EUROSOLAR-Präsident Hermann Scheer warnt vor übertriebenen Erwartungen an Wüstenstrom-Projekt

„Auch wenn das 400-Milliarden Projekt deutscher Konzerne für Solarstromerzeugung aus Nordafrika – das so genannte DESERTEC-Konzept – allenthalben (von der Bundesregierung bis zu Greenpeace) begrüßt wird, rate ich von voreiligen übertriebenen Erwartungen an dieses Projekt und diesbezügliche Subventionsentscheidungen ab. Unterschätzt werden dabei die voraussichtlichen tatsächlichen Kosten dieses Projektes ebenso wie die Zeiträume zu dessen Realisierung“, […]

„Auch wenn das 400-Milliarden Projekt deutscher Konzerne für Solarstromerzeugung aus Nordafrika – das so genannte DESERTEC-Konzept – allenthalben (von der Bundesregierung bis zu Greenpeace) begrüßt wird, rate ich von voreiligen übertriebenen Erwartungen an dieses Projekt und diesbezügliche Subventionsentscheidungen ab. Unterschätzt werden dabei die voraussichtlichen tatsächlichen Kosten dieses Projektes ebenso wie die Zeiträume zu dessen Realisierung“, so Scheer. Ein zentraler Einwand sei, dass der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland noch bevor dieses Milliardenprojekt zum Tragen gebracht werden könne, zu niedrigeren Kosten und Preisen möglich sein werde als der Solarstromimport aus Nordafrika. In weniger als drei Jahren werde die Solarstromerzeugung in Deutschland die so genannte Netzparität erreicht haben – also Kosten, die dem gegenwärtigen Strompreis entsprechen.

„Fata Morgana“ oder „Subventionsruine“
„Bei Windkraft haben wir im Verhältnis zu den Erzeugungskosten aus neuen fossilen Kraftwerken bereits jetzt eine ungefähre Kostengleichheit in der Stromerzeugung erreicht. Mit den neuen Stromspeichertechniken, die für die Informationstechnologie und für die Elektroantriebe entwickelt und produziert werden, wird sich das Speicherproblem von Solar- und Windstrom effizient und kostengünstig von selbst klären. Mit anderen Worten: Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Solarstrom aus Nordafrika zu den von DESERTEC versprochenen Preisen geliefert werden kann (also frühestens 2020), wird die Solar- und Windstromerzeugung hierzulande deutlich preisgünstiger sein“, betont Scheer. „Außerdem muss stark bezweifelt werden, dass die von DESERTEC angegebenen Investitionskosten und Zeiträume tatsächlich eingelöst werden können. Die Kostenfaktoren unter den Randbedingungen von Wüstenkraftwerken (u. a. Schutz der Solarspiegel vor Sandstürmen und Sandwehen) werden grob unterschätzt, ebenso wie die Kosten und die Umsetzungsschwierigkeiten des Baus von mehreren Übertragungsnetzen durch mehrere Länder“, warnt Scheer. Das DESERTEC-Projekt könne zu einer großen „Subventionsruine“ werden und sich als „Fata Morgana“ erweisen – es sei denn, es werde dazu benutzt, den dynamischen Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande willkürlich zu stoppen, so Scheer.

Potenziallüge wird widerlegt
Es gebe nur einen einzigen Grund für dieses Projekt, so Scheer. Und zwar, wenn das Potenzial erneuerbarer Energien hierzulande nicht ausreichen würde. „Mit diesem Argument werden auch die Laufzeitverlängerung der Atomenergie und neue Kohle-Großkraftwerke empfohlen. Doch diese Argumentation ist eine Potenziallüge, die gerade heute auf der Kasseler Konferenz „100%-Erneuerbare-Energie-Regionen“ überzeugend widerlegt wird. Dort haben bereits 99 deutsche Kommunen und Landkreise ihre konkreten Konzepte vorgestellt, wie sie innerhalb von 20 Jahren zu einer Vollversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien kommen können.

Nicht die Struktur atomarer und fossiler Großkraftwerke kopieren
„Die DESERTEC-Befürworter übersehen, dass die Investitionsdynamik für erneuerbare Energien gerade darin liegt, dass es bei dezentraler Anwendung viele Millionen Investoren und nicht nur wenige Stromkonzerne gibt. Übersehen wird auch, dass mit der Dezentralisierung der Stromerzeugung überall regionale Wertschöpfung stattfindet statt nur in der Hand weniger Stromkonzerne, die unbedingt ihr Anbietermonopol erhalten wollen. Solarstromerzeugung in Nordafrika ist eine wichtige Option – und zwar für die nordafrikanischen Länder selbst. Aber auch für diese ist die verbrauchsnahe Erzeugung – also die dezentrale – das sehr viel naheliegendere und schneller realisierbare. Wer etwas von Solarenergie versteht, der weiß, dass es massive – und nicht zuletzt wirtschaftliche – Gründe gibt, nicht die Struktur von atomaren und fossilen Großkraftwerken zu kopieren. Diese Struktur war und ist das größte Hindernis gegenüber der Einführung erneuerbarer Energien. Es ist merkwürdig, dass selbst Greenpeace das noch nicht verstanden hat“, stellt Scheer fest.

18.06.2009 | Quelle: EUROSOLAR e.V. | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen