EUROSOLAR-Präsident kritisiert Rückstellungspraxis für atomare Entsorgung
Die steuerfreien Rückstellungen deutschen Atomkraftwerksbetreiber in Höhe von 35 Milliarden Euro hält Dr. Hermann Scheer, MdB und Präsident der EUROSOLAR, für eine wettbewerbsverzerrende Beihilfe. Die Betreiber müssten daraus die Kosten für die Stillegung und den Rückbau der AKW sowie die Endlagerung bestreiten. Diese Rückstellungen erfolgen laut Scheer bisher jedoch ohne ausschließliche Zweckbindung. Die Unternehmen E.ON, RWE und EnBW setzten diese Beträge daher auch ein, um regionale Energieversorger und Stadtwerke aufzukaufen und damit auch außerhalb des Stromsektors zu investieren, kritisiert Scheer. Da solche Investitionen fehlschlagen könnten, und seit der Liberalisierung der Stromversorgung auch Stromkonzerne dem Konkursrisiko ausgesetzt seien, bedeute dies, dass Rückstellungsmittel verloren gehen könnten.
Verschiedene deutsche Stadtwerke sehen in dieser Rückstellungspraxis laut EUROSOLAR eine eklatante Wettbewerbsverzerrung, die der Staat durch das Unterlassen entsprechender Verpflichtungen auch noch fördere. Sie sehen darin eine Verletzung des Artikel 87 des EU-Vertrags, der staatliche Beihilfen mit wettbewerbsverzerrendem Charakter verbietet. Nachdem die Stadtwerke mit einer Eingabe bei der Kommission keinen Erfolg hatten, haben sie beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg in erster Instanz geklagt. Dieser Prozess ist noch anhängig, so EUROSOLAR.
Nunmehr habe die Europäische Kommission eine Mitteilung betitelt „Nukleare Sicherheit im Rahmen der Europäischen Union“ sowie den Entwurf einer Richtlinie des Rates „Zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen“ vorgelegt. Demnach existieren in fast allen Staaten, in denen Atomkraftwerke laufen, Fonds-Modelle. In Deutschland werde darüber hinaus weit mehr Geld zurückgestellt als in Frankreich. Im Richtlinienentwurf der Kommission sei festgelegt, dass in den Mitgliedsstaaten „ausreichende Finanzmittel für die Stilllegungsarbeiten jeder kerntechnischen Anlage unter Berücksichtigung ihrer langen Durchführungsdauer in Form von Stilllegungsfonds bereitstehen müssten.“ Im Anhang „Folgenabschätzungsbogen“ heiße es bei den Auswirkungen auf die Wettbewerbspositionen der Unternehmen: „Keine, da alle Unternehmen den gleichen Maßnahmen unterliegen.“
Dies treffe allerdings für Deutschland nicht zu, bemängelt Scheer: Der Entwurf der Richtlinie sei ein schlagender Beweis dafür, dass die deutsche Rückstellungspraxis durch die fehlende Zweckbindung/ Besteuerung der Rückstellung eine unzulässige Beihilfe zu Gunsten der Unternehmen leiste, die den Wettbewerb eindeutig verzerre. EUROSOLAR fordert die Bundesregierung auf, die neue EU-Richtlinie zu unterstützen und dadurch die rechtswidrige Beihilfepraxis aufzugeben. Dies bedeute vor allem, für die Zukunft auszuschließen, dass die Rückstellungen für andere Zwecke als die der atomaren Entsorgung verwendet werden dürfen.
17.12.2002 Quelle: EUROSOLAR e.V.