Studie zeigt, wie die Bundesländer das Potenzial der erneuerbaren Energien ausschöpfen können
Ein Projekt der Forschungsstelle für Umweltpolitik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin hat in einer Studie belegt, dass sieben deutsche Bundesländer ihren Strombedarf schon heute komplett aus erneuerbaren Energiequellen decken könnten – mit Solar- und Windenergie, Wasserkraft und Biomasse. Mecklenburg-Vorpommern könnte sogar seinen gesamten Primärenergieverbrauch (Strom- und Wärmebedarf) mit erneuerbaren Energien decken. Im Auftrag des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) untersuchten die Forscher die Möglichkeiten und Grenzen der 16 deutschen Bundesländer beim künftigen Ausbau erneuerbarer Energien. Für Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurden vertiefende Fallstudien erstellt. Der Solar-Report 3/2008 fasst die Ergebnisse der Studie "Zukünftiger Ausbau erneuerbarer Energieträger unter besonderer Berücksichtigung der Bundesländer" zusammen und beleuchtet sowohl die Entwicklungsperspektiven einzelner Energieformen mit den Schwerpunkten Photovoltaik und Solarthermie als auch die generellen Hemmnisse einer verstärkten Nutzung der Erneuerbaren sowie die rechtlichen Befugnisse der Länder.Angesichts der systematischen Bundesförderung (EEG, MAP, Steuerbefreiung für Biokraftstoffe) und knapper Kassen haben die Länder in den vergangenen Jahren wenig Bedarf für eigene Anstrengungen gesehen, stellen die FU-Forscher fest. Doch zur Unterstützung der Bundesprogramme könnten auch mit einem beschränkten Finanzvolumen Erfolge generiert werden, zumal die Länder entgegen landläufiger Meinung über nicht zu unterschätzende rechtliche Kompetenzen verfügen, um die Entwicklung der erneuerbaren Energien voranzutreiben, vom Baurecht über die Raumordnung bis hin zur Landesplanung. Davon werde jedoch kaum Gebrauch gemacht, betont der Koordinator der Studie, Dr. Lutz Mez. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Bundesländer in Zukunft auf Breitenförderungsprogramme weitgehend verzichten können und sich stattdessen auf die Information und die Koordination von Netzwerken konzentrieren sollten.
Ferner sollten Leuchtturm-Projekte wie etwa das Bioenergie-Dorf Jühnde in Niedersachsen oder die Solar-Siedlungen in Nordrhein-Westfalen gefördert werden, die ebenso wie ein vorbildliches Beschaffungswesen des Landes Breitenwirkung entfalten können. Die Analyse der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten kommt zu dem Ergebnis, dass den Ländern zwar nur relativ wenige strategisch bedeutsame Steuerungslücken offen stehen; wo solche vorhanden sind, könnten jedoch wichtige Beiträge zur besseren Erschließung der Anwendungspotenziale geleistet werden. Besonders interessant für die Bundesländer ist das rechtlich noch weitgehend ungeregelte Feld der Nutzung regenerativ erzeugter Wärme. Ergänzend zu dem geplanten Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes – oder an dessen Stelle – könnten neue Regelungen auf der Ebene der Länder die erhoffte zusätzliche Dynamik in den regenerativen Wärmemarkt bringen, betonen die Autoren der Studie.
Unterschiedlicher Nutzungsstand in den einzelnen Bundesländern
Die Länder trugen im Jahr 2005 in unterschiedlichem Maß zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland bei. Deutlicher Spitzenreiter ist Bayern – dank seiner hohen Wasserkraftnutzung. Der Freistaat erreichte einen Regenerativ-Anteil von 27 % an der Gesamtstromerzeugung (17 Terawattstunden; TWh). Das von Windstrom dominierte Niedersachsen folgt mit 16 % (knapp 10 TWh) und das von der Wasserkraft geprägte Baden-Württemberg mit 11 % (6,6 TWh). Damit wurden allein in diesen drei Ländern mehr als 50 % des gesamten regenerativen Stroms in Deutschland erzeugt. Einzelanalysen der Energieträger Wasser, Sonne, Wind, Biomasse etc. für die Bundesländer ergeben ein sehr differenziertes Bild: Wasserkraft und Photovoltaik dominieren mit Abstand in Bayern. Bei der Windenergie haben sechs Länder einen überproportionalen Anteil: Niedersachsen, Brandenburg, NRW, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern). Bei der Stromerzeugung aus Biomasse liegen die einwohnerstärksten Länder Bayern, Niedersachsen und NRW an der Spitze.
Mehr als 20 % Ökostrom-Anteil in den bevölkerungs- und industriearmen Ländern mit hoher Windstromerzeugung
Die Studie zeigt, dass in den meisten Ländern ein einziger erneuerbarer Energieträger in der Stromerzeugung dominiert. In Bayern und Baden-Württemberg ist es die Wasserkraft. In Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern überwiegt die Windkraft. In Hessen und Thüringen hingegen hat die Biomasse ein überproportionales Gewicht. Ein Vergleich der tatsächlich erzeugten Ökostrommenge mit dem Bruttostromverbrauch von 2002 ergab beachtliche Deckungsanteile von über 20 % in den bevölkerungs- und industriearmen Ländern mit hoher Windstromerzeugung (Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg). Auch Bayern weist durch die starke Stromerzeugung aus Wasserkraft einen Anteil von rund 20 % auf. In NRW beträgt der Beitrag erneuerbarer Energieträger zur Nachfragedeckung trotz ausgeprägter Wind- und Biomasseerzeugung aufgrund des hohen Stromverbrauchs jedoch nur etwa 2,8 %.Die Photovoltaik wurde in den vergangenen Jahren kräftig ausgebaut: Insgesamt waren zum Jahresende 2007 rund 3,8 Gigawatt (GWp) Solarstromleistung in Deutschland installiert. Die Mehrzahl der Anlagen arbeitet auf Wohn- und landwirtschaftlichen Gebäuden, zusätzlich gingen große Freiflächenanlagen an das Netz. Bei der regionalen Anlagenverteilung ist laut Studie ein starkes Nord-Süd-Gefälle zu beobachten: In Bayern ist das Gros der Anlagen installiert. Dort befinden sich auch mit Abstand die meisten Freiflächenanlagen.
Laut Länderstudie war Bayern Ende 2005 eindeutiger Photovoltaik-Spitzenreiter mit einer installierten Leistung von 886 MW bzw. 42,4 % der bundesweiten Solarstrom-Produktion. Auf den Plätzen zwei und drei folgten Baden-Württemberg mit 388 MW bzw. 24,9 % und Nordrhein-Westfalen mit 241 MW, entsprechend 12,1 %. Weitere vordere Plätze belegten Hessen (112 MW; 6,1%) Niedersachsen (94 MW; 4,5 %) und Rheinland-Pfalz (59 MW, 3,3%). Schlusslichter unter den Flächenstaaten waren Mecklenburg-Vorpommern mit 5 MW und Sachsen-Anhalt (2 MW).Zur Deckung des Wärmebedarfs trugen erneuerbare Energien in der Bundesrepublik im Jahr 2005 in einer Größenordnung von 300 PJ bei (1 Petajoule = 0,278 TWh). Den größten Anteil hatte die Nutzung der Biomasse in privaten Haushalten, gefolgt von deren Nutzung in der Industrie sowie in Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Mit deutlichem Abstand folgen die Solarthermie sowie die Erd- und Umgebungswärme. In allen Bundesländern basiert die regenerative Wärmeversorgung überwiegend auf Biomasse. In Sachen regenerativer Wärmeversorgung liegt Bayern mit großem Abstand an der Spitze (ca. 107 PJ), gefolgt von Baden-Württemberg (knapp 49 PJ). Bayern kann damit knapp 12 % seines Wärmebedarfs von 2002 aus erneuerbarer Energie decken. Es folgt Thüringen, das zwar in absoluten Zahlen bei der Wärmeproduktion unter den deutschen Flächenstaaten nur eine mittlere Position einnimmt, aber wegen seines geringeren Energieverbrauchs seinen Wärmebedarf von 2002 zu 10,6 % decken kann. Baden-Württemberg liegt mit 6,7 % an dritter Stelle. Mit Abstand das Schlusslicht ist NRW mit 1,7 %. Ebenfalls geringe Deckungsanteile haben das Saarland und Schleswig-Holstein (jeweils 3,1%).Der Einsatz von Bio-Kraftstoffen im Verkehr in den Ländern ist ebenfalls sehr unterschiedlich:In absoluten Zahlen hatte NRW im Jahr 2005 mit knapp 13 PJ den höchsten Verbrauch an Biokraftstoffen, dicht gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Die höchsten Anteile von Bio-Kraftstoffen erreichten jedoch Sachsen-Anhalt und Thüringen mit über 5 %.
Nur wenig Solarthermie in den neuen Bundesländern
Die Solarwärme wird in Deutschland vorwiegend von privaten Haushalten genutzt, insbesondere in Einfamilienhäusern. Auch Gewerbe, Handel und Dienstleistungsunternehmen betreiben einige (Groß-) Anlagen (Kliniken, Altersheime etc.). In der Industrie existieren nur vereinzelte Anlagen. Die neu installierte Kollektorfläche hat bis 2006 stark zugenommen, ging aber 2007 merklich zurück. Bayern hatte 2005 absolut und einwohnerspezifisch mit Abstand die umfassendsten Kollektorflächen (2,7 Mio. m²), gefolgt von Baden-Württemberg (1,5 Mio. m²), und Nordrhein-Westfalen (647.000 m²). Die Solarthermie Nutzung in den neuen Bundesländern dagegen war und ist vergleichsweise gering. So waren Ende 2005 in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen insgesamt gerade einmal in etwa so viele Sonnenkollektoren installiert wie in Niedersachsen.Betrachtet man den Primärenergieverbrauch der Bundesländer auf Basis erneuerbarer Energieträger, dominiert nach absoluten Werten eindeutig Bayern (196,3 PJ) vor Baden-Württemberg (93,3 PJ). Es folgen mit deutlichem Abstand Niedersachsen (85,1 PJ) und NRW (80 PJ) vor den übrigen Bundesländern. Die einzelnen erneuerbaren Energieträger tragen auch hier auf unterschiedliche Weise zum Primärenergieverbrauch bei. Sind es in Bayern und Baden-Württemberg insbesondere Biomasse und Wasserkraft, so hat in Schleswig-Holstein die Windenergie den größten Anteil. In Thüringen dominiert klar die Biomasse. Betrachtet man den prozentualen Anteil der Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch der einzelnen Bundesländer, ergibt sich wiederum ein deutlich anderes Bild als nach absoluten Zahlen. An der Spitze liegt jetzt Thüringen, bedingt durch einen vergleichsweise geringen PEV sowie der beachtlichen Energieerzeugung des Zellstoffwerks Rosenthal mit einem Anteil von ca. 11 %. Hohe Deckungsanteile sind ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern (10,8 %) und in Bayern (9,7 %) zu verzeichnen. NRW ist nach dem Saarland (2,7 %) mit einem Anteil von 1,9 % das Schlusslicht unter den Flächenstaaten (Abb. 2).Generelle Hindernisse für den Ausbau der erneuerbaren Energien bestehen sowohl in technischer, rechtlicher und politischer Hinsicht als auch bezüglich der Information sowie in Form sozialer, wirtschaftlicher oder geographischer Hemmnisse, wobei diese nur schwer voneinander abzugrenzen sind. Wenn eine Technologie betriebswirtschaftlich glänzen kann, können genehmigungsrechtliche Hemmnisse wie ein kompliziertes Genehmigungsverfahren leichter überwunden werden und fallen nicht mehr so stark ins Gewicht. Die jeweiligen Hemmnisse müssen immer im Zusammenhang mit der spezifischen Situation des Investors betrachtet werden, betont die Studie (Privathaushalte, Unternehmen, Landwirt etc.). Für jeden Energieträger und jede Form der Energieversorgung sind unterschiedliche Hemmnisse maßgebend, die sich von Region zu Region unterscheiden können. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei häufig die eingeschränkte Betriebswirtschaftlichkeit. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Wettbewerbsnachteile der Erneuerbaren auch das Ergebnis einer Jahrzehnte langen Subventionierung konventioneller Energieträger ist sowie der Ausklammerung externer Kosten, zum Beispiel der ökologischen Kosten der Energieerzeugung aus fossilen und atomaren Brennstoffen.
Technische Probleme sowie Informations- und Kenntnismängel bei den Planern, Investoren und Handwerkern haben laut Studie in den letzen Jahren an Bedeutung verloren, seien jedoch für bestimmte Technologien und Nutzer weiterhin relevant. Regionalspezifische Hemmnisse sind vielfach an natürliche Bedingungen und andere Standortfaktoren geknüpft wie etwa die regional sehr unterschiedliche Einkommens-, Eigentums- und Vermögenssituation oder das Anlagenalter im Wärmebereich. Politische Hemmnisse sind vor allem beim Ausbau der Windkraft zu beachten. Aufgrund einer noch unzureichenden systematischen Analyse sei die Untersuchung der Hemmnisse für den Ausbau der verschiedenen Energieträger im eigenen Bundesland ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für die Landesregierungen, betonen die Autoren der Studie.
Windenergie-Perspektiven: Repowering und Offshore
Als größtes Hindernis für einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung an Land nennt die Studie die begrenzten nutzbaren Flächen mit entsprechender Windhöffigkeit (Wirtschaftlichkeit). Diese sind sowohl Folge der regionalen Bedingungen (Siedlungsdichte, Naturhaushalt) als auch der Akzeptanz und der Politik. Diese drei Faktoren sind stark voneinander abhängig. Günstige natürliche Bedingungen, wie sie beispielsweise in den Höhenlagen der Mittelgebirge mit durchaus passablen Windgeschwindigkeiten vorzufinden sind, gehen oft einher mit tendenziell geringerer Akzeptanz. Hinsichtlich der Zustimmung zu neuen Windenergieprojekten bietet sich ein sehr uneinheitliches Bild. Zwar wird einerseits der weitere Ausbau der Windenergie grundsätzlich befürwortet, doch die Akzeptanz konkreter Projekte vor Ort ist in der Regel gering. Die Kommunal- und Landespolitik verweist oft gerne auf die geringe Akzeptanz seitens der Bevölkerung, was sich wiederum in einer restriktiven Flächenausweisung bei der Regional- und Bauleitplanung widerspiegelt.Von der erstmaligen Nutzung von Flächen zur Windenergieerzeugung ist der Zubau von Windenergieanlagen an bereits genutzten Standorten im Rahmen der Flächenerweiterung bzw. -verdichtung zu unterscheiden. Aufgrund der bereits bestehenden "Vorbelastungen" können die Akzeptanzprobleme geringer sein als bei der Erstbebauung. Zudem ist die planungsrechtliche Abwicklung deutlich unkomplizierter. Davon wiederum zu unterscheiden ist das Repowering, der Ersatz bestehender durch neue Windkraftanlagen. Hier ist die Akzeptanz ebenfalls höher aus als beim Neubau, geht doch ein Repowering vielfach einher mit geringerer Anlagenzahl, günstigerer Anlagenanordnung und ruhigerem Erscheinungsbild. Hemmnisse planungsrechtlicher Natur bestehen, wenn die Fläche nicht als Eignungs- oder Vorranggebiet ausgewiesen ist, da ein Repowering dann nicht möglich ist. Ebenfalls möglich ist, dass die Fläche aufgrund der höheren Schallleistungspegel leistungsstärkerer Anlagen, das heißt auch zu geringen Abständen zum Beispiel zu Wohnbebauungen, nicht (mehr) oder nur eingeschränkt genutzt werden kann. Festlegungen zu Höhenbegrenzungen sind in diesem Kontext ebenfalls zu nennen.
Fehlende Netzeinspeisekapazitäten wertet die Studie momentan nicht als übermäßiges Hemmnis für ein Repowering. Wichtiger sei die Flächenverdichtung/-erweiterung. Probleme sehen die Wissenschaftler auch im Bauplanungs- und Genehmigungsrecht, die insbesondere unter dem Aspekt der Verhinderungsplanung zu fassen seien. Im Gegensatz zu früher kaum von Bedeutung sei der Kenntnisstand der potenziellen Investoren hinsichtlich der Onshore-Windenergienutzung. Dieser sei mittlerweile in der Regel sehr gut.
Einige sehr deutliche Unterschiede ergibt der Vergleich von Offshore- und Onshore-Windenergienutzung. Die Techniken für den Einsatz an Land können als weitgehend erprobt angesehen werden, im Offshorebereich hingegen gibt es noch größere technische Probleme, zum Beispiel bei der Gründung, hinsichtlich der Korrosionsanfälligkeit sowie der Zuverlässigkeit des Anlagenbetriebes. Damit verbunden sind höhere wirtschaftliche Risiken. Einen deutlich größeren Stellenwert haben offshore der Kapitalbedarf, die Eigenkapitalausstattung und die Finanzierungsmöglichkeiten. Auch die Genehmigungsverfahren sind deutlich komplizierter und zeitaufwändiger. Außerdem sind ökologische Aspekte zu beachten. Die Akzeptanz von Offshore-Windparks hingegen ist deutlich größer als bei Anlagen an Land. Die wirtschaftlich nutzbaren Standorte an Land werden nach Süden hin deutlich knapper und es handelt sich um Flächen, bei denen bei der Installation von Windturbinen große Fernwirkungen bestehen, betont die Studie. In Schleswig-Holstein und den küstennahen Standorten Niedersachsens machen die Autoren große planungsrechtliche Hemmnisse für ein Repowering sowie auch die größten Netzintegrationsprobleme aus.
Photovoltaik: Rendite spielt die zentrale Rolle
Die Hemmnisse für die Photovoltaik zeigen sich bei der Betrachtung ihres Einsatzes im jeweiligen Kontext. Ungeeignete Dächer, aufgrund ihrer Größe, Ausrichtung sowie Verschattungen wertet die Studie als Hauptrestriktion bei EFH und kleinen MFH, denn diese drei Aspekte beeinflussen die Wirtschaftlichkeit mehr oder weniger negativ. Die momentan noch hohen Systemkosten und die jährliche Vergütungsdegression werden ebenfalls als Hemmnis gesehen. Weiter sei anzunehmen, dass viele Hauseigentümer nach wie vor nicht detailliert über die Möglichkeiten der solaren Stromerzeugung informiert seien.
Bei den landwirtschaftlichen und industriellen Investoren spielt die Rendite eine wesentlich größere Rolle als die teilweise eingeschränkte Eignung der Dachflächen. Zudem ist eine ungünstige Ausrichtung aufgrund höherer Flachdachanteile weniger problematisch, jedoch treten häufig statische Probleme auf. Teilweise korrespondieren die Betriebsdauer der Anlage und die mögliche Nutzungsdauer des Gebäudes nicht miteinander.Größere Hemmnisse identifizierte die Untersuchung bei Fassadenanlagen, die bislang nicht im großen Stil realisiert wurden. Hier können Verschattungen zu gravierenden Ertragseinbußen führen. Ferner ist die Umsetzung einer Fassadenanlage an Bestandsgebäuden teuer und architektonisch oft nur unbefriedigend möglich. Angemessen sind derartige Anlagen nur in (repräsentativen) Neubauten umzusetzen, die jedoch zahlenmäßig sehr begrenzt sind. Bauordnerische Hemmnisse werden als weitgehend unbedeutsam eingeschätzt, denn in der Regel können solche Anlagen genehmigungsfrei errichtet werden. Nur in ausgewiesenen Sanierungsgebieten oder bei Baudenkmälern kann eine Baugenehmigung versagt werden, was aber nur einen sehr geringen Anteil des Gesamtgebäudebestandes betrifft. Zudem handelt es sich hierbei um Gebäude, die häufig "schwierige" Dächer besitzen, die ohnehin eine aufwendige und kostenintensive Lösung erfordern würden.
Bei Freiflächenanlagen spielen Renditegesichtspunkte eine überaus bedeutende Rolle. In Deutschland stehen gegenwärtig noch zahlreiche geeignete und umsetzbare Flächen für Photovoltaik-Kraftwerke zur Verfügung. Das zeige sich auch daran, dass PV-Anlagen nur in geringem Umfang Gegenstand der übergemeindlichen Planung (Regionalplanung) sind, so die Studie. Auch stelle die Akzeptanz derartiger Anlagen – zum Beispiel im Vergleich zu Windkraftanlagen – bislang noch kein ausgeprägtes Hemmnis dar.
Die Wirtschaftlichkeit wird wesentlich durch das EEG bestimmt und die Situation könnte sich bei einer Änderung der Vergütungssätze auch generell anders darstellen, betonen die Autoren der Studie. Auch hinsichtlich regionaler oder länderspezifischer Hemmnisse steht die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, was wesentlich von den (unterschiedlichen) Einstrahlungsbedingungen herrührt. Die Einstrahlung schwankt in Deutschland etwa ± 15 %, entsprechend unterschiedlich ist die Wirtschaftlichkeit. Daher werden Freiflächenanlagen vor allem im "sonnenverwöhnten" Süden errichtet. Dort kann es laut Studie auch am ehesten zur Verknappung geeigneter Flächen und abnehmender Akzeptanz kommen.
Auf Einfamilienhäusern, wo die Wirtschaftlichkeit nicht der alleinige Aspekt einer Investitionsentscheidung ist, lassen sich die deutlich höheren Installationsraten im Süden ebenfalls mit der höheren Solarstrahlung und mehr Sonnenstunden erklären. Dadurch verbessert sich nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Anlage, sondern dort wird der Sonne im Allgemeinen ein signifikanterer Beitrag zugebilligt. Im Norden Deutschlands bestünden dagegen oft negative (und falsche) Einschätzungen, dass eine Solarenergienutzung sich ohnehin nicht lohne, da die Sonne zu selten scheine. In Korrespondenz zur Nutzungsintensität sei auch der Informationsstand im Süden besser und die Akzeptanz höher, ermittelten die Forscher. Zum Tragen kommt ebenfalls, dass die Einkommens- und Vermögenssituation im Süden günstiger als in anderen Landesteilen sei.
Solarthermie: Wirtschaftlichkeit wächst mit der Größe der Anlage
Die Bedingungen zur Nutzung der Solarwärme sind dort am besten, wo möglichst im Sommer viel Wärme auf relativ niedrigem Temperaturniveau benötigt wird. So kann mit einfachen Kollektorsystemen eine vollständige Bedarfsdeckung erreicht werden. Das ist beispielsweise bei solarer Schwimmbaderwärmung der Fall. Auf Wohngebäuden werden – wie zur solaren Stromerzeugung – geeignete Dachflächen benötigt. Zur Nutzung der Wärme muss ein zentrales Wärmeversorgungssystem existieren und auch die Aufstellung eines größeren Solarspeichers möglich sein. Die Wärmegestehungskosten liegen bei Kleinanlagen (6 m²) in einer Größenordnung von 20 ct/kWh und damit noch über dem Preis konventioneller Energieträger. Die Verhältnisse verschlechtern sich zudem bei Kleinhaushalten und/ oder wenn im Sommer lange Abwesenheiten bestehen. Genehmigungsrechtlich bestehen keine größeren Hemmnisse, da die Anlagen in der Regel genehmigungsfrei sind. Als nach wie vor hemmend kann der eingeschränkte Informationsstand der Hauseigentümer angesehen werden sowie die vielfach geringe Kapitalkraft.
Im Mietwohnungsbereich, insbesondere bei größeren Wohngebäuden, sind die Wärmegestehungskosten teilweise deutlich geringer als bei EFH. Es besteht ein gleichmäßigerer höherer Wärmebedarf, der durch eine größere Dachfläche auch mit geringeren spezifischen Investitionen als bei Kleinsystemen gedeckt werden kann. Dieser Vorteil wird jedoch durch spezifische Restriktionen wieder zunichte gemacht. Als ein wesentliches Hemmnis muss das Mietrecht angesehen werden. Demnach ist nur ein Teil der Investitionskosten für eine Solarenergieanlage gemäß § 559 BGB auf den Mieter umlegbar, so dass Wohnungsunternehmen eine derartige Investition in den meisten Fällen nicht umsetzen.Günstigere Bedingungen für die Solarthermie bestehen bei Hotels, Altenheimen etc. Teilweise reichen aber die Dachflächen nicht aus, um einen signifikanten Beitrag zu erbringen (z. B. bei Hochhäusern). Obwohl die aufgeführten Hemmnisse genereller Natur sind, bestehen regional deutliche Unterschiede in ihrer Ausprägung. Die Bereitschaft zum Bau einer Solaranlage ist bei EFH-Besitzern im Süden deutlich höher als im Norden oder im Osten Deutschlands, was sich an den Installationszahlen auch deutlich ablesen lässt. Hier treffen die hinsichtlich der PV getätigten Aussagen in gleicher Weise zu. In den neuen Bundesländern wertet die Studie neben der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögenssituation auch den Bestand an relativ neuen Heizungsanlagen als Hemmnis. Da die Installation einer Solaranlage häufig mit einer Heizungsmodernisierung gekoppelt wird, existieren in den neuen Bundesländern nur vergleichsweise geringe Investitionsanlässe. Ebenfalls muss der dortige hohe Anteil der gas- und fernwärmeversorgten Wohnungen als Hemmnis genannt werden.
Gesetzgebung der Länder: Vor allem das Energie- und Bauordnungsrecht eröffnen positive Gestaltungsspielräume
Die Untersuchung der Rechtslage zeigt laut Studie, dass den Ländern hinsichtlich der Förderung erneuerbarer Energien zwar keine rechtliche Schlüsselstellung zukommt. Sie verfügen jedoch sowohl im Rahmen der Rechtssetzung als auch bei der Wahrnehmung von Gestaltungsspielräumen im geltenden Recht über zum Teil entscheidende positive Einflussmöglichkeiten, von denen sie bisher nicht oder nur in geringfügigem Umfang Gebrauch machen. Ansätze einer aktiven Förderpolitik in wichtigen Aktionsfeldern des Landesrechts wie dem Kommunalrecht, der Landesplanung oder dem Bauordnungsrecht sind bisher allenfalls vereinzelt zu erkennen. Auffällig ist auf der anderen Seite, dass in einigen Ländern besonders gegenüber der Windenergienutzung zum Teil starke Vorbehalte bestehen. Sie haben in einigen Bundesländern zum Aufbau ernst zu nehmender Hemmnisse für einer stärkere Nutzung dieser weltweit expandierenden Energietechnologie geführt (Stichwort: Windenergieerlasse). Dabei hätten einzelne Bundesländer sogar ihre Regelungsbefugnisse überschritten, denn das Bauplanungsrecht sei durch das Grundgesetz einerseits dem Bundesrecht zugewiesen und andererseits der planerischen Gestaltungsfreiheit der Kommunen. Als strukturell bedeutsames Hemmnis für die Entwicklung der erneuerbaren Energien stellen sich darüber hinaus auch die in der Mehrzahl der Bundesländer restriktiv gefassten Bestimmungen zur kommunalwirtschaftlichen Betätigung dar, insbesondere zur kommunalrechtlichen Anschluss- und Benutzungspflicht an Wärmenetze.
Die wichtigsten Handlungsfelder einer eigenständigen Rechtssetzung durch die Länder liegen auf den folgenden Gebieten:
• Energierecht, speziell hinsichtlich der Energieverwendung in Gebäuden sowie im Hinblick auf den Aufbau und die Nutzung von Wärmenetzen,
• Bauordnungsrecht (ebenfalls in Bezug auf die Energieverwendung bei Gebäuden, ggf. auch in Verbindung mit Anforderungen zur Energieeffizienz)
• Raumordnungs-/Landesplanungsrecht (im Hinblick auf die Steuerung der Flächennutzung für Anlagen zur Nutzung von EE)
• Kommunalrecht (namentlich in Bezug auf den Aufbau von EE-gestützten Wärmenetzen).
Auf der untergesetzlichen Vollzugs- und Gestaltungsebene besitzen die Länder demnach relativ ausgeprägte Spielräume zugunsten der EE im Rahmen der allgemeinen Landespolitik (eigene Förderprogramme, Liegenschaftsverwaltung, öffentliches Beschaffungswesen, Beratung usw.) sowie auf dem Rechtsgebiet der Raumordnung/Landesplanung. Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland ein Gesetz verabschiedet, nach dem bei der Heizung und Warmwasserbereitung in Wohngebäuden die Nutzung erneuerbarer Energien zum Standard werden soll. In Neubauten soll ab 2008 Jahr ein Fünftel des Wärmebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Für den Wohnungsbestand sollen jedoch gesetzliche Regelungen erst nach einer Vorlaufzeit von über zwei Jahren in Kraft treten und nur unter bestimmten Voraussetzungen greifen.
Autoren: Dr. Lutz Mez et. al. Redaktionelle Bearbeitung für den Solarserver: Rolf Hug.
Weitere Informationen: Forschungsbericht: Zukünftiger Ausbau erneuerbarer Energieträger unter besonderer Berücksichtigung der Bundesländer