Bidirektionales Laden mit Netzstabilisierung: Der Universal-Umricher soll´s richten

Grafik zeigt Elektro-Auto mit grüner BatterieGrafik: paul_craft / stock.adobe.com
Batterien aus Elektroautos könnten helfen, das Stromnetz zu stabilisieren.
Im Projekt Combipower arbeitet ein Forschungskonsortium an einem multifunktionalen Antriebs- und Ladeeinheit für Elektrofahrzeuge. Sie soll die Funktionen der bisherigen Umrichter kombinieren, Strom ins Netz zurückspeisen und dabei auch noch netzbildend wirken können.

Am Projekt Combipower sind das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, die Vitesco Technologies als Konsortialführer, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie die SUMIDA Components & Modules beteiligt. Rohm Semiconductor GmbH ist assoziierter Partner. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit insgesamt 4,19 Millionen Euro gefördert und vom DLR-Projektträger betreut. Es ist Ende 2023 angelaufen. Zum Projektende im September 2026 wollen die Partner einen Prototype  der multifunktionalen bidirektionale Lade- und Antriebseinheit präsentieren. Sie soll den Technologiereifegrad 6 (Demonstrator) haben. Schlüsseltechnologien sollen dabei Wide-Bandgap-Halbleiter und eine aktiver EMV-Filterung sein. Eine Besonderheit ist, dass es nicht nur um bidirektionales Laden geht, sondern auch um Netzstabilisierung in Form von Momentanreserve.

Mehr als Vehicle-to-Grid: Elektroautos sollen auch Momentanreserve zur Netzstabilisierung beisteuern

Die Funktion der neuen Lade- und Antriebseinheit geht über die Rückspeisung ins Netz, also das bidirektionale Laden, hinaus. Sie soll zusätzlich als netzbildende Einheit ausgelegt sein. Damit bereiten sich die Forschenden auf einen Paradigmenwechsel im Stromsystem vor. Bisher verhalten sich dezentrale Einspeiser nämlich netzfolgend – sobald das Netz als Taktgeber wegfällt, schalten sie aus Sicherheitsgründen ebenfalls ab. Wenn in Zukunft immer weniger fossile Kraftwerke zur Verfügung stehen, werden die dezentralen Einspeiser allerdings mehr und mehr netzbildend arbeiten müssen. Sie müssen sogenannte Momentanreserve bereitstellen, die bisher von den Schwungmassen der Großkraftwerke kommt. Deren physikalische Massenträgheit wirkt als eine Art unmittelbarer Puffer im Netz – ohne aktive Regelung, ohne Zeitverzug und bisher ohne explizite Vergütung. In Zukunft werden Umrichter diesen Effekt nachbilden müssen. Auch Wechselrichter-Hersteller bereiten sich bereits auf diesen Paradigmenwechsel vor.

Diese Momentanreserve ist nicht zu verwechseln mit der Regelleistung. Regelleistung wird aktiv abgerufen und ist daher immer mit einer gewissen Reaktionszeit verbunden. Sie wird teilweise bereits aus regenerativen Anlagen bereitgestellt. Welchen Beitrag bidirektionales Laden mit einem beweglichen Speicher wirklich zu einer so essenziellen Aufgabe wie der Netzstabilisierung durch Momentanreserve leisten kann, ist nicht Gegenstand des Projektes und muss an anderer Stelle untersucht werden. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur hat Handlungsempfehlungen für Geschäftsmodelle mit dem bidirektionalen Laden erstellt, wie der Solarserver berichtete.

Fraunhofer IEE bezeichnet die Momentanreserve-Funktion der Lade- und Antriebseinheit als „Vehicle-to-Grid+“. Reicht es nicht für die Stabilisierung eines gesamten Netzes, wäre damit zumindest der Betrieb eines Haushaltes möglich, bezeichnet als „Vehicle-to-Home+“.

Umrichter zu multifunktionaler Antriebs- und Ladeeinheit zusammenfassen und so Platz und Gewicht sparen

Darüber hinaus soll die neue Technologie auch klein und leicht sein. Heutige Elektrofahrzeuge sind mit einer Vielzahl unterschiedlicher Umrichter ausgestattet. Dazu gehören AC- oder DC-Ladegeräte, Antriebsumrichter sowie DC-DC-Booster zum Laden von 800 Volt Fahrzeugen an 400 Volt Ladesäulen. In den bisherigen Elektrofahrzeugen sind diese Umrichter jeweils eigene Komponenten. „Eine Kombination dieser Umrichter zu einer multifunktionalen Antriebs- und Ladeeinheit hat das Potenzial, das Volumen und Gewicht des Systems zu reduzieren, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu minimieren“, sagt Anton Gorodnichev, Projektleiter am Fraunhofer IEE.

Dabei sollen Silizium-Carbid-Halbleiter helfen. Sie sind seit einigen Jahren verbreitet in der Leistungselektronik im Einsatz und ermöglichen eine hohe Schaltfrequenz. In Kombination mit aktiver Filterung führe dies zu weiteren Volumen- und Gewichtseinsparungen bei den passiven Komponenten, heißt es von Fraunhofer IEE.

Quelle: Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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