Indien auf dem Weg zum Gigawatt-Solarmarkt: Staatliche Förderung und natürliche Ressourcen schaffen Voraussetzungen für rapides Wachstum

von Rolf Hug Bislang hat die Solarenergie im Energiemix des mit 1,2 Milliarden Einwohnern zweitbevölkerungsreichsten Landes der Erde kaum eine Rolle gespielt. Doch der Energiebedarf Indiens steigt rasch, und die fossilen Brennstoffe werden immer teurer. Das südasiatische Land kommt pro Jahr auf durchschnittlich 300 Sonnentage, und die Sonneneinstrahlung pro Quadratkilometer liegt bei etwa 200 Megawatt. […]

von Rolf Hug
Bislang hat die Solarenergie im Energiemix des mit 1,2 Milliarden Einwohnern zweitbevölkerungsreichsten Landes der Erde kaum eine Rolle gespielt. Doch der Energiebedarf Indiens steigt rasch, und die fossilen Brennstoffe werden immer teurer. Das südasiatische Land kommt pro Jahr auf durchschnittlich 300 Sonnentage, und die Sonneneinstrahlung pro Quadratkilometer liegt bei etwa 200 Megawatt.

Von 45 Megawatt auf mehr als 9 Gigawatt in fünf Jahren

Aus diesen Gründen liegt es nahe, das Potenzial der Sonne zu nutzen, sowohl mit solarthermischen Kraftwerken (CSP) als auch mit netzgekoppelter und netzunabhängiger Photovoltaik. Anfang 2011 befanden sich in Indien Solarthermie-Kraftwerke mit einer elektrischen Leistung von insgesamt rund 70 Megawatt im Bau. Im Herbst 2011 waren gerade einmal 45 Megawatt Photovoltaik-Leistung installiert. Das soll sich rasch und deutlich ändern: In den nächsten fünf Jahren wird Indien einer der Schwerpunkte der weltweiten Nachfrage nach Solartechnik werden. Die installierte Leistung könnte bis 2016 auf mehr als neun Gigawatt steigen.In Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Greentech Media (GTM) Research (Hauptsitz in Boston, Massachusetts) und dem Beratungsunternehmen BRIDGE TO INDIA mit Sitz in Neu Delhi beleuchtet der Solar-Report im November 2011 die kräftigen Impulse, die den indischen Gigawatt-Markt vorantreiben, allen voran das ausgereifte und ehrgeizige staatliche Förderprogramm "National Solar Mission" (NSM) sowie zusätzliche finanzielle Anreize auf der Ebene der Bundesstaaten. Weitere Schwerpunkte des Reports sind das zunehmende Engagement internationaler Unternehmen in Indien und die heimische PV-Produktion.

22 GW bis 2022
Die ambitionierte Jawaharlal Nehru National Solar Mission soll in drei Phasen umgesetzt werden. Ziel sind 22.000 Megawatt (MW) installierter Leistung bis zum Jahr 2022, darunter netzunabhängige Solarstromsysteme mit insgesamt 2 MW."Diese Mission ist eine von acht Schlüsselmissionen unseres Landes, die gemeinsam den nationalen Klimaschutzaktionsplan Indiens bilden", betont Dr. Farooq Abdullah, Minister für Neue und Erneuerbare Energien.

"Sie hat zwei Ziele: die Gewährleistung der langfristigen Energiesicherheit und den Schutz der Umwelt in Indien".Günstige und stabile politische Rahmenbedingungen: Die Jawaharlal Nehru National Solar Mission und die Förderprogramme der Bundesstaaten
Die National Solar Mission ist das zentrale Instrument, mit dem das Ministerium für Neue und Erneuerbare Energien (MNRE) seine energiepolitischen Ziele erreichen will – und gleichzeitig der stärkste Anschub für die Nachfrage. Wichtigste Teile der NSM sind Einspeisetarife und Strombezugsvereinbarungen. Im Finanzjahr 2010-2011 wird Solarstrom aus netzgekoppelten und Aufdach-Anlagen sowie aus Projekten vorangegangener Förderprogramme mit 17,91 indischen Rupien vergütet, etwa 26 Eurocent pro Kilowattstunde. Für solarthermische Kraftwerke beträgt der Einspeisetarif rund 22 Eurocent.Die von der indischen Regierung unterstützte NSM ist gegenwärtig das für Projektentwickler attraktivste Förderprogramm. Der verbindliche Zeitplan und konkrete Maßnahmen wie beispielsweise ein Unterprogramm zur Sicherheit von Zahlungen helfen, Projekte leichter zu finanzieren. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass die NSM den geplanten Zubau von 500 MW bis 2013 und 2.500 MW bis 2017 erreichen wird. Die Strombezugsvereinbarungen (Power Purchase Agreements, kurz: PPA) der zentralen Regulierungsbehörde (CERC) haben eine Laufzeit von 25 Jahren und ermöglichen laut CERC eine interne Kapitalrendite nach Steuern von 16 bis 21 %. Laut MNRE ist die Finanzierung der ersten Runde der ersten Phase der Mission abgeschlossen, Industrieexperten berichten jedoch von etlichen Problemen und Verzögerungen. Unabhängig von den Verzögerungen durch Finanzierungsschwierigkeiten wird der größte Teil der neu installierten Kapazitäten auf das Konto der NSM gehen.
In der zweiten Phase werden bei den Ausschreibungen der PPAs mehr internationale Großunternehmen als Bieter erwartet, die Projektfinanzierungen in einer Größenordnung bis 20 MW vermutlich leichter sichern können.

Bundesstaat Gujarat auf dem Weg zum ersten Gigawatt
Das Förderprogramm des Bundesstaates Gujarat (Gujarat Solar Policy) trat bereits ein Jahr vor der Ankündigung der NSM in Kraft. Es bietet ebenfalls attraktive Einspeisetarife über eine Laufzeit von 25 Jahren in der Größenordnung von rund 20 Eurocent/kWh für PV-Strom sowie etwa 15 Eurocent/kWh für Strom aus solarthermischen Kraftwerken. Aufgrund des enormen Interesses der Projektentwickler und vor dem Hintergrund des Preisverfalls bei Modulen hat die Regulierungsbehörde des indischen Bundesstaates Gujarat in diesem Herbst neue Einspeisetarife vorgeschlagen. Für Strom aus Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kWp sollen nur noch rund 0,15 Euro bis 0,16 Euro pro Kilowattstunde vergütet werden. Strom aus solarthermischen Kraftwerken soll künftig höher vergütet werden als Photovoltaik-Strom.Laut GERC haben seit 2009 mehr als 80 Unternehmen Strombezugsvereinbarungen in Gujarat abgeschlossen. Die Gesamtleistung aller Vereinbarungen betrage 956 Megawatt. Ein wesentlicher Teil dieser Anlagen soll noch bis zum 31.12.2011 in Betrieb genommen werden.

Ambitionierte Förderprogramme auch in Rajasthan und Karnataka

Neben Gujarat verfolgen auch die Bundesstaaten Rajasthan und Karnataka ehrgeizige Ziele.
Rajasthan will bis 2013 zusätzlich 550 MW installieren, davon 350 MW in Form großer Photovoltaik-Kraftwerke. Geplant sind zudem solarthermische Kraftwerke mit 150 MW. Weitere 50 MW entfallen auf kleinere Solarstromanlagen, vorwiegend auf Dächern. Der westindische Bundesstaat Rajasthan profitiert von hoher Sonneneinstrahlung, günstigen Preisen für das Bauland und einem relativ stark ausgebauten Stromnetz.

Der südindische Bundesstaat Karnataka hat im Juli 2011 ein Solar-Förderprogramm angekündigt und 80 MW ausgeschrieben. Beide Förderprogramme werden vermutlich einen intensiven Wettbewerb in Gang setzen, bei dem sich die Projektentwickler gegenseitig unterbieten, wie dies auch bei der NSM der Fall war.
Da weitere Bundesstaaten wie beispielsweise Andhra Pradesh ebenfalls Vorgaben für den Anteil erneuerbarer Energien erfüllen müssen, stehen weitere Förderprogramme an, die einen höchst dynamischen Markt erwarten lassen.

Fortschritte bei der Finanzierung durch indische Banken; Unterstützung internationaler Geldgeber

Seit Juni 2011 sehen die Marktforscher von GTM Research und Bridge to India ausgesprochen positive Entwicklungen bei der Finanzierung sowie ein riesiges Potenzial für Investitionen in Indien. Die indischen Banken finden zunehmend Lösungen für die Bankfähigkeit (Bankability) von Projekten, und die staatliche Förderpolitik unterstützt dies kräftig, wie die Studie "The India Solar Market: Strategy, Players, and Opportunities" belegt.

Indischer Solarmarkt wird immer attraktiver für Investoren aus Europa, Deutschland und den USA

Anfang September 2011 hat die Europäische Investitionsbank (EIB) der ICICI Bank of India (ICICI Bank) ein Darlehen im Umfang von 200 Millionen Euro für Vorhaben gewährt, die der Nutzung erneuerbarer Energieträger und somit dem Klimaschutz dienen sollen. Mit diesem Rahmendarlehen werden insbesondere Photovoltaik-Projekte, Biomassekraftwerke und Windparks an Land unterstützt.Im September 2010 kündigte Azure Power India (Neu Delhi) Investitionen im Umfang von 64,9 Millionen Dollar für Solarkraftwerke mit 20 MW in Indien an.
PV-Freiflächenanlage von Azure Power im Bundesstaat Punjab. Foto: Azure Power

Im Zuge der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Indien wird die EIB sicherstellen, dass alle Projekte volkswirtschaftlich und finanziell tragfähig sind, dem Stand der technischen Entwicklung entsprechen und die Umwelt- und Sozialstandards der Bank erfüllen. Das Darlehen wird im Rahmen der Fazilität für Nachhaltigkeit und Sicherheit der Energieversorgung (ESF) bereitgestellt, die mit 4,5 Milliarden Euro ausgestattet ist.
Auch die KfW-Entwicklungsbank hat am 10.08.2011 im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Neu Delhi einen Darlehensvertrag in Höhe von 250 Millionen Euro unterzeichnet. Die Mittel sind bestimmt für die Errichtung des Solar-Kraftwerks Shivajinagar Sakri (125 MW mit Ausbauoption auf 150 MW) im indischen Bundesstaat Maharashtra. Die erste Photovoltaik-Großanlage dieser Art in Indien wird gleichzeitig eines der größten PV-Kraftwerke der Welt sein.Und auch die USA steigen im großen Stil in den indischen Markt ein: Die Export-Import Bank der Vereinigten Staaten von Amerika (Ex-Im Bank, Washington) hat in den letzten Monaten des Haushaltsjahres 2011 noch zwei Kreditfinanzierungen für Solar-Geschäfte in Indien bewilligt. Die Kreditsumme wird insgesamt 103,2 Millionen US-Dollar (rund 75 Millionen Euro) betragen.Durch die Bewilligungen steigt die Gesamtzahl indischer Solar-Projekte, die von der Bank im Haushaltsjahr 2011 finanziert wurden, auf sechs. Für diese Vorhaben wurden insgesamt 176,4 Millionen US-Dollar (rund 128 Millionen Euro) vergeben. Die indische Regierung fördert die Photovoltaik nachdrücklich: Shri Deepak Gupta, Staatssekretär im indischen Ministerium für neue und erneuerbare Energien, bei der Einweihung von Photovoltaik-Dachanlagen in Manesar.
Foto: Ministry of New and Renewable Energy, India


First Solar liefert Module nach Rajasthan; Solar World Americas nach Gujarat
Im August bewilligte die Ex-Im Bank einen Direktkredit über 84,3 Millionen US-Dollar (etwa 61,1 Millionen Euro) an Dahanu Solar Power Pvt. Ltd. Damit wird der Kauf von Dünnschichtmodulen von First Solar Inc. und anderen US-amerikanischen Exporteuren unterstützt. Das Photovoltaik-Kraftwerk im Staat Rajasthan (Indien) soll eine Nennleistung von 40 MW haben.
Ende September wurde ein Direktdarlehen über 18,9 Millionen Euro an Tatith Energies im Bundesstaat Gujarat vergeben. Der Kredit soll dem indischen Unternehmen ermöglichen, American Capital Energy mit dem Bau einer Anlage zu beauftragen und Solarmodule von SolarWorld Americas zu kaufen. Tatith Energies will ein 5 MW-Solarkraftwerk auf der Basis von kristallinem Silizium im Staat Gujarat bauen.
“Wegen des spürbaren Willens, echten U.S.-Herstellern beim Export ihrer Produkte zu helfen, war es eine sehr positive Erfahrung, mit der Ex-Im Bank zusammenzuarbeiten”, kommentiert Raju Yenamandra, Vizepräsident für Vertrieb und Geschäftsentwicklung von SolarWorld Americas. “In einer wettbewerbsorientierten Welt hat uns dies einen wirklichen Vorteil dabei verschafft, in attraktive Märkte wie Indien zu exportieren.”

Internationale Projektentwickler und Modullieferanten drängen in den indischen Markt
In den letzten Jahren waren internationale Unternehmen nur in geringem Umfang in Indien aktiv und beschränkten sich dabei meist auf die Planung, den Bau und Betrieb von Anlagen (EPC) sowie die Lieferung von Modulen. Zwischenzeitlich haben etliche internationale Akteure begonnen, mit indischen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Aufgrund der beträchtlichen Marktchancen und noch geringer Erfahrung bei der Umsetzung von Projekten suchen immer mehr indische EPC-Unternehmen die Unterstützung ausländischer Partner.

Wettbewerb kann sich dramatisch entwickeln
“Wir gehen davon aus, dass sich die Wettbewerbslandschaft durch strategische Partnerschaften und Gemeinschaftsunternehmen entwickelt, was den Finanzierungsdruck mildern und das Potenzial des Marktes sichtbar machen wird", betont Shayle Kann, Geschäftsführender Direktor für Solarenergie bei GTM Research. "Indien wird von der Entwicklungs-Kompetenz der etablierten weltweiten Solar-Akteure profitieren. Für diese ist es wiederum von Vorteil, einen einheimischen Partner zu haben, um sich im vielschichtigen indischen Markt zu bewegen. "
Zu den internationalen Solar-Unternehmen, die rasch in den indischen Markt eintreten und sich Marktanteile sichern wollen, zählen SunEdison, juwi solar, AES Solar, Conergy, Gehrlicher Solar und Enfinity.
Ausländische Modulhersteller sind ebenfalls aktiv geworden und haben Lieferwege nach Indien eröffnet. Darunter die Dünnschicht-Anbieter First Solar, Solar Frontier und Abound Solar sowie Anbieter von kristallinen Silizium-Modulen wie Trina Solar und Suntech.

Ungleichgewicht der indischen PV-Industrie: Großteil der Solarstrom-Projekte arbeitet mit importierten Dünnschichtmodulen; kristalline Module aus eigener Produktion werden überwiegend exportiert

Derzeit kommen in den meisten indischen PV-Projekten Dünnschichtmodule zum Einsatz. Die Dünnschicht-Technologie punktet in Indien sowohl mit niedrigen Kosten als auch mit höheren Solarstrom-Erträgen bei hohen Umgebungstemperaturen. Zudem waren die Dünnschicht-Hersteller die ersten, die in den indischen Markt gedrängt haben.
Die noch relativ junge indische PV-Industrie hingegen setzte bislang überwiegend auf die Produktion von Modulen auf der Basis von kristallinem Silizium. Darauf entfallen 95 % der Kapazitäten.
Die jährliche Produktionskapazität der indischen Hersteller wird Ende 2011 bei Solarzellen rund 600 MW und bei Modulen etwa 1.500 MW erreicht haben. Die heimische Modulproduktionskapazität überstieg in den letzten Jahren stetes die Nachfrage, woran sich laut GTM Research auch in den nächsten Jahren nichts ändern wird. Zwar hoffen die indischen Hersteller nun auf einen Nachfrageschub im eigenen Land, sie bleiben aber dennoch überwiegend Exporteure und abhängig von langfristigen Lieferverträgen an ausländische Kunden. 75 % der indischen Modulproduktionskapazitäten entfallen zu nahezu gleich großen Teilen auf die acht Hersteller Tata BP Solar, Moser Baer Solar, Vikram Solar, Emvee, Titan Energy, PLG Solar, Websol und XL Energy.

Außer Moser Baer Solar, einem Produzenten, der auch Dünnschichtmodule fertigt, produzieren alle Unternehmen Silizium-Module. Grafik: "The India Solar Market: Strategy, Players, and Opportunities“
Der Großteil der in Indien installierten Module wurde und wird importiert. Im Wettbewerb mit internationalen Herstellern um die begrenzte Zahl von Projekten mit kristalliner Technologie haben indische Modulproduzenten Probleme, weil die Produktionskosten in Indien höher sind als die Kosten führender chinesischer Hersteller. Deshalb erwarten Marktführer wie Suntech in den nächsten 12 Monaten beträchtliche Lieferungen nach Indien.

Erste Untersuchung der Chancen, Akteure und Strategien in einem der künftig führenden Solar-Märkte
“Die Solar-Branche in Indien wird in den nächsten zehn Jahren deutlich wachsen”, fasst Dr. Tobias Engelmeier die Ergebnisse der aktuellen Studie zusammen. Er ist geschäftsführender Direktor von BRIDGE TO INDIA und Hauptautor.
Weitere Informationen auf über 100 Seiten bietet die Studie  "The India Solar Market: Strategy, Players, and Opportunities", eine erste umfassende Untersuchung zur indischen Marktentwicklung. Sie enthält übergreifende Analysen zur staatlichen Solar-Förderung und zur Nachfrage in einzelnen Staaten sowie zur heimischen Produktion und technologischen Platzierung der Unternehmen.
Außerdem zeigt die Studie Möglichkeiten, Zeitrahmen und Hürden für die Industrieführer, die ihre Chancen auf dem indischen Markt gewinnbringend nutzen wollen. Fragen zur Marktstudie beantwortet Ihnen gerne: Markus Erhard; Greentech Media, Inc.; München; erhard[at]greentechmedia.com

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