Gebäudeintegrierte Photovoltaik
Die bislang verwirklichten Projekte mit gebäudeintegrierter Photovoltaik (engl.: building integrated photovoltaics bzw. BIPV) spiegeln bei Weitem nicht die Bandbreite an Produkten wieder, die auf dem Markt zur Verfügung stehen: Hierzu zählen integrierfähige kristalline Module, Dünnschicht-Module, Solar-Dachziegel, Photovoltaik-Dachfolien oder komplette Solardächer. Weil es sich bei BIPV häufig um aufwändigere und somit kostenintensivere Sonderanfertigungen handelt, die auf spezifische Bauvorhaben und deren besondere Anforderungen zugeschnitten sind, ist gebäudeintegrierte Photovoltaik heute noch ein Nischenmarkt. In Zusammenarbeit mit dem Economic Forum (London, München und Bozen) beleuchtet der Solarserver im Solar-Report 11/2008 die BIPV-Märkte in Europa und die Kosten der Photovoltaik-Gebäudeintegration, zeigt Hürden der Markterschließung und skizziert die Zielgruppen für Marketing und Vertrieb. Eine Marktstudie zur gebäudeintegrierten Photovoltaik wird das Economic Forum anlässlich des 3. ENERGY FORUM zur Solararchitektur am 09. Dezember in Brixen (Südtirol) präsentieren. Die Untersuchung zeigt ein zunehmendes Interesse von Architekten und Planern – aber auch, dass intensivere Aufklärungsarbeit über die tatsächlichen Kosten von BIPV-Anlagen erforderlich ist. Die Industrie ist sich laut Studie einig, dass der BIPV-Markt wachsen wird und kann sich vorstellen, dass BIPV ein Massenprodukt werden könnte. Chancen sehen die Hersteller am ehesten in Deutschland, Frankreich, Italien und in den USA. Für den Optimismus sorgt das weltweite Wachstum der Photovoltaik, an dem die BIPV, wenn auch mit niedrigen Prozentzahlen Anteil haben wird. Neue Energieeinspeisegesetze und Verordnungen für Alt- und Neubauten, welche die Nutzung erneuerbarer Energien vorgeben, könnten sich als treibende Kräfte erweisen, von denen auch die BIPV profitieren kann.
Derzeit haben gebäudeintegrierte Solarstromanlagen Anlagen weniger als 2 % Anteil am gesamten Photovoltaik-Markt. Die geringe Marktdurchdringung ist neben den höheren Kosten auch darin begründet, dass ein Großteil der BIPV-Systeme in Neubauten zum Einsatz kommt, diese jedoch wiederum nur einen Bruchteil der Bauvorhaben insgesamt ausmachen. Damit trotz höherer Kosten mehr optisch ansprechende BIPV-Anlagen gebaut werden und um einer Verunstaltung von Gebäuden mit nicht integrierten Modulen entgegenzuwirken, unterstützt die staatliche Förderung in Italien, Frankreich und ab 2009 auch in der Schweiz die gebäudeintegrierte Photovoltaik mit einem Bonus. In Italien beträgt der Förderzuschlag für die Gebäudeintegration von Photovoltaik bis zu 9 Cent pro Kilowattstunde Solarstrom. Die Marktentwicklung in Deutschland, wo im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nur 5 Cent Bonus gezahlt werden und ab 2009 gar kein zusätzlicher Anreiz mehr vorgesehen ist, hat gezeigt, dass dieser Betrag nicht ausreicht, um der gebäudeintegrierten Photovoltaik zum Durchbruch zu verhelfen. Es bleibt abzuwarten, ob und wann die gebäudeintegrierte Photovoltaik in Frankreich einen höheren Marktanteil erobern kann, denn dort gibt es für gebäudeintegrierte Anlagen sogar einen Bonus von 25 Cent/kW, also das Fünffache des bisherigen deutschen Bonus.Im Herbst 2008 wurden 50 europäische Hersteller von BIPV-Produkten im Auftrag des ECONOMIC FORUM befragt.1 Keines der antwortenden Unternehmen beabsichtigt, sich allein aufgrund der Bonusstreichung aus dem deutschen Markt zurückzuziehen. Zu hoch sind das Volumen des deutschen PV-Marktes und die Sensibilität für die Nutzung von PV. Stärker als der künftige Wegfall des BIPV-Bonus könnte sich die zunehmende Degression (prozentuale Senkung) der Einspeisevergütung jedoch auch negativ auf den BIPV-Markt auswirken.Die Höhe der Einspeisevergütung spielt für die befragten BIPV-Hersteller eine große Rolle hinsichtlich ihres Engagements auf den europäischen Märkten, der Bonus für integrierte Anlagen ist dem untergeordnet.
Derzeit weist die BIPV Anfänge einer Blütezeit auf. Das zeigt sich nicht nur in der Photovoltaik-Industrie, sondern auch in anderen, der BIPV verwandten Industriezweigen. So entdecken zum Beispiel Hersteller der Dach-, Fassaden- und Glasbranche immer häufiger das Marktpotenzial der BIPV, nicht nur in Deutschland, sondern auch international.Die staatliche Förderung hat bewirkt, dass Deutschland, Frankreich und Italien die führenden BIPV-Märkte Europas sind, bestätigt die Herstellerumfrage. Gefragt nach den wichtigsten Märkten für BIPV wurde Deutschland an erster Stelle genannt, da das Land nach wie vor der mit Abstand größte Photovoltaikmarkt weltweit ist und das Marktvolumen für BIPV mit dem Gesamtmarktvolumen wächst. Weiterhin förderlich für den Markt sind die vorhandene Produktions- und Vertriebsnetze.
Hoher BIPV-Bonus in Frankreich
Frankreich entwickelt sich derzeit zu einem "Testmarkt" der BIPV-Förderung, denn dort beträgt die Einspeisevergütung für BIPV-Strom 57 Cent/kW, gegenüber 31 Cent/kW für Solarstrom aus additiven Anlagen. Das bedeutet einen BIPV-Förderbonus in Höhe von 83,3 %. Darüber hinaus erhält der Betreiber einer PV-Anlage in Frankreich eine Steuergutschrift über 50 % der Materialkosten. Der Photovoltaikverband Soler schätzt die 2008 installierte Solarstrom-Leistung auf 150 bis 200 Megawatt (MW). Die französische Regierung peilt als Ziel 1.100 MW bis 2015 und 5.400 MW bis 2020 an.
Vorrang für BIPV auch in Italien
An dritter Stelle nach Deutschland und Frankreich nannten die befragten Unternehmen Italien. Derzeit sind in dort 200 MW an PV-Leistung installiert. Führend sind die Regionen Lombardei und Südtirol. Mit dem novellierten Fördersystem "Conto Energia" fiel im Februar 2007 die Begrenzung für die Förderung der installierten PV-Leistung, der so genannte PV-Deckel. Seitdem hat der Markt stark angezogen. Auch Italien fördert bevorzugt gebäudeintegrierte PV-Anlagen, jedoch nicht in dem Maße wie Frankreich. Für voll integrierte Anlagen mit einer Leistung bis zu 3 kW zahlen die Italiener 48 Cent/kW.
Anlagen bis 3 kW | Italien 2009 | Frankreich 2008 |
---|---|---|
ohne Gebäudeintegration | 39 Cent/kW | 31,19 Cent/kW |
mit Gebäudeintegration | 48 Cent/kW | 57,19 Cent/kW |
Förderbonus | 23 % | 83,3 % |
Die Solarstrom-Förderung wird in Italien jährlich um 2 % gesenkt, in Frankreich jedoch um die jährliche Inflationsrate angehoben. In Italien wird der Tarif um weitere 5% erhöht, wenn
- mindestens 70 % des produzierten Stromes für den Eigenverbrauch (gilt für Anlagen über 3 kW)
- die Anlagen für Schulen und Krankenhäuser sind
- die Anlagen Eternitdächer oder asbesthaltige Dächer ersetzen
- die Anlagen für öffentliche Verwaltungen von Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern bestimmt sind.
Spanien: Trend von der Freifläche zum Gebäude
In der Gunst der Unternehmen ist Spanien laut Untersuchung auf Rang 4 abgerutscht. Die Einspeisetarife sind im Oktober 2008 von 42 Cent/kW auf 34 Cent/kW gefallen (32 Cent/kW für Anlagen größer als 20 kW). Die maximale Leistung von Dachanlagen wurde mit dem am 28.09.2008 in Kraft getretenen Königlichen Dekret 1578/2008 auf 2 Megawatt (MW) begrenzt, jene von Bodenanlagen auf 10 MW. Die Vergabeleistung wird für ganz Spanien pro Jahr auf 267 MW für Dachanlagen und auf 133 MW für Bodenanlagen gedeckelt (Förderobergrenze). Für die Jahre 2009 und 2010 wurden im Rahmen einer Übergangsregelung zusätzliche 100 MW für Dachanlagen beziehungsweise 60 MW für Freiflächen-Solarparks freigegeben. Die Investoren, die bislang auf große Solarparks gesetzt haben, müssen demnach strategisch umdenken, hin zu kleineren Anlagen an und auf Gebäuden. Einen Bonus für integrierte Anlagen gibt es in Spanien nicht. Die spanische Bauverordnung von 2006 ("Código Técnico de Edificación", kurz: CTE) schreibt jedoch für Bürogebäude ab einer Fläche von 4.000 Quadratmetern eine Solarstromanlage vor. "Großsupermärkte, Einkaufs- und Freizeitzentren, Lagerhallen, Verwaltungsgebäude, Hotels und Pensionen, Krankenhäuser und Messehallen müssen zur eigenen Energieversorgung oder zur Netzeinspeisung technische Anlagen verwenden, die Sonnenenergie in elektrischen Strom umwandeln", heißt es im CTE-Passus über Energiesparmaßnahmen.
Neuer Standard zur Gebäudezertifizierung in England
Zu einem BIPV-Markt könnte sich mittelfristig auch England entwickeln. Mit dem neuen Energieausweis wird ab 2016 der Standard "Zero Carbon Home" für alle Neubauten verpflichtend sein. Der durch den Energieverbrauch verursachte CO2-Ausstoss muss dann gleich Null sein. Anhand eines Punktesystems werden die Bauabläufe, der Ressourceneinsatz, die Luftqualität, Materialien und der Flächenverbrauch bewertet. Für eine Verbesserung der Energiebilanz kommen auch PV-Anlagen zum Tragen. Mit dem Modell wird England im Bereich der Gebäudezertifizierung eine Vorbildfunktion einnehmen.
Die befragten Unternehmen stimmen darin überein, dass staatliche Vorgaben notwendig sind, um die Photovoltaik und deren Gebäudeintegration voranzubringen. Gesetzliche Auflagen für Neubauten wurden von den Unternehmen an erster Stelle genannt. Auch Architekten, die sich der Photovoltaik beschäftigt haben, würden derartige Vorschriften begrüßen. Laut einer EU-Studie, für die über 70 Architekten, Ingenieure und Planer befragt wurden, hätte eine Gesetzgebung, die den Einsatz von Solarstrom-Technik vorschreibt, "einen bedeutenden positiven Effekt auf die Nutzung von Photovoltaik", denn dies würde den Auftraggeber dazu zwingen, "bereits in einem frühen Stadium der Projekte, Photovoltaik zu berücksichtigen."2Die im Auftrag des ECONOMIC FORUM befragten Unternehmen fordern daher auch eine stärkere Lobbyarbeit der Verbände, damit der Gesetzgeber entsprechende Regelungen erlässt. Da BIPV-Anlagen nach wie vor Prestigeprojekte sind und für Bauträger und Architekten in vielen Ländern aus Image- oder Marketinggründen interessant sind, kommen für BIPV-Anbieter auch Länder ohne Einspeisevergütung in Frage. Ein Branchenkenner fordert, den Blick nicht nur auf die Einspeisetarife zu richten, sondern sich stärker auf die Wettbewerbsfähigkeit von BIPV-Komponenten im Vergleich zu anderen Bauelementen zu konzentrieren – und damit auf die Zeit nach dem Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit (Grid Parity) und dem anschließenden Auslaufen der Einspeisegesetze hinzuarbeiten. Entsprechend sollten nicht nur gegenwärtig lohnende europäische Märkte bearbeitet werden, sondern schon jetzt aufstrebende Märkte einbezogen werden wie etwa China, Indien, Russland und die USA.3
Hürden bei der Markterschließung, Bürokratie in Frankreich
Bürokratie und regionale Normen behindern die Erschließung von neuen Märkten. Die befragten Unternehmen stellen insbesondere in Frankreich bürokratische Hemmnisse bei der Markterschließung fest. In Frankreich sind die Hürden in erster Linie die kostspieligen Zertifizierungen für Solar-Komponenten, die von ausländischen Herstellern erworben werden müssen, sowie das französische Versicherungssystem, das ein einheimisches Zertifikat fordert. Photovoltaik-Unternehmen stoßen häufig auf das Problem, dass in Frankreich vom Auftraggeber trotz bestehender EU-Zertifizierung eine zusätzliche technische Prüfung und Abnahme des Photovoltaik-Produktes verlangt wird. Die Prüfung erfolgt durch das Centre Scientifique et Technique du Bâtiment (CSTB). Das CSTB ist für die technische Prüfung sowie die Verwaltung der Normierung von Bauprodukten zuständig und erteilt Abnahmen für eine bestimmte Produktreihe zum Preis von bis zu 15.000 € und für Einzelabnahmen zum Preis von bis zu 5.000 €. Zwar ist der Betreiber einer PV-Anlage nicht ausdrücklich zur technischen Abnahme durch das CSTB verpflichtet, trotzdem besteht ein indirekter Zwang, da der Installateur in haftungsrechtlicher Sicht gegenüber seinem Kunden verpflichtet ist, nur Anlagenbestandeile zu verwenden, die den geltenden Standards entsprechen. Unternehmen, die BIPV-Anlagen in Frankreich installieren, unterliegen einer zehnjährigen Gewährleistung und müssen sich bei einem Versicherer gegen einen möglichen Schadensfall in diesem Zeitraum absichern. Die französischen Versicherer tun sich jedoch schwer, ausländische Normierungen zu beurteilen und erwarten daher die Vorlage der CSTB-Zertifizierung. Die Bewerbung eines PV-Moduls ohne CSTB-Zertifikat stellt somit einen Wettbewerbsnachteil dar.4
Informationsdefizite bei Architekten und Planern
Eine weitere Hürde bei der Markterschließung sehen die befragten Hersteller im fehlenden Know-how von Architekten und Planern. Auch wenn die BIPV-Produzenten momentan zunehmendes Interesse feststellen, ist es doch häufig gerade diese Berufsgruppe, die als Barriere der Verbreitung integrierter Anlagen betrachtet wird. Informationsdefizite bei Architekten beklagt auch Susanne Rexroth von der Berliner FH für Technik und Wirtschaft: "Technik hatte bei Architekten schon immer einen schweren Stand". Architekten sähen sich eher als Gestalter, Künstler und Designer – die Technik spiele eher eine untergeordnete Rolle. Bei jüngeren Kollegen beobachtet sie jedoch eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber erneuerbaren Energien.In der Planung von Bauvorhaben muss die Solartechnik sich ihren Stellenwert erst noch erobern. Integrierte PV-Anlagen berühren zahlreiche Gewerke mit dem auf das jeweilige Fachgebiet begrenzten Wissen. Die Planung und Installation von Solaranlagen ist bei Fassaden-, Glas- und Metallbauern, Heizungs- und Lüftungsbauern, Elektrohandwerkern und Dachdeckern noch nicht etabliert. Es fehlt das ganzheitliche Verständnis für die gebäudeintegrierte Photovoltaik, die bereits in der Planungsphase eines Bauprojektes einbezogen werden sollte.5 Branchenkenner sehen gerade im verbesserten Zusammenspiel der einzelnen Gewerke großes Potenzial zur Senkung der Kosten.
Zielgruppen für Marketing und Vertrieb
Um dieses Informationsdefizit zu beseitigen, wenden sich die Hersteller mit ihrem Marketing vorwiegend an Architekten, Planer und Ingenieurbüros. Es folgen Bauunternehmen und Bauträger. Erst danach werden – je nach Ausrichtung des Unternehmens – Endverbraucher und Großhändler angesprochen. Die weiterverarbeitende Industrie und das Dachhandwerk sind zusätzliche Zielgruppen. Unter den Marketingmaßnahmen werden Messegespräche als am erfolgreichsten beurteilt. Aufgeführt werden Baumessen wie die BAU (München), die Construmat (Barcelona) und die Batimat (Paris) sowie Solar-Fachmessen wie die Intersolar (München) und die SolarExpo (Verona).
An zweiter Stelle der bevorzugten Marketingaktivitäten rangieren so genannte Leuchtturmprojekte, also häufig sehr kostenintensive Bauprojekte, die sich von der Masse der Anlagen abheben.6 Darüber hinaus nehmen Hersteller an Wettbewerben teil, laden zu Architekten-Workshops und Tagungen ein oder planen, mit einer Road-Show neue Vertriebspartner zu finden. Susanne Rexroth sieht gerade in Architekturwettbewerben ein Mittel, um die Photovoltaik stärker zu verbreiten. Die Architektin fordert daher, BIPV in den Ausschreibungen häufiger zur Auflage zu machen. Die Teilnehmer würden sich dann zwangsläufig mit der Photovoltaik beschäftigen. Sie empfiehlt, dass die Wettbewerbe von offiziellen und neutralen Einrichtungen ausgelobt werden, denn Wettbewerbe, die von Institutionen wie etwa dem Bund Deutscher Architekten, dem Bund Deutscher Ingenieure oder der Bundesarchitektenkammer ausgeschrieben würden, hätten eine höhere Akzeptanz als von Unternehmen ausgelobte Wettbewerbe. Auch den Kommunen könnte hier eine Vorreiterrolle zukommen.7In ihrem Vertrieb wenden sich die befragten Hersteller in erster Linie an Installateure und Großhändler, aber auch an Architekten, Fassaden- und Metallbauer, Dachdecker, den Bedachungsfachhandel sowie an Energieversorger und unabhängige Stromerzeuger. Hinsichtlich des Potenzials rangieren in der Umfrage dachintegrierte Anlagen vor Fassadenanlagen. Industriebauten kommen vor Gewerbeimmobilien, und diese wiederum rangieren vor Wohnhäusern. Anlagen im Neubau und im Bestand werden gleichermaßen Chancen eingeräumt.
Bei den Verkaufsargumenten stehen der Mehrfachnutzen der Gebäudehülle, ein Imagegewinn für den Betreiber und die Ästhetik der Anlage im Vordergrund. Mit Blick auf die finanziellen Vorteile für den Betreiber durch die Einspeisevergütung scheiden sich die Geister. Die eine Hälfte der Befragten führt sie als Verkaufsargument an, die andere Hälfte nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Schutz der Umwelt und der Verringerung der CO2-Emissionen, mit einer leichten Tendenz zur Verwendung dieses Argumentes. Energie-Unabhängigkeit ist für den Großteil der Befragten kein Verkaufsargument.
Als weitere Verkaufsargumente werden genannt:
- einfache Installation des integrierten Systems mit herkömmlichen Dachdeckerwerkzeugen
- Wertsteigerung der Immobilie
- zukunftsweisende Baumaterialien
- Kostenersparnis und bessere Flächennutzung durch den Verzicht auf zusätzliche Aufständerung
- Dach und PV aus einer Hand vermeidet Schäden am Dach bei einer nachträglichen Installation.
Die Verkaufsargumente unterscheiden sich in den Ländern kaum. Zum Teil werden sie aber an die jeweiligen Rahmenbedingungen/ Einspeisevergütungen angepasst. In südlichen Ländern ist auch der Sonnenschutz durch BIPV-Anlagen ein Argument, in Verbindung mit den geringeren Stromkosten für eine Klimaanlage.Höhere Kosten und mehr Aufwand bei der Planung sind zwei der Hauptgründe für die noch geringe Verbreitung der BIPV. Die befragten BIPV-Unternehmen fordern daher von den Photovoltaik-Lieferanten, die Kosten zu senken. Je früher die Grid Parity8 erreicht wird, desto schneller werde die Photovoltaik zum Selbstläufer, wovon auch die BIPV profitieren würde. Wie hoch die Kosten für BIPV generell sind, ist schwer zu ermitteln, da BIPV-Komponenten in der Regel noch Sonderanfertigungen sind. Entsprechend variieren die Bandbreiten, die genannt werden. Gegenüber den zirka 4.000 € für ein Kilowatt Photovoltaik-Leistung mit Standardmodulen schlagen integrierte Anlagen mit Gesamtkosten von rund 10.000 € pro Kilowatt zu Buche beziehungsweise mit 7.000 € bis 8.000 € für die Photovoltaik-Komponenten zuzüglich der Kosten für Glas und Integration.n den Workshops, welche das britische Beratungsunternehmen Ove Arup & Partners im Rahmen der BIPV-CIS-Studie für die EU durchgeführt hatte, wurde deutlich, dass Architekten, Ingenieure und Planer die Kosten für BIPV sogar noch höher einschätzen – also überschätzen. Als die Workshop-Teilnehmer mit den tatsächlichen Kosten für BIPV konfrontiert wurden, waren sie beeindruckt, dass der Amortisationszeitraum von Solarfassaden geringer ist als angenommen und dass deren Kosten vergleichbar sind mit jenen einer aufwändigen herkömmlichen Fassade, beispielsweise aus Marmor. Im Gegensatz zu einem traditionellen Fassadensystem kann sich eine Solarfassade über ihren Lebenszyklus dort selbst refinanzieren, wo eine staatliche Einspeisevergütung garantiert wird.
Die Abakus Solar AG (Köln) hat am Beispiel einer BIPV-Anlage in Italien nachgewiesen, dass sich eine Solarfassade innerhalb von dreißig Jahren amortisieren kann9– und zwar die komplette Hausfassade, nicht nur die integrierte Photovoltaikanlage.
Die BIPV-CIS-Studie der EU und die Beispielrechnung von Abakus Solar belegen, dass eine intensivere Aufklärungsarbeit über die tatsächlichen Kosten von BIPV-Anlagen nötig ist. Viele der befragten Hersteller wünschen sich daher mehr Schulungen für Architekten, Planer und Bauunternehmen. Für Optimismus sorgt das weltweit kräftige Wachstum der Photovoltaik, an dem die BIPV ihren Anteil haben soll – wenn auch weiterhin mit kleinen Marktanteilen. Das PV-Potenzial ist nicht zu unterschätzen, wie das Beispiel Deutschland zeigt. Hier wird noch nicht einmal ein Prozent des Strombedarfs mit Photovoltaik gedeckt. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) geht jedoch davon aus, dass der Anteil der Photovoltaik an der Stromversorgung bis 2030 auf rund 10% steigen wird. In absoluten Zahlen wird auch die BIPV damit wachsen. Laut EuPD Research wird auch in Italien der Marktanteil von BIPV wachsen; im Jahr 2010 sollen bereits 28 % der italienischen PV-Anlagen gebäudeintegriert sein.10
Auch die jüngsten Entwicklungen in den USA (Investment Tax Credit) werden dem PV-Markt starke Impulse geben. Und weltweit wirken neue Solarstrom-Vergütungstarifsysteme sowie Verordnungen und Richtlinien für Alt- und Neubauten, welche die Nutzung erneuerbarer Energien vorschreiben, als treibende Kräfte, wovon auch die BIPV in Europa profitieren kann.
Die Zusammenfassung der Studie erscheint am 09. Dezember 2008 im Tagungsband des 3. ENERGY FORUM "Solararchitektur und Solares Bauen". ISBN: 978-3-9812053-1-2. Sie ist erhältlich unter www.energy-forum.it.
Material und Hintergrundinformationen: Economic Forum Ltd. Redaktion Solarserver: Rolf Hug1Die hier präsentierten Ergebnisse basieren auf einer Umfrage unter 50 europäischen Herstellern von Produkten der gebäudeintegrierten Photovoltaik (BIPV), die im Auftrage des ECONOMIC FORUM LTD im Herbst 2008 durchgeführt wurde. Diese Zusammenfassung erscheint im Tagungsband des 3. ENERGY FORUM zur Solararchitektur, Brixen, 09.-10.12.2008, ISBN 978-3-9812053-1-2
2BIPV-CIS Research Project, Market Study Report, Work Package 3, European Commission, April 2006
3In den USA verabschiedete der Kongress am 03.10.08 das 700 Millarden-Dollar-Programm zur Rettung der Banken und legte gleichzeitig das Investment Tax Credit-Gesetz neu auf. Hiernach entfällt der Deckel für die Steuergutschrift von bisher 2000 US$, die auf 30% der Investitionssumme einer Solaranlage gewährt wird. Außerdem können nun auch die Energieversorger, die gesetzlich verpflichtet sind, Strom auch aus alternativen Energien anzubieten, diese Steuergutschrift im großen Stil anwenden. Das Gesetz gilt für acht Jahre und stellt einen bedeutenden Durchbruch für die Solarenergie in den USA dar. Laut vieler Beobachter wird sich das Gesetz stärker auf den amerikanischen Solarmarkt auswirken als der Wahlsieg Barak Obamas zum Präsidenten.
4Quelle: Praxisreport Solarmarkt Frankreich 2008/2009, Deutsche Energie-Agentur, Berlin
5Laut einer Studie der Internationalen Energieagentur, IEA Paris, ist der technische Dialog zwischen Fassadenbauern und Photovoltaikanbietern stark verbesserungsfähig, denn die Fachgebiete sprechen noch unterschiedliche Sprachen. Der IEA-Bericht hat die Schnittstellen und die Arbeitsteilung zwischen Fassadenplanern und Photovoltaik-Fachplanern untersucht. 48% der befragten Firmen erhielten regelmäßig Anfragen bzgl. Photovoltaikanlagen, aber „die Mehrheit der Antwortenden (90%) hat in den letzten zwei Jahren kein Projekt ausgeführt.“ Die Integration von Photovoltaik sei immer wieder als Idee aufgetaucht, aber nicht realisiert worden. Quelle: Solararchitektur und Solares Bauen, Tagungsband des 2. ENERGY FORUM, Brixen 2007, S.7/8
6Leuchtturmprojekte sind zumeist Großprojekte wie die Großsporthallen in Oldenburg und Tübingen mit ihren fassadenintegrierten PV-Anlagen oder der Lehrter Bahnhof in Berlin mit seinen dachintegrierten Modulen.
7Ein aktueller Wettbewerb zum Thema BIPV ist der Europäische Preis Gebäudeintegrierte Solartechnik 2008. Der Solarenergieförderverein Bayern e.V. (SEV) lobte ihn gemeinsam mit der Bayerischen Architektenkammer, dem Bund Deutscher Architekten und der Zeitschrift Detail aus. Der Wettbewerb fand 2008 zum vierten Mal statt und wurde erstmals europaweit ausgeschrieben. Die diesjährige Beteiligung wertet Fabian Flade vom SEV als Zeichen dafür, dass sich die BIPV stärker bei Architekten durchsetzt. Bis Anfang Oktober hatten sich 51 Interessenten registriert, 40 Teilnehmer reichten ihre Bewerbungen ein. Sie kommen aus neun europäischen Staaten: eine Hälfte etwa aus Deutschland, die andere Hälfte aus Italien, Frankreich, Österreich, Spanien, Slowenien, Schweden und der Schweiz. (www.sev-bayern.de)
8Grid Parity: dt.: Netzparität, wenn der Solarstrompreis identisch mit dem Preis des handelsüblichen Stroms ist.
9Manuskript von Erhard Krausen, abakus solar AG, auf dem 3. ENERGY FORUM, 09. Dezember 2008 (siehe Tagungsband des 3. ENERGY FORUM zur Solararchitektur, Brixen, 09.-10.12.2008, ISBN 978-3-9812053-1-2).
10Quelle: Sarah Endres, EuPD Research, Präsentation der Studie „The Italian Photovoltaic Market 2008 – Overcoming Obstacles” auf der Baumesse SAIE Energia in Bologna, 17.10.2008; zitiert in “Il Sole 24 Ore”, 22.11.2008)