DUH legt „Kirchhof-Umwelt-Streichliste“ vor

Fördermaßnahmen in den Sektoren Kraftstoffe, Gebäudesanierung und erneuerbare Energien würden dem „Vereinfachungswahn“ des designierten Finanzministers einer schwarz-gelben Bundesregierung zum Opfer fallen, so die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) in einer Pressemitteilung. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch warnte die Union vor „ökologischem Kahlschlag“.   Die Umsetzung der von Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel unter Verschluss gehaltenen Streichliste des designierten Finanzministers Paul […]

Fördermaßnahmen in den Sektoren Kraftstoffe, Gebäudesanierung und erneuerbare Energien würden dem „Vereinfachungswahn“ des designierten Finanzministers einer schwarz-gelben Bundesregierung zum Opfer fallen, so die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) in einer Pressemitteilung. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch warnte die Union vor „ökologischem Kahlschlag“.   Die Umsetzung der von Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel unter Verschluss gehaltenen Streichliste des designierten Finanzministers Paul Kirchhof hätte verheerende Auswirkungen auf die deutsche Umweltpolitik, so die DUH: „Praktisch alle gegenwärtigen Maßnahmen des Staates, umweltschonendes Verhalten über Ökosteuern, Steuererleichterungen, Marktanreizprogramme für Umwelttechnologien oder ökologisch motivierte Subventionen zu befördern, stünden zur Disposition“, heißt es in der Pressemitteilung. Das gehe aus der Umwelt-Streichliste hervor, welche die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) auf der Basis der Kirchhof’schen Vorstellungen für ein radikal vereinfachtes Steuerrecht erstellt hat.

Kirchhofs Zweifel an der Steuerförderung von Windkraft- oder Solaranlagen

„Wenn das Denken von Paul Kirchhof Einfluss auf die künftige Regierungsarbeit gewinnt, verabschiedet sich der Staat fast zwangsläufig aus seiner Verantwortung für die Umwelt und die Lebensgrundlagen unserer Kinder“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Der frühere Verfassungsrichter und Steuerjurist Kirchhof, der in dieser Funktion eine Reihe von Steuerurteilen des höchsten deutschen Gerichts zu verantworten habe, halte lenkende Steuern und noch viel mehr Ökosteuern für grundsätzlich illegitim. Sein auch in seinem jüngsten Buch ausdrücklich wiederholtes Credo laute: „Steuern sollen finanzieren, nicht steuern.“ Dort sei auch zu lesen, nicht einmal das im Grundgesetz verankerte Verfassungsziel des Umweltschutzes rechtfertige die Steuerförderung von Wind- oder Sonnenenergieanlagen. Denn deren ökologische Ziele würden „kaum messbar genannt“. In Wirklichkeit, so die DUH, minderten die regenerativen Energien den nationalen Treibhausgasausstoß im Jahr 2004 um 70 Millionen Tonnen Kohlendioxid, im Jahr 2005 würden es bereits 80 Millionen Tonnen sein. Sie leisteten damit den mit Abstand größten Beitrag zur CO2-Minderung der vergangenen Jahre.

Resch: Bürger müssen vorher wissen, dass die Ökosteuer oder die Förderung erneuerbarer Energien betroffen sind

„Bei Kirchhof mischt sich Unwissenheit über ökologische Zusammenhänge mit missionarischem Eifer bei dem, was er für steuergerecht hält“, sagt Resch. Der frühere Verfassungsrichter betrachte Steuergleichheit als das Fundament der bürgerlichen Freiheit, wobei diese Freiheit im Konfliktfall auch auf Kosten der Umwelt bewahrt werden solle. In die Freiheit zur Zerstörung der Lebensgrundlagen dürfe der Staat nach diesem hermetischen Weltbild weder mit Steuerprivilegien noch mit Steuersanktionen eingreifen, nicht mit Ökosteuern, Abschreibungsmöglichkeiten, Subventionen oder sonst wie. „Wie Merkels designierter Finanzminister so das Staatsziel Umweltschutz angemessen verfolgen will, bleibt schleierhaft“, sagte Resch. „Dabei gebe es über die Notwendigkeit, das deutsche Steuerrecht zu entrümpeln, das Umweltrecht zu vereinheitlichen und ungerechtfertigte Steuerschlupflöcher zu stopfen, in der Gesellschaft im Prinzip einen breiten Konsens“, so Resch.

Aber die Bürger müssten vorher wissen, dass Kirchhofs „Vereinfachungswahn“ nicht nur die Ökosteuer oder die Förderung Erneuerbarer Energien zum Opfer fallen würden, sondern auch viele andere Instrumente, mit denen der Staat aus guten Gründen versuche, lokale und globale Umweltprobleme in den Griff zu kriegen. Und mit denen er gleichzeitig Millionen Menschen dabei helfe, zum Beispiel ihre Energierechnung auf erträglicher Höhe zu halten. Das gelte für Modernisierungsmaßnahmen an Häusern und Wohnungen, wenn damit auch Fenster und Dächer besser gedämmt oder ein effizienter Heizkessel installiert werde. Das gelte für die vielfältige Förderung des öffentlichen Personenverkehrs oder die Mineralölsteuerbefreiung für Biokraftstoffe oder Erd- und Flüssiggas in Fahrzeugen. Und es reiche bis zur Abschaffung eines der wichtigsten Umwelt-Förderprogramme: dem Klimaschutz in der Altbausanierung. In einem Gespräch der Umweltverbände mit Angela Merkel und Klaus Lippolt am vergangenen Montag in Berlin habe Lippolt erklärt, diese werde natürlich auch gestrichen.

Unter Verweis auf die von der DUH vorgelegten Liste sagte Resch, sie erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ganze Bereiche, wie etwa umweltbasierte Abschreibungsmöglichkeiten seien dort nicht aufgeführt. „Im Prinzip steht all das auf der Abschussliste von Herrn Kirchhof. Es geht bei den Vorstellungen von Herrn Kirchhof um Freiheit, es geht um soziale Gerechtigkeit, aber es geht mindestens ebenso sehr um die Frage der ökologischen Modernisierung und ob der Staat sich daraus zurückziehen darf. Das wäre die Konsequenz, wenn sich das von Union und FDP im Prinzip bejubelte Denken von Herrn Kirchhof durchsetzt“, so Resch.

Der früheren Umweltministerin Angela Merkel warf Resch vor, einen „Umwelt-Desperado“ in ihr Kompetenz-Team geholt zu haben, ohne über die Konsequenzen seiner Vorschläge für die einst von ihr selbst mitentwickelte Klimapolitik nachzudenken. Dies belege einmal mehr den untergeordneten Stellenwert, den die Kanzlerkandidatin dem Umweltthema heute noch zubillige. Kirchhof sei auch unter Steuerrechtlern weitgehend isoliert, wie zuletzt das Ökosteuer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr gezeigt habe, das die Ökosteuer in vollem Umfang bestätigt habe. Gerd Rosenkranz, der Leiter Politik der DUH, sagte, Kirchhof wolle den Einzelnen, den Gewerbetreibenden und den Unternehmen mit seinen Vorschlägen einer radikalen Steuerreform und eines ebenso rücksichtslosen Subventionsabbaus ihre Freiheit zurückgeben. Dagegen habe die DUH keinerlei Einwände. Unter Hinweis auf Kirchhofs Steuerbuch mit dem Titel „Der sanfte Verlust der Freiheit“ sagte Rosenkranz: „Der Staat ist gleichzeitig verpflichtet dieser Freiheit – besser sanft als rabiat – Grenzen zu setzen, wo sie anderen oder anderen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen entziehen. Auch einen sanften Verlust der Umwelt darf es nicht geben.“

DUH gegen undifferenzierten Abbau von Subventionen nach der Rasenmähermethode

Vehement sprach sich Rosenkranz gegen einen undifferenzierten Abbau von Subventionen nach der Rasenmähermethode aus, wie sie in Kirchhofs Konzept angelegt sei. Das sei so populär wie falsch. Nirgends sonst trete derart klar zutage wie im Umweltbereich, dass es derzeit ökologisch segensreiche und ökologisch schädliche Subventionen gebe. Als Negativ-Beispiele nannte Rosenkranz die Entfernungspauschale, die Eigenheimzulage, die Steinkohlesubventionen und die steuerfreien Entsorgungsrückstellungen für Atomkraftwerke, als Positiv-Beispiele die Förderung von Energieeffizienz im Gebäudebereich und Solarwärme-Kollektoren zur Warmwasserversorgung und Heizungsunterstützung. Mit der Rasenmäher-Methode und noch viel mehr mit der von Kirchhof und seinen Anhängern propagierten „Weg-Mit-allen-Subventionen-Methode“ verzichte die Politik letztlich auf ihren Gestaltungsanspruch. Rosenkranz: „Kirchhoff will die Umweltpolitik zugunsten einer blutleeren Steuergleichheit opfern. Darauf darf sich die Politik nicht einlassen. Es gibt gute und schlechte Subventionen, gute und schlechte Steueranreize – ganz besonders im Umweltschutz. Welche gut sind und welche schlecht, darüber kann und muss gestritten werden. Diesen Streit nennt man Politik“, so Rosenkranz.

„Die Kirchhof-Umwelt-Streichliste“ ist veröffentlicht auf den Internetseiten der DUH, am Ende der Pressemitteilung.

13.09.2005   Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.   Solarserver.de   © EEM Energy & Environment Media GmbH

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