Neue selbstlernende Prognoseverfahren für das Energiesystem

Im Bild die Wissenschaftler:innen, die die neuen Prognoseverfahren für das Energiesystem entwickeln wollen.Foto: Fraunhofer IEE
Kickoff-Meeting am Fraunhofer IEE: Das Forschungsteam des Projekts KonSEnz.
Heutige Prognoseverfahren für das Energiesystem sind zu statisch. Daher sollen neue Methoden entwickelt werden, die automatisiert Veränderungen im Energiesystem berücksichtigen.

Durch den Zubau von Erneuerbaren Energien wie Wind- und Photovoltaik-Anlagen wird die Stromerzeugung zunehmend wetterabhängig. Gleichzeitig steigt die Anzahl flexibler Verbraucher wie Wärmepumpen, Wallboxen und Speicher. Um dieses Potenzial für den Netzbetrieb und die Energievermarktung nutzen zu können, bedarf es verlässlicher Prognosen. Herkömmliche Vorhersage-Modelle kommen hier jedoch an ihre Grenzen, da sie zu statisch sind. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE will daher neuartige, selbstlernende Prognoseverfahren entwickeln. Die adaptiven Verfahren sollen kontinuierlich und automatisiert Veränderungen im Energiesystem berücksichtigen, etwa den Photovoltaik-Zubau. Die Projektpartner wollen die Methoden in Feldtests erproben.

„Unsere Prognoseverfahren werden der zunehmenden Dynamik auf der Erzeugungs- und der Verbrauchsseite weit besser gerecht werden als die althergebrachten Methoden“, sagt Dominik Beinert, Co-Projektleiter vom Fraunhofer IEE. „Damit geben wir Netzbetreibern, Direktvermarktern, Anlagenbetreibern und anderen Akteuren leistungsstarke Werkzeuge in die Hand, mit denen sie etwa Flexibilitäten im Energiesystem optimal einsetzen können.“

Das Forschungsprojekt namens KonSEnz (Kontinuierlich selbstlernende Vorhersagemethoden und Services in smarten Energiemärkten und –netzen) hat eine Laufzeit von drei Jahren. Das Fraunhofer IEE leitet und koordiniert das Vorhaben. Neben der Universität Kassel und Wobben Research and Development, der Forschungsgesellschaft von Enercon, sind die Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet und 50Hertz als assoziierte Partner beteiligt. Das Projekt erhält eine Förderung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Neue Prognoseverfahren für das Energiesystem sollen kontinuierliches, adaptives Lernen nutzen

Prognosemodelle muss man immer wieder trainieren, damit diese dauerhaft aussagekräftige Vorhersagen liefern können. Die bislang genutzten Verfahren verlangen, dass man diesen Prozess jedes Mal manuell auslöst. Das verursacht großen Aufwand. Vor allem aber leidet die Prognosequalität: Weil das Trainieren diskontinuierlich erfolgt, können solch statische Modelle die Dynamik im Energiesystem nicht abbilden. Entwicklungen wie der rasante Photovoltaik-Ausbau oder die zunehmende Zahl flexibler Verbraucher muss man jedoch bei den Prognosen ohne Zeitverzug berücksichtigen, um zu zuverlässigen Ergebnissen zu kommen.

Im KonSEnz-Projekt entwickeln die Partner daher neuartige digitale Methoden, die Veränderungen auf der Erzeugungs- und der Verbrauchsseite samt ihrer Wechselwirkungen sofort selbsttätig in die Prognosen integrieren. Dazu nutzen die Forschenden Verfahren des kontinuierlichen, adaptiven Lernens. Die Verfahren gewährleisten, dass die Aktualisierung der Modelle fortlaufend geschieht, so dass diese schnell auf veränderte Situationen reagieren können. Das verbessert die Prognosequalität der Prognoseverfahren für das Energiesystem erheblich.

Das Verhalten neu installierter Erzeuger und Verbraucher, für die noch keine Daten vorliegen, bilden die Forscher:innen anhand bereits bestehender Anlagen in individuell angepasster Weise nach. Um die Modellaktualisierung automatisiert in den operativen Betrieb zu überführen, setzen die Projektpartner auf das Konzept des Machine Learning Operations (MLOps).

Prognoseverfahren als skalierbare Microservices

Der Entwicklung der neuen Methoden legen die Projektpartner mehrere Anwendungsfälle zugrunde. Etwa im Bereich Photovoltaik: Die hohe Anzahl an PV-Anlagen erfordert effiziente Methoden, um den Anforderungen im operativen Prognose- und Trainingsbetrieb gerecht zu werden. Erst durch zuverlässige Prognosen der Erzeugung und des Eigenverbrauchs können die damit verbundenen Flexibilitätspotenziale genutzt werden. Ein weiterer Use Case ist die Vorhersage der Leistungsflüsse zwischen Hoch- und Höchstspannungsnetz, bei der man laufend Änderungen der Schaltzustände im Netz berücksichtigen muss. Netzbetreiber können damit zum Beispiel mögliche Überlastungen von Betriebsmitteln zuverlässig prognostizieren. Mit im Rahmen des Projekts durchgeführten Feldtests wollen die Forschenden die Leistungsfähigkeit ihrer entwickelten Lösungen überprüfen und demonstrieren.

Das KonSEnz-Team wird die neuen, adaptiven Prognoseverfahren für das Energiesystem als skalierbare, resiliente Microservices gestalten. Dank vieler Schnittstellen sollen sich diese nahtlos in diverse Steuerungs-, Management- und Betriebssysteme einbetten lassen. Die Forschenden wollen ihre Ergebnisse als Open-Access-Publikation veröffentlichen. Somit wollen sie Software-Bausteine der Energiewirtschaft als Open Source bereitstellen.

Das chinesische Unternehmen Alibaba hat kürzlich ein Wettervorhersagemodell entwickelt, das Strombedarf und erneuerbare Erzeugung besser prognostizieren soll.

Quelle: Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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