„Abwrackeffekt“ rollt auf Solar-Branche zu. Strategieberatung erwartet im ersten Halbjahr vorgezogene Käufe von Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 600 MW – und danach eine Flaute
Bis zur Jahresmitte könne sich die Solar-Branche die Hände reiben, so die globale Strategieberatung Simon-Kucher & Partners (Bonn) in einer Pressemitteilung. Die Nachfrage nach Solarstromanlagen werde in der ersten Jahreshälfte 45 Prozent höher ausfallen als erwartet. Von einem Volumen von zusätzlich rund 600 Megawatt (MW) im ersten Halbjahr 2010 sei die Rede, heißt es in der Pressemitteilung. Das entspreche einer Summe von bis zu 1,9 Milliarden Euro. Die Freude werde aber nicht lange währen, denn wie auch bei der Abwrackprämie zu beobachten war, laufe nach dem großen Ansturm dann erst einmal nichts.
„Viele Investoren werden versuchen, noch vor der Subventionskürzung im Juli ihre Anlage ans Netz zu bekommen. In der zweiten Jahreshälfte wird das Volumen deutlich einbrechen“, sagt Philip Grothe, Partner bei Simon-Kucher.
Subventionskürzung führt zu Hamsterkäufen
Die Einspeisevergütung für Solarstrom in Deutschland soll im Juli zusätzlich zu der festgelegten jährlichen Degression einmalig um 16 Prozent fallen. Begründung der Politik: Das Preisniveau für Solaranlagen sei im Laufe des letzten Jahres deutlich gesunken. Wirtschaftskrise, Überkapazitäten und Preiskriege seitens chinesischer Anbieter haben dazu geführt. Experten nähmen an, dass potenzielle Kunden versuchen werden, ihre Anlagen kurzfristig in Betrieb zu nehmen, heißt es in der Pressemitteilung. Wer beispielsweise im Herbst eine Anlage installieren wolle, werde versuchen, den Kauf vorzuziehen, da die Einspeisevergütungstarife 20 Jahre lang konstant gelten, abhängig vom Zeitpunkt der Fertigstellung der Anlage. „Dieser Vorzieheffekt könnte sich ähnlich wie bei der Abwrackprämie in der Automobilbranche vollziehen. Auch dort wurden Käufe vorgezogen: Volumen, das den Autobauern nun fehlt. In der Solarbranche wird es nicht anders sein“, ist sich Analysenleiter Alexander Thöle sicher.
Prognosemodell legt Volumen im ersten Halbjahr frei
Im Rahmen der Abwrackprämie waren laut Simon-Kucher etwa 25 Prozent des Volumens Vorziehkäufe. Bei der Abwrackprämie habe der Rabatt aber nur durchschnittlich 12 Prozent vom Neuwagenpreis im Jahr 2009 betragen. Die Solar-Förderung werde aber um 16 Prozent gekürzt. „Der Effekt wird also viel stärker sein“, erläutert Thöle. Bei Preisen für Solarstromanlagen zwischen 2.600 und 3.200 Euro pro Kilowatt Photovoltaik-Leistung generiere der Vorzieheffekt von Januar bis Juni ein Volumen zwischen 1,5 und 1,9 Milliarden Euro.
Psychologische Effekte pushen zusätzlich
Neben monetären Effekten hat die Kürzung der Solarsubventionen auch psychologische Effekte, weiß Grothe: „Bei der Abwrackprämie gab es Geld dazu, bei der Solarkürzung wird Geld weggenommen. Es ist verhaltenswissenschaftlich bewiesen, dass Verluste schwerer wiegen als Gewinne in gleicher Höhe.“ Also würden entsprechend viele handeln, solange die Kürzung noch nicht vollzogen ist.
Die Solarindustrie müsse sich darauf einstellen, dass den momentan vollen Auftragsbüchern und Lieferengpässen bald die Flaute folgen wird. Wer sich jetzt an die Goldgräberzeiten von 2007 und 2008 erinnert fühle, den werde die Realität bald auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Thöle resümiert: „Es ist für die Unternehmen der Branche weiterhin absolut notwendig, in Vertrieb und Marketing zu investieren, um sich einen vom Kunden wahrgenommenen Wettbewerbsvorteil in einem immer stärker umkämpften Markt zu erarbeiten“.
16.03.2010 | Quelle: Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH