Solar-Architektur: Photovoltaik-Impulse von der Raumfahrt bis zur Masdar-City

Die Weltraumforschung war Impulsgeber für die Entwicklung leistungsfähiger Photovoltaik. Und auch heute noch kann die terrestrische Architektur sich das ein oder andere bei der Weltraumarchitektur abschauen, berichtet der Münchner Künstler und Autor Prof. Jürgen Claus in der Zeitschrift SONNE WIND & WÄRME (13/2009). Claus beschreibt darin den „solaren Korridor“ vom Weltall auf die Erde. Bereits […]

Die Weltraumforschung war Impulsgeber für die Entwicklung leistungsfähiger Photovoltaik. Und auch heute noch kann die terrestrische Architektur sich das ein oder andere bei der Weltraumarchitektur abschauen, berichtet der Münchner Künstler und Autor Prof. Jürgen Claus in der Zeitschrift SONNE WIND & WÄRME (13/2009). Claus beschreibt darin den „solaren Korridor“ vom Weltall auf die Erde.
Bereits der Raumfahrtpionier Hermann Oberth hatte klare Vorstellungen: Die Weltraumstation wird, so schrieb er 1954, von verschiedenen Raumschiffen aus gebaut. Um elektrischen Strom zu haben, bringen Astronauten einen Hohlspiegel als Teil einer Sonnenkraftanlage mit. Oberth (1884-1989), Visionär und Pragmatiker, war aber bereits 1926 weiter gegangen. Sein damals veröffentlichter und exakt berechneter Weltraumspiegel war gedacht als Portal für die irdische Energiegewinnung. Eine Fläche von 12.500 m² sollte das Sonnenlicht auf die Erde reflektieren.

Solare Kraftwerke im Orbit oder auf allen Dächern?
Heute schätzt die Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA), dass sie bis 2030 solare Kraftwerke im Orbit stationieren wird, die 1 GW Solarenergie über Laser oder Mikrowellen zur Erde senden sollen. Nicht jedem gefällt diese Idee. Doch am JAXA-Forschungszentrum arbeiten bereits 180 Wissenschaftler daran. Man will unter anderem ein neuartiges Material finden, dass Sonnenlicht effizient in Laserlicht wandelt. Die Herausforderungen, auch aufgrund der Größe des Solarprojektes, sind immens – und das ist es, was solche Innovationen anfeuert. Von Beginn an waren Weltraumforschung und Solarenergie verbunden wie siamesische Zwillinge. Der Weltraum-Ingenieur Hans Ziegler (1911-1999) plädierte 1954 für eine terrestrische Lösung: „Die Belegung aller Dächer der Städte und Gemeinden würde ausreichen, um den gesamten Bedarf an elektrischer Energie für das Land zu decken.

Weltraumstationen als Mikromodelle einer energetisch hochleistungsfähigen Architektur
50 Jahre später mag man ihm Recht geben, betont Prof. Jürgen Claus Allerdings gehe es nicht allein darum, einen Modul-Transfer auf Dächer vorzunehmen. Er bezieht sich dabei auf den Münchener Architekten Thomas Herzog, der die „Charta für Solararchitektur“ herausgebracht hat: Bauten seien „thermodynamische Gesamtsysteme“. Es gehe um ein neuartiges, grundsätzliches Durchdenken der Energiekonzepte im Bau. Und das laufe nicht ohne strukturelle, ästhetische und technische Forschung und Innovation ab. Hier kommt wieder das Potenzial der Weltraumstationen und solar betriebenen Satelliten ins Spiel: Sie sind Mikromodelle einer energetisch hochleistungsfähigen Architektur und stellen zugleich ein Experimentierlabor neuartiger Zellen- und Modultechniken dar.

Photovoltaik-Forschungsstation am Kleinen Matterhorn
So spricht man nicht ohne Grund von „Weltraum-Architektur“. Eine Keimzelle dazu hat sich um den britischen Architekten Richard Horden gebildet, der, wenn er nicht in seinem Londoner Büro war, an der TU München unterrichtet hat. Gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Technik + Architektur Luzern entwarfen seine Studenten ein Modell für eine temporäre, energieautarke Forschungsstation für das Kleine Matterhorn (rund 4.000 m ü.NN). Bei möglichen Windgeschwindigkeiten von 280 km/h lässt sich hier von einem senkrecht am Fels angebrachten „statischen Flugkörper“ aus Aluminium und kohlefaserverstärktem Kunststoff sprechen.
Das „peak_lab“ ist gänzlich mit aufgedampften Photovoltaik-Zellen versehen, die das im Innern vierstöckige Gebäude versorgen. Jürgen Claus berichtet von weiteren gebauten oder projektierten Solararchitekturen, die einen innovativen Maßstab setzen.

Solarer Hochhausbau
Vom Dach ihres Büros in Brooklyn, das sie im Jahr 2000 nach 15 Jahren Manhattan bezogen hatten, können die Architekten Gregory Kiss und Colin Cathcart einen 264 m hohen Wolkenkratzer sehen, das Condé Nast Gebäude nahe am Times Square. Für das Condé Nast haben Kiss und Cathcart sieben Stockwerke mit PV-Dünnschichtmodulen realisiert. Damit wurde mitten im modernen Babylon ein Zeichen gesetzt. Ein Denk-Zeichen, zunächst im Labor, ist der Turm 2020, der neue ökologische, urbanistische und energetische Standards setzen soll. Um alle ökologischen Parameter des Hochhausbaus zeitgemäß zu interpretieren, erhielt das Architekturbüro Kiss + Cathcart vom amerikanischen National Building Museum den Auftrag, ein solches Gebäude zu entwerfen. Sonne und Wind sollen 100 % des Energiebedarfes decken. Architekt Kiss ist mit einer simplen Dachaufstellung der Solarmodule nicht zufrieden: „Ästhetik ist untrennbar von der Funktion. Wir müssen die Solartechnologie als strukturelles Element benutzen. Sie muss Teil einer allgemeinen Design-Sprache werden“.

Urbanisierung mit hoher Energieeffizienz und erneuerbaren Energien
Im Moment werden die Weichen für eine Neuausrichtung von Stadtplanung beziehungsweise Urbanisierung in Richtung hoher Energieeffizienz und entschlossenem Einsatz erneuerbarer Energien gestellt, die positiv und hoffnungsvoll stimmen, fasst Prof. Claus zusammen. „Das ist auch dringend erforderlich, angesichts der Zahl von 180.000 Menschen, die weltweit täglich in die Städte ziehen“.
Im Emirat Abu Dhabi ist mit der auf 22 Milliarden US-Dollar geschätzten Masdar-City eine weitergehend CO2-neutrale
Stadt geplant, die 50.000 Einwohner mit erneuerbaren Energien versorgen soll. Für die gebäudeintegrierte Solarenergie stehen ab 2010 Dünnschicht-Fabrikationsanlagen in Ichtershausen bei Erfurt und in Taweelah, Abu Dhabi, zur Verfügung. So könnte also die Luxusversion einer künftigen Stadt nach dem „One-Planet-Prinzip“ entstehen, das den Bewohnern Ressourcen, Energien und Fläche nach einem „Weltschlüssel“ gewährt. Der prognostizierten Entstehung von 23 Riesen-Megalopolen mit jeweils über 10 Millionen Einwohnern in den nächsten sechs Jahren ist allein damit allerdings nicht zu begegnen, fast Prof. Jürgen Claus zusammen.
Weitere Informationen:
Abu Dhabi: http://www.masdar.ae
Architekturbüro Kiss + Cathcart: http://www.kisscathcart.com
Architekturbüro Richard Horden: http://www.hcla.co.uk
Jürgen Claus: http://www.juergenclaus.de
peak_lab, Richard Horden: http://www.light.ar.tum.de

27.09.2009 | Quelle: Jürgen Claus; SONNE WIND & WÄRME | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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