Sonnennutzung als Pflicht für Häuslebauer

Bebauungspläne können in begrenztem Umfang als Instrument dienen für die Förderung einer örtlichen Energieversorgung, die ausschließlich auf erneuerbare Energien gründet1 Immer mehr Städte und Gemeinden verfolgen das Ziel, die örtliche Energieversorgung auf heimische erneuerbare Energien umzustellen. Dabei geht es ihnen neben Klimaschutz um die nachhaltige Sicherung des Wohlstands ihrer Einwohner. Um diese Aufgabe der Daseinsvorsorge […]

Bebauungspläne können in begrenztem Umfang als Instrument dienen für die Förderung einer örtlichen Energieversorgung, die ausschließlich auf erneuerbare Energien gründet1

Immer mehr Städte und Gemeinden verfolgen das Ziel, die örtliche Energieversorgung auf heimische erneuerbare Energien umzustellen. Dabei geht es ihnen neben Klimaschutz um die nachhaltige Sicherung des Wohlstands ihrer Einwohner. Um diese Aufgabe der Daseinsvorsorge zu erfüllen, werden vielerorts die Fähigkeiten von Stadt- und Gemeindewerken mobilisiert. Welchen Beitrag können und dürfen Bebauungspläne leisten? Vor Jahren galten energieautonome Siedlungen noch als utopisch. Heute sind die nötigen Technologien ausgereift und wirtschaftlich preiswürdig. Nordrhein-Westfalen hat mit dem Programm "100 Solarsiedlungen“ " früh den Praxistest gewagt und sammelt dabei wertvolle Erfahrungen. Grundvoraussetzung für energieautonome Siedlungen sind planerische Konzepte, die einen möglichst geringen Energiebedarf hervorrufen. 2 Im Solar-Report beantwortet der Rechtsanwalt Fabio Longo die Frage, welche baurechtlichen Möglichkeiten es gibt, den reduzierten Energiebedarf durch erneuerbare Energien – insbesondere Solarenergie – zu decken. Der Solarserver dankt der Zeitschrift STÄDTE- UND GEMEINDERAT für das Recht zur Veröffentlichung im Internet.

Kommunale Solarsatzungen enthalten Gebotsnormen über den Einsatz der Solarenergie in Gebäuden und eröffnen im Idealfall Spielräume für rationelle Energieversorgungskonzepte von Gebäuden und Ortsteilen. Dieser Begriff wird auch auf Bebauungspläne angewendet, weil diese nach § 10 Abs.1 Baugesetzbuch (BauGB) als Satzung beschlossen werden. Erstmalig in Europa hat die Stadt Barcelona eine Solarsatzung eingeführt (Ordenanza Solar 2000). Parallel dazu ist in der hessischen Stadt Vellmar ein vergleichbares Vertragsmodell auf den Weg gebracht worden (Städtebaulicher Vertrag für klima- und umweltschonendes Bauen 2001).3 In Hamburg sind Installationspflichten aufgrund von Solarverordnungen nach dem dortigen Klimaschutzgesetz in Bebauungsplänen enthalten (neue Hafen-City 2004)4. Die erste kommunale Solarsatzung für ein gesamtes Stadtgebiet hat in Deutschland die Stadt Marburg für Neubauten und Gebäudebestand als örtliche Bauvorschrift beschlossen.5 In den vergangenen Jahren haben Bundes- und Landesgesetzgeber das Modell der Solarsatzung in Teilen übernommen. Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg ein Landesgesetz erlassen, das Installationspflichten auch für den Gebäudebestand vorsieht (EWärmeG – 2008). Im Bund ist ein solches Gesetz ausschließlich für Neubauten in Kraft getreten (EEWärmeG – 2009). Der Spielraum für Solarfestsetzungen in Bebauungsplänen ist aber auch im Neubaubereich erhalten geblieben, da der Bundesgesetzgeber die entsprechende Befugnisnorm beibehalten hat. Aus dem Festsetzungskatalog des § 9 Abs.1 BauGB kommt die Nr.23 Buchst.b) für Solarfestsetzungen im Bebauungsplan in Betracht. Jede Festsetzung in Bebauungsplänen muss zunächst „aus städtebaulichen Gründen“ erfolgen. Darüber hinaus m üssen die Voraussetzungen der Nr. 23 Buchst.b) vorliegen.Nach einer verbreiteten Herangehensweise wird vorausgesetzt, dass erneuerbare Energien ausschließlich dem Gemeinwohlbelang des globalen Klimaschutzes dienen würden (vgl.§ 1 Abs.5 S.2, Abs.6 Nr.7 Buchst. a) BauGB). Daher wird häufig zwingend für erforderlich gehalten, dass der globale Klimaschutz ein städtebaulicher Grund sein muss.6 Dies ist eine verkürzte Sichtweise. Denn mit dem Einsatz erneuerbarer Energien zum Aufbau einer neuen örtlichen Energieversorgung werden neben dem Klimaschutz wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen verfolgt:
• Nachhaltige Sicherung der Energieversorgung durch die Ersetzung endlicher durch unerschöpfliche erneuerbare Energieträger

• langfristige Bezahlbarkeit der Energieversorgung in Gebäuden durch Stabilität der Energiepreise, weil Investitionskosten in Solaranlagen kalkulierbar sind und die solare Strahlungsenergie im Gegensatz zu Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran kostenlos ist

• Aufbau lokaler Wertschöpfung durch die Ersetzung von Importenergieträgern durch heimische erneuerbare Energien

• Schaffung neuer Beschäftigung im Zuge des Aufbaus heimischer Energieproduktion im Handwerk und in der mittelständischen Industrie

• Ermöglichung wirtschaftlicher Teilhabe durch die breite Eigentümerstreuung der neuen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien

• Lokale Bindung des Kapitals durch verstärkte Investition in dezentrale Anlagen und gleichzeitig Rückführung der Ausgaben für fossile Importenergieträger. Diese Zielsetzungen müssen die Städte und Gemeinden in ihrer Bauleitplanung auf einen gesetzlichen städtebaulichen Grund zurückführen (§ 1 Abs. 5 und 6 BauGB), wobei hier insbesondere die Belange der Wirtschaft betrachtet werden sollen (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB). Diese ermöglichen es den Gemeinden, Zielsetzungen der Steigerung der lokalen Wertschöpfung und der örtlichen Daseinsvorsorge zu verfolgen.Bild: Mit einem neuen Programm „Solare Stadt“ könnten vermehrt auch ältere Gebäude energetisch optimiert werden.
So gehören die Belange der „Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur…“ (Buchst. a) ebenso zum kommunalen Aufgabenspektrum wie die „Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen“ (Buchst.c) und die „Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser“ (Buchst. e). Diese Belange sind nicht nur für die Ausweisung von Standorten zur wirtschaftlichen Betätigung – etwa Gewerbebetriebe – von Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf gebäudebezogene Festsetzungen innerhalb eines Plangebiets, mit denen bestimmte wirtschaftliche Ziele erreicht werden sollen. Zusätzlich kann die Gemeinde eine Solarfestsetzung auf den städtebaulichen Belang der „Nutzung erneuerbarer Energien“ stützen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. f) BauGB). Es kommt daher nicht allein darauf an, ob der globale Klimaschutz ein eigenständiger städtebaulicher Grund ist. Die hier vorgenommene integrierte Sichtweise sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Belange ist wegen der Gewährleistung einer „nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung“ als Oberziel der Bauleitplanung nicht nur gerechtfertigt, sondern auch geboten. Denn das Leitbild der Bauleitplanung besteht darin, die „sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang“ zu bringen (§ 1 Abs. 5 S. 1 BauGB). Energieautonome Siedlungen, die durch heimische erneuerbare Energien versorgt werden, entsprechen diesem Leitbild. Solarfestsetzungen in Bebauungsplänen können sich daher auf städtebauliche Gründe stützen.

FESTSETZUNG EINER SOLARPFLICHT

Neben der allgemeinen städtebaulichen Rechtfertigung muss die Befugnisnorm des § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. b) BauGB den Erlass einer Festsetzung für den verbindlichen Einsatz der Solarenergie erlauben. Nach dieser können im Bebauungsplan festgesetzt werden: „Gebiete, in denen…bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien wie insbesondere Solarenergie getroffen werden müssen“. Da keine Rechtsprechung zur Reichweite dieser Befugnisnorm vorliegt und ihre Auslegung in der juristischen Literatur umstritten ist,7 bewegen sich Vorreiter-Kommunen nicht in einem gerichtsfesten Rahmen. Solche Städte und Gemeinden sind deshalb gut beraten, neben der bestimmten Formulierung der Solarfestsetzungen auch eine rechtliche Begründung vorzulegen, um das nötige Abwägungsmaterial ermitteln zu können und es richtig zu bewerten. Folgende Inhalte können von Vorreiter-Kommunen für eine neue örtliche Energieversorgung im Bebauungsplan festgesetzt werden (umstritten): • Alle Vorkehrungen baulicher Art, welche die Errichtung oder Anbringung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien entweder direkt vorsehen oder deren Nutzung vorbereiten, erleichtern, begünstigen oder begleiten. 8
• Im Hinblick auf Solarenergie sind Installationspflichten von Solarwärme- und Solarstromanlagen möglich (verbindliche aktive Solarenergienutzung)

• Zudem sind spezielle bauliche Vorkehrungen für die Nutzung passiver Solarenergie zu Heizungszwecken möglich, beispielsweise Vorgaben für den Bau von Wintergärten.

• Wegen der Begrenzung auf bauliche Maßnahmen „bei der Errichtung von Gebäuden“ sind Installationspflichten nur bei Neubauten zulässig. Hierunter können auch wesentliche Umbauten gefasst werden, wenn ganze Gebäudeteile neu errichtet werden – etwa die vollständige Sanierung des Daches

• Bei Bebauungsplänen für Neubaugebiete ist darauf zu achten, dass keine widersprüchlichen Regelungen zum Erneuerbare- Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) des Bundes enthalten sind und die Förderbestimmungen des Marktanreizprogramms des Bundes (MAP) sowie des Erneuerbare- Energien-Gesetzes (EEG) optimal greifen können.Wegen der besonderen Bedeutung der energetischen Umgestaltung des Gebäudebestandes ist es an der Zeit, ein neues Programm „Solare Stadt“ in die Städtebauförderung des Bundes und in das besondere Städtebaurecht des BauGB einzuführen – beispielsweise als § 171 f BauGB „Solare Stadt“ verbunden mit § 164 a BauGB. Dabei kann an das bestehende Sanierungs- und Stadtumbaurecht angeknüpft werden, das sich schon heute für einige energetische Maßnahmen eignet. Hauptzweck der „Solaren Stadt“ sollte es sein, Stadtteile mit einem besonders hohen Energiebedarf im Gebäudebestand energetisch zu sanieren und zu optimieren. Zum Leitbild sollte das Energie-Gewinn-Haus werden, das mindestens so viel Energie selbsterzeugt, wie es verbraucht. Die Solarenergie ist dabei die wichtigste Energiequelle, weil sie unmittelbar am Gebäude aufgefangen und darin genutzt werden kann. Die besonderen Städtebauförderungsmittel des Bundes sollten nicht dazu eingesetzt werden, Solaranlagen extra zu fördern. Dies geschieht hinreichend durch EEG und MAP. Sie sollten darauf gerichtet werden, die Solarenergie in das bestehende Energiesystem des Gebäudes oder des Stadtteils zu integrieren, Zielkonflikte zu lösen – etwa zwischen Denkmalschutz und Solarenergie – sowie Beteiligungsprozesse mit Eigentümern und Bewohnern zu fördern, zum Beispiel durch einen Masterplan Energie.Der Autor: Fabio Longo ist Rechtsanwalt in der Wirtschafts- und Kommunalkanzlei KKP – Kleymann, Karpenstein & Partner in Wetzlar. Kontakt: f.longo@kleymann.com
Die Erstveröffentlichung des Beitrags ist erschienen in STÄDTE- UND GEMEINDERAT (5/2009). THEMA Energieversorgung. Städte- und Gemeindebund NRW.
1Der Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrags auf der IfR-Fachtagung „Rekommunalisierung der Energieversorgung – Erneuerbare Energien und Planungsrecht“ am 25. Februar 2009 im Landtag NRW (Düsseldorf).
2 Praxisorientiert: Denny/Spangenberger, Planung einer Solarsiedlung, Bundesbaublatt (BBB) Heft 5/2001, S. 20 ff.
3Zum hier nicht näher behandelten Instrument des städtebaulichen Vertrags siehe Krautzberger,DVBl. 2008, S. 737 ff.; Klinski/Longo, ZNER 2007, S. 41 (44 f.).
4 Zum Ganzen näher Longo/Rogall, Baupflichten für Solaranlagen, Deutsche Bauzeitschrift (DBZ) Heft 2/2004, S. 78 f.
Befugnisnorm für die Marburger Solarsatzung ist § 81 Abs. 2 Hessische Bauordnung. Das Regierungspräsidium Gießen hat diesen Satzungsbeschluss kommunalaufsichtlich beanstandet, wogegen die Stadt Marburg vor dem Verwaltungsgericht Gießen klagt. Im juristischen Schrifttum liegen mehrere Stellungnahmen vor, die eine Solarsatzung nach dem Marburger Modell für zulässig erachten: Böhm, in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2009, im Erscheinen; Klinski/ Longo, ZNER 2007, S. 41 (46 f.); Ekardt/Schmitz/Schmidtke, ZNER 2008, S. 334 (340 f.); Zeiss/Longo, UPR 1998, S. 217 (218 ff.); andere Auffassung: Pollmann/Reimer/Walter, LKRZ 2008, S. 251 (252 ff.).
6Auf der Seite der Befürworter des globalen Klimaschutzes als städtebaulichen Grund siehe nur Koch, Die Verwaltung 37 (2004), S. 537 (541 ff.); auf der Seite der Gegner siehe nur Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß (Hg.), BauGB, § 9 Rn. 65, 70.
7Siehe dazu: Schmidt, NVwZ 2006, S. 1354 (1359 f.); Klinski/Longo, ZNER 2007, S. 41 (43 f.); Ekardt/Schmitz/Schmidtke, ZNER 2008, S. 334 (336 ff.) alle mit weiteren Nachweisen.
8 Hierunter fallen nicht die südorientierte Ausrichtung der Gebäudehauptfassade (Rechtsgrundlage: § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) und die geeignete Neigung der Dachflächen (Rechtsgrundlage: Baugestaltungsrecht der Länder).

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