Die Kosten politischer Risiken

Bei der Gestaltung einer für Investoren attraktiven Photovoltaik-Förderpolitik müssen politische Risiken durch eine höhere Einspeisevergütung kompensiert werden. Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die am Institut für Ökonomie und Ökologie (IWÖ) der Universität in St.Gallen (Schweiz) von Sonja Lüthi und Prof. Rolf Wüstenhagen durchgeführt wurde. Die Analyse verdeutlicht, dass ein langwieriger und komplizierter administrativer […]

Bei der Gestaltung einer für Investoren attraktiven Photovoltaik-Förderpolitik müssen politische Risiken durch eine höhere Einspeisevergütung kompensiert werden. Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die am Institut für Ökonomie und Ökologie (IWÖ) der Universität in St.Gallen (Schweiz) von Sonja Lüthi und Prof. Rolf Wüstenhagen durchgeführt wurde. Die Analyse verdeutlicht, dass ein langwieriger und komplizierter administrativer Prozess, zu einem geringeren Grad aber auch politische Risiken im Zusammenhang mit einer Begrenzung (Deckelung) der Solarstrom-Einspeisevergütung oder viele unerwartete, negative Änderungen der Förderpolitik, Kosten mit sich bringen, die durch eine höhere Einspeisevergütung ausgeglichen werden müssen, um sicherzustellen, dass Investitionen weiterhin attraktiv bleiben. Der Solarserver veröffentlicht als Solar-Report im September 2009 eine Kurzfassung der Studie mit exemplarischen Untersuchungen der Photovoltaik-Märkte in Spanien und Griechenland, die wertvolle Informationen zur Diskussion über Einspeisetarife und politische Rahmenbedingungen liefern.Die Erreichung der energiepolitischen Ziele und somit der Übergang zu einem nachhaltigen Energiesystem auf der Basis erneuerbarer Energien hängt stark davon ab, ob die politischen Förderinstrumente das Verhalten der Investoren wirksam beeinflussen können. Die IWÖ-Studie ist einer der ersten empirischen Beiträge, die den Einfluss der Förderpolitik auf das Investorenverhalten analysieren. In der Untersuchung wurde eine „adaptive Conjoint Analyse“ angewendet, ein in der Marktforschung weit verbreitetes und ausgereiftes Verfahren, mit welchem die Bedeutung verschiedener Politikfaktoren und die Kosten politischer Risiken ermittelt werden können. Zudem wurden spezifische Szenarien entwickelt, die den Politikgestaltern die Schätzung von Kosten und Nutzen einer Risikoverringerung erlauben.

Förderpolitik für Solarstrom auf dem Weg zur Wirtschaftlichkeit

In vielen Ländern steht der Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung und somit auch der Ausbau der erneuerbaren Energien ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Ein großes Potenzial wird der Photovoltaik (PV) eingeräumt, doch momentan ist der Beitrag des Solarstroms zur gesamten Energieproduktion noch zu vernachlässigen. Die Hindernisse einer breiten Nutzung der PV sind vielfältig, jedoch größtenteils im Zusammenhang mit den aktuell noch hohen Kosten zu sehen. Die PV-Technologie ist immer noch in der Entwicklungsphase und auch der Übergang von einer zentralen zu einer dezentralen Energieversorgung bringt Kosten mit sich. Weiter führen die Subventionen konventioneller, nicht erneuerbarer Energiequellen sowie die fehlende Bewertung der externen Kosten fossiler Energieträger (z.B. Klimaschäden) zu Kostennachteilen für die Photovoltaik. Zudem unterscheidet sich das PV-Investitionsprofil von jenem der konkurrierenden Technologien: Für PV-Anlagen sind höhere Investitionskosten anzusetzen, jedoch niedrigere Betriebskosten und kein Brennstoffkostenrisiko. Weitere Hindernisse zur Verbreitung der Solarenergie bestehen im Zusammenhang mit Pfadabhängigkeiten (z.B. Marktbeherrschung durch große Energiekonzerne) und kognitive Faktoren (z.B. Bewertungsmethoden, die Großkraftwerke bevorzugen).Aufgrund dieser Hindernisse ist der PV-Markt noch nicht selbst tragend, sondern abhängig von politischen Förderanreizen. Diese sind notwendig, damit die Netzparität erreicht werden kann und der Markt sich selbst trägt. Gegenwärtig arbeiten zahlreiche Länder mit Fördermechanismen wie der Einspeisevergütung oder mit Steueranreizen. Garantierte Einspeisetarife sind das in Europa am weitesten verbreitete Förderinstrument und gelten als europäisches Erfolgsmodell. Jedoch ist dieses Förderinstrument nicht überall gleich erfolgreich: Zwar wurden Länder wie Deutschland dank der Einspeisevergütung zu Vorreitern in der Solarbranche, in anderen Ländern hingegen hat die Einspeisevergütung kaum zu einem Anstieg der installierten PV Kapazität geführt. Letzteres trifft z.B. auf Griechenland zu – und dies sogar trotz höherer Vergütung und stärkerer Sonneneinstrahlung. Aus welchem Grund führt eine ähnliche Einspeisevergütung in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Ergebnissen (in Bezug auf die installierte PV Kapazität)? In der lebhaften Diskussion über eine wirksame und effiziente Förderpolitik wird betont, dass neben der Höhe der Vergütung (Renditeseite) auch die Risikoseite beachtet werden muss. Politische Risiken sind somit von Bedeutung: Doch welche Risikofaktoren sind relevant und welchen sollte der Gesetzgeber folglich eine höhere Bedeutung zuordnen?In Italien werden Solarstromanlagen im Rahmen der Tarifregelung "Conto Energía" gefördert. Das Photovoltaik-Kraftwerk "Solevivo" mit einer Leistung von einem Megawatt (MW) befindet sich in Acquaviva Delle Fonti (Bari) in der Region Puglia.
Motiviert durch diese Ausgangslage wurde in der Untersuchung am IWÖ die Frage der Politikwirksamkeit aus der Sicht der Projektentwickler analysiert. Die Studie hatte zum Ziel, die bei der Standortwahl eines PV-Projektes relevantesten politischen Faktoren zu identifizieren und die Akzeptanzbereitschaft der Projektentwickler gegenüber bestimmter politischen Risiken zu berechnen.Risikominimierung ist neben einer angemessenen Solarstrom-Vergütung für die Gestaltung einer wirksamen Photovoltaik-Förderpolitik essentiell, so die Haupterkenntnis der Studie. Die Conjoint-Analyse zeigt, dass die Attribute "Dauer des administrative Prozesses" und "Höhe der Einspeisevergütung" den Investoren bei der Standortwahl am wichtigsten sind. Weiter kann den jeweiligen politischen Risiken ein "Preisschild" angehängt werden. Auf Resultaten der Untersuchung beruhende Simulationen und Akzeptanzbereitschaftsberechnungen zeigen, dass die Einspeisevergütung bei einer Verkürzung des administrativen Prozesses um 6 Monate 4 Cent pro Kilowattstunde niedriger sein kann, ohne einen Attraktivitätsverlust für Investoren mit sich zu bringen. Eine niedrigere Einspeisevergütung bei gleich bleibender Attraktivität für die Investoren ist auch durch die Aufhebung der Deckelung möglich: Die Entfernung eines Deckels, der voraussichtlich in einem Jahr erreicht werden wird, erlaubt eine etwa 11 ct/kWh tiefere Einspeisevergütung. Wird eine Deckelung aufgehoben, die in vier Jahren erreicht werden wird, ist eine um 5 ct/kWh niedrigere Solarstrom-Vergütung ohne negativen Einfluss auf die Investitionsbereitschaft möglich.
Das dritte in der Studie analysierte Risiko ist politische Instabilität. Im Vergleich zu einer signifikant negativen und unerwarteten Änderung der Förderpolitik in den letzten 5 Jahren waren die Umfrageteilnehmer bereit, bei stabilen Förderbedingungen eine um 4 ct/kWh geringere Einspeisevergütung zu akzeptieren. Diese Berechnungen bestätigen frühere Studien, welche die größere Bedeutung politischer Risiken gegenüber wirtschaftlichen Hindernissen aufzeigen.

Welche Politikattribute sind für PV Projektentwickler wirklich wichtig?

Die Analyse der relativen Bedeutung der Attribute (vgl. Fig. 1) zeigt, dass die Dauer des Verwaltungsprozesses mit 26 % von größter Bedeutung ist. Dieser umfasst die Zeit, die erforderlich ist, um alle Bewilligungen, Umweltprüfungen und den Netzanschluss zu erhalten. Fast ebenso wichtig ist die Höhe der Einspeisevergütung (24 %). Die Deckelung der Förderung und die Stabilität der Förderpolitik sind mit 18 % bzw. 19 % von mittlerer Bedeutung. Von geringster Bedeutung (14 %) ist die Dauer der Einspeisevergütung. Demgemäß sind PV-Projektentwickler besonders achtsam hinsichtlich der Dauer des administrativen Prozesses, gefolgt von anderen politischen Risiken (politische Veränderungen, Förderobergrenzen). Die Dauer der Förderung ist von verhältnismäßig geringerer Bedeutung. Dies belegt, dass effizientere administrative Prozesse eine niedrigere Einspeisevergütung ermöglichen, ohne dass damit die Attraktivität eines Photovoltaik-Marktes für die Projektentwickler abnimmt.Abb.2 zeigt, dass den Projektentwicklern, um einen Attraktivitätsverlust zu vermeiden, für jede Verlängerung des administrativen Prozesses um ein halbes Jahr eine um etwa 4 ct/kWh höhere Vergütung bezahlt werden müsste.Die Conjoint Analyse umfasste drei Attributlevels bezüglich der Deckelung der Förderung: Kein Deckel, ein voraussichtlich in 4 Jahren erreichter Deckel ("lockerer Deckel") und ein voraussichtlich in einem Jahr erreichter Deckel ("enger Deckel"). Die Berechnungen zeigen, dass durch die Aufhebung des engen Deckels bei einer etwa 5 (11) ct/kWh geringeren Vergütung gleich viele Investitionen interessiert sind (Abb.3).Mit Blick auf die politische Stabilität schätzt die Studie, dass im Vergleich zu politisch stabilen Konditionen in Situationen mit geringem Risiko (eine bedeutende, negative, unerwartete Änderung der Förderpolitik in den letzten 5 Jahren) die Einspeisevergütung um 4 ct/kWh, bei großem Risiko hingegen (drei Änderungen in den letzten 5 Jahren) um 10 ct/kWh höher sein muss, um die Attraktivität aufrecht zu erhalten (Abb. 4).Eine Reihe von Simulationen wurde durchgeführt, um den möglichen Wandel der Förderpolitik hinsichtlich der Investoren zu bewerten und die Wahrscheinlichkeit für Investitionen in einem bestimmten Land zu ermitteln (z.B. ein Anstieg der Vergütung oder kürzere administrative Verfahren). Tabelle 1 zeigt dies am Beispiel von Spanien, Tabelle 2 am Beispiel Griechenlands. Die veränderten Attribute sind fett dargestellt. Eines der Risiken, das die Politik beeinflussen kann, ist die Dauer der administrativen Prozesse.
Das Szenarium A lässt erkennen, dass ein 6 bzw. 12 Monate kürzerer Verwaltungsprozess (7-12 bzw. 3-6 statt 13-18 Monate) die Investitionsbereitschaft auf einer Skala von 0 bis 100 deutlich erhöhen würde auf 66 bzw. 84, im Vergleich zu idealen Bedingungen (100).
Neben der Dauer des Verwaltungsverfahrens ist ein enger Deckel in Spanien entscheidend. Szenarium B zeigt, dass eine Lockerung des Deckels (innerhalb von 4 Jahren erreicht) oder seine Aufhebung geeignet ist, Investitionen auszulösen, deren Wahrscheinlichkeit auf der 100er-Skala auf 81 bzw. 95 steigt.
Schließlich wird in Szenarium C die Bedeutung einer kontinuierlichen Photovoltaik-Förderpolitik sichtbar: Werden die politischen Rahmenbedingungen innerhalb von 5 Jahren nicht geändert, steigt die Investitionsbereitschaft deutlich, von 39 auf 68 Punkte auf der Skala.
Neben der Risikoreduktion ist natürlich auch die Erhöhung der Einspeisevergütung eine Möglichkeit, die Investitionsbereitschaft zu erhöhen. Eine um 4 (9) ct/kWh höhere Einspeisevergütung erhöht die Investitionsbereitschaft auf 64 (86), und bringt somit einen ähnlichen Investitionsanreiz wie eine Verkürzung der administrativen Dauer um 6 (12) Monate.Ähnliche Simulationen wurden für Griechenland durchgeführt. 2007 war die Investitionsbereitschaft 85 von 100. Szenario A lässt erkennen, dass Investitionsattraktivität für Solarprojektentwickler durch eine Verkürzung der Dauer des administrativen Prozesses um 6 Monate auf 95 erhöht werden könnte. Andererseits würde die Einführung eines lockeren Deckels (Szenario B), welcher voraussichtlich innerhalb von 4 Jahren erreicht wird, einen bedeutenden Attraktivitätsverlust mit sich bringen (57). Im Falle eines engen Deckels, der innerhalb eines Jahres erreicht wird, würde kaum mehr eine Investitionsbereitschaft bestehen (18). 
Szenario C zeigt, dass die Bereitschaft für Investitionen in Griechenland sehr hoch wäre (95), wenn es in der Vergangenheit keine negativen Änderungen der PV Förderpolitik gegeben hätte. Wären es jedoch drei Änderungen gewesen, würde die Bereitschaft auf 46 sinken. 

In Szenario D wurde schließlich die Vergütungshöhe erhöht. Um eine Investitionsbereitschaft von 95 zu erreichen, müsste die Vergütung 50 ct/kWh betragen.Die englische Volltextfassung der Studie kann heruntergeladen werden unter http://www.solarserver.de/solarmagazin/download/full_paper_the -price-of-policy-risk.pdfIn einem ersten Schritt wurden qualitative Experteninterviews geführt, um einen Einblick in die Präferenzen der PV-Projektentwickler zu erhalten und somit die für die Standortentscheidungen am relevantesten Attribute zu identifizieren. In einem zweiten Schritt und basierend auf den Ergebnissen der Experteninterviews wurde eine adaptive Conjoint-Analyse durchgeführt, um die Wichtigkeit der verschiedenen Politikattribute zu quantifizieren. Dies erlaubte weiter die Berechnung der Bereitschaft der Projektenwickler, bestimmte politische Risiken zu akzeptieren.
Conjoint-Analysen sind in der Markforschung weit verbreitet und werden seit Kurzem auch vermehrt in der Ressourcen- und Umweltökonomie verwendet. Die Teilnehmer der Online-Umfrage waren Europäische PV-Projektentwickler, die in Projekten im Ausland investieren oder dies planen. Die Umfrage wurde Oktober/November 2008 durchgeführt. Die Projektentwickler wurden telefonisch, per E-Mail, auf einer Solarmesse, durch einen Artikel auf dem Portal www.solarserver.de sowie in einem Solarindustrie-Journal zur Umfrage eingeladen. 135 Teilnehmer loggten sich in die Umfrage ein, 63 Fragebogen konnten für die Auswertungen benutzt werden. Jeder Projektentwickler hatte 25 Wahlaufgaben (Abb. 5+6) zu beantworten, was in einem finalen Datensatz von 1.575 Wahlentscheidungen resultiert. Adaptive Conjoint Umfragen sind sehr zeiteffizient; die durchschnittliche Dauer betrug 20 Minuten.Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen ist Direktor des Instituts für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG) und Inhaber des "Good Energies"- Lehrstuhls für Management erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur (TU Berlin) habilitierte 2007 zum Thema "Venturing for Sustainable Energy". In den Jahren 2005 und 2008 war er als Gastprofessor an der University of British Columbia und der Copenhagen Business School tätig.Vor seiner akademischen Laufbahn war er in der Venture Capital-Branche tätig, und wirkte in dieser Zeit unter anderem an Investments in den amerikanischen Solarzellenhersteller Evergreen Solar und die schottische Wellenenergie-Firma Pelamis Wave Power Ltd. mit. Seit 2004 ist Rolf Wüstenhagen Mitglied der Eidgenössischen Energieforschungskommission (CORE), einer beratenden Kommission des Bundesrates. Er ist einer der Leitautoren des neuen Sonderberichts des Weltklimarates (IPCC) zur Rolle erneuerbarer Energien beim Klimaschutz.Sonja Lüthi ist seit 2007 Doktorandin und Forschungsmitarbeiterin am Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen. Sie studierte in Fribourg und Montreal Geografie mit den Nebenfächern Umweltwissenschaften, Wirtschaft, Geologie und Französisch und absolvierte die Ausbildung für das Höhere Lehramt. Parallel zu ihrem Studium sammelte sie praktische Erfahrungen einerseits bei der Agentur für erneuerbare Energien und Energieeffizienz (AEE), andererseits beim Unterrichten an Sekundar- und Kantonsschulen. Seit Juni 2007 arbeitet Sonja Lüthi als Assistentin und Doktorandin am Institut für Wirtschaft und Ökonomie (IWÖ) der HSG in St.Gallen.Seit Juni 2007 ist Sonja Lüthi im DISTRES-Projekt der EU involviert, in dem es um die Förderung von Solarenergie im Mittelraum geht. Von Jan. 2008 bis Juni 2009 war sie Projektleiterin des EU-Projektes BARENERGY, das die Hindernisse für ein nachhaltiges Energieverhalten von Haushalten untersucht. Seit Juni 2009 arbeitet sie im von der IEA beauftragten Forschungsprojekt: "The Price of Renewable Energy Policy Risk: An empirical analysis based on choice experiments with international wind and solar energy investors“, welches auf ein im Rahmen ihrer Dissertation durchgeführtes Projekte aufbaut. Von Juni 2009 bis Juni 2010 forscht sie an der UC Davis und UC Berkeley, wobei sie u. a. in die Erstellung einer "Roadmap for PV" für Kalifornien beteiligt ist.
Redaktion Solarserver: Rolf Hug

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