European Science Foundation gründet Projektgruppe für Solarenergie
Führende Wissenschaftler raten der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten nachdrücklich zu umfassenden Investitionen von mehreren Millionen Euro in die Erzeugung von umweltverträglicher, sauberer Energie mit Solaranlagen, Wasserstoff und anderen Brennstoffen. Nach Auffassung der Wissenschaftler ist dies langfristig die einzige nachhaltige Lösung für den globalen Energiebedarf. Die vielversprechendsten Ansätze für eine umfassende, direkte Solarenergie-Umwandlung in Brennstoffe wurden kürzlich auf einer internationalen Fachkonferenz in Regensburg vorgestellt. Dabei ging es um die Nachahmung natürlicher Photosynthese-Systeme und die Entwicklung des „künstlichen Blatts“. Das Treffen wurde von der European Science Foundation (ESF) finanziell unterstützt. Im Rahmen der Konferenz wurde zudem eine interdisziplinäre Projektgruppe gegründet. Diese soll Entscheidungsträgern der EU und nationaler Regierungen das Thema nahe bringen, damit umfassend in diese Technologien investiert wird.
Gesamtenergieverbrauch wird sich bis 2050 mindestens verdoppeln
Das grundlegende Problem ist laut ESF, dass sich der weltweite Gesamtenergieverbrauch pro Jahr von seinem derzeitigen Niveau von 14 Terawatt (TW) bis 2050 mindestens verdoppeln wird, während gleichzeitig fossile Brennstoffe knapp werden. Die Nutzung von fossilen Brennstoffen erzeuge zudem ein inakzeptables Kohlendioxid-Niveau, das zur globalen Erwärmung führt und katastrophale Folgen für viele Bereiche habe, zum Beispiel für die Nahrungsproduktion.
Durchbruch bei der Elektrizitätsspeicherung erforderlich
Abgesehen von der Solarenergie kann dieses Defizit nach Ansicht der Wissenschaftler nur mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie der Windenergie, gemeinsam mit der Atomenergie als nicht fossile und nicht erneuerbare Energiequelle angegangen werden. Doch diese würden weder den vorausgesagten steigenden Energiebedarf decken, noch die Elektrizitätserzeugung mit fossilen Brennstoffen vollkommen ersetzen können, heißt es in der ESF-Pressemitteilung. Ein weiteres Problem sei, dass diese Energieformen nicht direkt als gespeicherte Brennstoffe verfügbar seien. Ohne einen unerwarteten Durchbruch bei der Elektrizitätsspeicherung werde der Brennstoffbedarf weiterhin bei etwa 70 % des weltweiten Gesamtenergiebedarfs liegen – besonders im Transportwesen, in der Fertigung und der Heizenergie für Privathaushalte. Elektrizität mache derzeit nur 30 % des globalen Energieverbrauchs aus.
Photosynthese als Vorbild für Brennstoffproduktion in kommerzieller Größenordnung
Da die Sonne die Erdoberfläche praktisch zu jeder Uhrzeit erreiche, sei Solarenergie dagegen reichlich vorhanden, um den jährlichen Energiebedarf der Welt zu decken, betont die ESF. Das Problem liege darin, diese Energieform nutzbar zu machen. Die Natur habe das bereits mit der Photosynthese perfektioniert, einem hoch effizienten und flexiblen Mittel in zahlreichen Größenordnungen – von isolierten Bakterienkolonien bis hin zu großen Wäldern. Erst kürzlich seien insbesondere in Europa erhebliche Fortschritte beim Verständnis und der Nachahmung dieser natürlichen Prozesse erzielt. Die Ergebnisse hätten Wissenschaftler überzeugt, dass auf diese Weise Brennstoff in kommerzieller Größenordnung hergestellt werden könnte. Forschungsschwerpunkt sollte deshalb sein, sich bei der Schaffung von natürlichen und künstlichen Solarenergie-Umwandlungssystemen, die langfristig eine zuverlässige, nachhaltige Energieversorgung ermöglichen, von biologischen Systemen inspirieren zu lassen. Zudem sollte der ökologische Einfluss des Menschen gemindert und dadurch die globale, ökologische Kapazität mit umweltverträglichen, sauberen Technologien gesteigert werden. Das könnte zum Beispiel durch einen Kreislauf erfolgen, bei dem Kohlendioxid wieder in Brennstoffe umgewandelt wird.
Die ESF-Projektgruppe empfiehlt Europa drei parallele Ansätze für die Solarenergieforschung zur Erzeugung von sauberen Brennstoffzyklen
– Erweiterung und Anpassung der heutigen Photovoltaik-Technologie zur Erzeugung von sauberen Brennstoffen direkt aus der Sonnenstrahlung.
– Entwicklung künstlicher, chemischer und biomimetischer Anlagen, welche die Photosynthese nachahmen und zur Sammlung, Lenkung und Nutzung der Sonnenstrahlung einsetzen, zum Beispiel um Wasser zu trennen, in der Atmosphäre vorhandenes Kohlendioxid umzuwandeln und auf diese Weise verschiedene Formen umweltverträglicher, sauberer Brennstoffe zu erzeugen.
– Anpassung natürlicher Systeme für die direkte Erzeugung von Brennstoffen wie Wasserstoff und Methanol anstelle der Umwandlung von Kohlehydraten zu Brennstoffen in einem indirekten, ineffizienten Prozess.
Solarbrennstoff-Projekt als Meilenstein für die Entwicklung des „künstlichen Blatts“
Diese drei Forschungsthemen werden sich laut ESF überschneiden und auf die Grundlagenforschung zurückgreifen, um die genauen molekularen Mechanismen der Wasserspaltung in Wasserstoff und Sauerstoff bei der Photosynthese von Pflanzen und sauerstoffhaltigen Bakterien zu erklären. Durch diesen Prozess, der sich vor 2,5 Milliarden Jahren entwickelte, entstanden die Bedingungen für tierisches Leben durch die Umwandlung von in der Atmosphäre enthaltenem Kohlendioxid in Sauerstoff und Kohlenhydrate. Daraus gehen auch alle fossilen Brennstoffe hervor, welche die Menschen nun in immer schnellerem Masse zurück in Kohlendioxid umwandeln und damit katastrophale Umweltfolgen heraufbeschwören. In dem gleichen Prozess liege nun die Rettung, betont die ESF. Die Herausforderungen sind laut ESF gewaltig: Zuerst müsse die Funktion von natürlichen Photosynthese-Systemen nachgeahmt werden. Auf diesem Gebiet seien kürzlich bedeutende Fortschritte gemacht worden. Die Teilnehmer der ESF Brainstorming Conference bezeichneten das Solarbrennstoff-Projekt als wichtigen Meilenstein für die Entwicklung des „künstlichen Blatts“. In Europa wachse die Überzeugung, dass bis 2050 ein großer Teil unserer Brennstoffe von solchen „künstlichen Blättern“ stammen werde und dass es keine Zeit zu verlieren gelte, um mit wichtigen Forschungen an Technologien zu beginnen, die dies ermöglichen.
20.06.2006 Quelle: European Science Foundation (ESF) Solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH