreichen lassen. Das ist nicht die erste Idee, von der sich Hamburg im Laufe der Zeit verabschiedete. Ganz am Anfang stand auch einmal eine große Solarthermie-anlage zur Debatte, doch mit der Flähe hatte der Hafen andere Pläne. Angesichts der benötigten Wärmemengen und hohen Temperaturen im Winter wäre ihr Beitrag ohnehin sehr überschaubar gewesen.

Die Bauarbeiten gehen in der ganzen Stadt sichtbar voran. Und für den Kohleausstieg hat Hamburg per Gesetz einen scharfen Stichtag. Doch ob und wann es in der Stadt Fernwärme ohne fossile Brennstoffe geben wird, ist noch offen.

Quelle: Eva Augsten | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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