Studie: „Innovationsoffensive in der Energiewirtschaft“ empfiehlt Stromsparen, KWK und Erneuerbare

Die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen über einen künftigen Kraftwerksmix hängen wesentlich von den langfristigen klimapolitischen Rahmenbedingungen und Umsetzungsstrategien ab. Aus diesem Grund empfiehlt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Investitionsentscheidungen, die langfristige Auswirkungen haben werden, mit Vorsicht anzugehen, gleichzeitig aber die Förderung der Stromeinsparung in Angriff zu nehmen. Die Studie “ Investitionsoffensive in der Energiewirtschaft – Herausforderungen […]

Die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen über einen künftigen Kraftwerksmix hängen wesentlich von den langfristigen klimapolitischen Rahmenbedingungen und Umsetzungsstrategien ab. Aus diesem Grund empfiehlt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Investitionsentscheidungen, die langfristige Auswirkungen haben werden, mit Vorsicht anzugehen, gleichzeitig aber die Förderung der Stromeinsparung in Angriff zu nehmen. Die Studie “ Investitionsoffensive in der Energiewirtschaft – Herausforderungen und Handlungsoptionen“ rät weiter, die Rahmenbedingungen für den Ausbau effizienter Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu verbessern sowie die Nutzung erneuerbarer Energieträger voranzutreiben.  Ein Ersatz alter Kraftwerke durch Kohlekraftwerke in größerem Umfang sei unter klimaschutzpolitischen Aspekten erst dann zu vertreten, wenn sich die Option der CO2-Abscheidung und -speicherung als machbar erweise. Dazu seien die entsprechenden Forschungsanstrengungen von Wirtschaft und Politik zu verstärken.

Hoher Bedarf an Ersatzinvestitionen in der Elektrizitätswirtschaft

Die Elektrizitätswirtschaft sieht laut der von den Grünen in Auftrag gegebenen Kurzstudie in den nächsten drei Jahrzehnten einem einschneidenden Ersatzinvestitions- und Modernisierungsbedarf entgegen. Altersbedingt wird es zu umfangreichen Stilllegungen konventioneller Wärmekraftwerke kommen, und die Kernkraftwerke werden spätestens Mitte der 20er Jahre vom Netz gegangen sein. Über 40 % der in konventionellen Wärmekraftwerken installierten Kraftwerksleistung werden im Jahre 2010 ein Lebensalter von 35 Jahren und mehr erreicht haben. Bis 2030 rechnen die Autoren der Studie damit, dass eine Kraftwerksleistung von mindestens 50.000 MW ersetzt werden muss. Bei einer umfassenden Modernisierung könne sich diese Leistung auf beinahe 80.000 MW erhöhen. Damit stehe die deutsche Stromwirtschaft in den nächsten drei Dekaden vor der Notwendigkeit, ein Investitionsprogramm von 50 bis 60 Milliarden Euro umzusetzen. Angesichts der langen Lebensdauer der Investitionen im Kraftwerks- und im Netzbereich von 40 Jahren und mehr gehe es damit zugleich auch um Entscheidungen, die das Gesicht der Elektrizitätswirtschaft noch bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus prägen werden.

Die Optionen

Grundsätzlich bestehen mehrere Möglichkeiten zum Ersatz der wegfallenden Kraftwerksleistung:
· Ersatz der Nachfrage durch verbesserte Effizienz der Stromnutzung oder Substitution von Stromanwendungen durch andere Energieträger auf der Nachfrageseite.
· Verstärkte Nutzung dezentraler Stromerzeugungstechniken, wozu Stromerzeugungssysteme auf Basis erneuerbarer Energiequellen, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und – längerfristig – Brennstoffzellenanlagen/Mikrogasturbinen mit der Zielrichtung „virtuelle Kraftwerke“ gehören.
· Forcierter Ausbau zentraler Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in der öffentlichen Fernwärmeversorgung und in der Industrie.
· Einsatz hoch effizienter konventioneller Kondensationskraftwerke auf Basis fossiler Energieträger
· Deckungsbeiträge durch Strom-Importe.

Perspektiven auf der Erzeugungsseite

Ohne die Vorgabe klimaschutzpolitischer Ziele und unter der Annahme eines rein betriebswirtschaftlich bestimmten Entscheidungskalküls lassen alle vorliegenden „Business as usual“-Szenarien erwarten, dass der Ersatzinvestitionsbedarf vorrangig durch fossil gefeuerte Kraftwerke gedeckt würde. Dann würden Stein- und Braunkohlen die bei weitem wichtigsten Energieträger zur Stromerzeugung sein, so die Studie. Unter diesen Voraussetzungen würde die Elektrizitätswirtschaft zur Mitte des Jahrhunderts jedoch ein Emissionsniveau erreichen, bei dem zumindest sehr ambitionierte Klimaschutzziele nicht mehr zu verwirklichen wären.
Vor diesem Hintergrund gewinnen emissionsfreie oder zumindest emissionsarme Stromerzeugungssysteme an Bedeutung. Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie handle es sich dabei vorrangig um Stromerzeugungssysteme auf der Basis erneuerbarer Energiequellen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) habe sich die Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie in der Vergangenheit bereits erheblich erhöht, hält die Studie fest. Gegenwärtig tragen erneuerbare Energien mit rund 8 % zur gesamten Stromerzeugung bei und das Ziel eines Anteils von 12,5 % im Jahre 2010 scheint bei Fortführung der Förderpolitik erreichbar. Den entscheidenden Beitrag dazu dürfte die Windenergie leisten. Aber selbst wenn über 2010 hinaus mit einem weiterhin starken Zuwachs der regenerativen Stromerzeugung gerechnet werden könne und das im Novellierungsvorschlag für das EEG genannte Ziel eines Stromerzeugungsanteils von 20 % im Jahre 2020 verwirklicht werde, bleibe noch immer ein erheblicher Anteil, der über andere Optionen realisiert werden müsse, heißt es in der Studie.

Saubere Stein- und Braunkohlekraftwerke?

Nach klimaschutzpolitischen Gesichtspunkten seien weit reichende Ersatzinvestitionen für Kohlekraftwerke nur schwer zu vertreten, so lange der Übergang auf das emissionsfreie Kraftwerk („clean coal technology“) nicht gelinge. „Clean coal technology“ im strengen Sinne könne nur bedeuten, eine weitgehende Emissionsfreiheit bei der Kohleverstromung zu erreichen, so die DIW-Studie. Hierzu würden bereits verschiedene Wege der CO2-Abscheidung vor oder nach der Kohleverbrennung und der Speicherung des abgeschiedenen Kohlendioxids in geologischen Formationen diskutiert. Allerdings sei noch eine Reihe schwieriger technischer und ökonomischer, aber auch ökologischer Fragen zu lösen. Daher werde diese Option für den kommerziellen Einsatz bei den Modernisierungsmaßnahmen in den nächsten ein bis zwei Dekaden noch keine wesentliche Rolle spielen können.

Die Zukunft: Kraft-Wärme-Kopplung, erneuerbare Energien, Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke

Strategisch ergebe sich die Notwendigkeit, mit Vorsicht an die anstehenden Investitionsentscheidungen im Kraftwerksbereich heranzugehen und Zeit zu gewinnen, fasst die DIW-Studie zusammen. Dazu könne die Förderung der Stromeinsparung als ein Schwerpunkt energie- und umweltpolitischer Aktivitäten eine wichtige Entlastungsfunktion übernehmen. Auf der Angebotsseite sollte die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Ausbau von effizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie für einen wachsenden Beitrag der erneuerbaren Energieträger im Vordergrund stehen. Weiterhin sollte – solange die „Clean coal“-Technologien im strengen Sinne nicht verfügbar sind – der Bau von Erdgas-GuD-Kraftwerken zumindest als Übergangsstrategie dienen. Letztlich werde aber auch der Bau neuer hoch effizienter Kohlekraftwerke notwendig sein, um die verbleibenden Kapazitätslücken zu schließen.

26.01.2004   Quelle: DIW

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