Klaus Töpfer: Architekt der Energiewende von unten
von Fabio Longo
Was für eine Ehre: Persönlichkeiten aus allen Parteien wollen Klaus Töpfer für das höchste Amt, das die Bundesrepublik zu vergeben hat. Allen voran Hildegard Hamm-Brücher, die große alte Dame der deutschen Liberalen: Für sie wäre es ein "Traum", wenn die FDP Klaus Töpfer für das Amt des Bundespräsidenten vorschlagen würde, sagte sie in diesem Februar zu Sandra Maischberger in der ARD. Es spreche nichts gegen, dafür vieles für ihn, lobte die frühere FDP-Kandidatin für das Präsidentenamt den CDU-Politiker Töpfer. Zuletzt fand wohl Richard von Weizsäcker so viel Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg: eine wichtige Voraussetzung, um Bundespräsident aller in Deutschland lebenden Menschen werden zu können.Heute ist Klaus Töpfer der höchste Repräsentant für den globalen Umwelt- und Klimaschutz . Als Exekutiv-Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) hat er die weltweite Erschließung der erneuerbaren Energien zu einem seiner großen Ziele gemacht:
"Das Vertrauen in erneuerbare Energien muss bei Entscheidungsträgern und Gemeinden wachsen, und sie müssen als eine erstklassige Energiequelle erkannt werden, die konventionellen Energieträgern überlegen und nicht unterlegen ist."*Im Licht der deutschen Politik wird Klaus Töpfer noch immer als langjähriger Bundesumweltminister gesehen. In diesem Amt hat er zwar einiges bewegt, konnte sich jedoch nicht wirklich entfalten, weil das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zu seiner Zeit nur wenig Einfluss hatte. So kam als Ergebnis seiner Arbeit oft nicht mehr als symbolische Politik heraus – ohne echten Gewinn für die Umwelt. Den "Grünen Punkt" des Dualen Systems Deutschland wird wohl auch Töpfer in der Rückschau nicht als einen Meilenstein in der deutschen Umweltpolitik bezeichnen. Aber immerhin: Indem er sein Amt kreativ und mit einem Blick für die Öffentlichkeit ausführte, hat er in weiten Teilen der Bevölkerung das Bewusstsein für den Umwelt- und Klimaschutz geweckt. Sein demonstratives Schwimmen im Rhein bringen noch heute viele Menschen in Zusammenhang mit dem Ziel, dass sauberes Wasser in unseren Flüssen fließen soll. Dies hat Töpfer weitgehend erreicht. Aber hat er auch mitgeholfen, die nahende Klima- und Ressourcenkrise zu entschärfen?
Akteur der Energiewende?
Heute ist es in Berlin schon beinahe selbstverständlich, dass der Umweltminister in Sachen Energiepolitik ein gehöriges Wörtchen mitzureden hat. Mit seiner Zentralabteilung für "Klimaschutz und Erneuerbare Energien" ist Jürgen Trittin in der Vorhand, wenn es um wichtige Entscheidungen für den Klimaschutz geht. In Töpfers Zeiten hatte allein das Bundeswirtschaftsministerium energiepolitische Macht. Das ist kaum noch vorstellbar in einer Zeit, in welcher der Umweltminister auf gleicher Augenhöhe mit dem Superminister für Wirtschaft und Arbeit verhandelt, aktuell über das Erneuerbare-Energien-Gesetz und den Emissionshandel. Wo sich Töpfer seinen Kollegen im Wirtschaftsressort unterordnen musste, kann Trittin heute eigene Akzente setzen.
War Töpfer dann überhaupt ein Akteur der Energiewende? Ja, denn fast unbemerkt hat er seit 1994 ein anderes Ministerium zu einem Schlüsselressort für den Klimaschutz ausgebaut. Bis 1998 hat die Öffentlichkeit Klaus Töpfer vor allem als den Umzugsbeauftragten der Bundesregierung von Bonn nach Berlin wahrgenommen. Gleichzeitig hat er – ganz ohne Spektakel – als Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau eine Aufgabe erledigt, die bis heute Wirkung zeigt. Auf den Punkt gebracht: Ohne Töpfer wären Solarer Städtebau und kommunale Baupflichten für Solarenergie nicht möglich. Er ist der Architekt der Energiewende von unten – einer Energiewende, die von den Städten und Gemeinden ausgeht und den erneuerbaren Energien insgesamt zum Durchbruch verhelfen wird.
Baugesetzbuch-Novelle als "letzter Akt"
Wenige Tage nach dem Inkrafttreten des neuen Baugesetzbuchs im Januar 1998 verließ Töpfer die Bundesregierung in Richtung Nairobi. Dort ist der Hauptsitz des UN-Umweltprogramms deren Exekutiv-Direktor der Deutsche seither ist. Die bis heute letzte große Reform des deutschen Städtebaurechts ist die Vollendung seiner erfolgreichen Amtszeit als Bundesbauminister. In den gut drei Jahren Töpfers Ressortleitung hat das Ministerium eine erstaunliche programmatische Arbeit für das Leitbild der "nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung" geleistet. Entscheidend ist, dass Nachhaltigkeit für den Städtebau keine leere Floskel geblieben ist. An vielen Stellen spricht das neue Baugesetzbuch eine klare Sprache, etwa wenn der Umweltschutz "auch durch die Nutzung erneuerbarer Energien" als ein Ziel der Bauleitplanung in Paragraf 1 genannt wird.
Für eine so verstandene "nachhaltige städtebauliche Entwicklung" hat sich Töpfer bereits Jahre zuvor auf internationalem Parkett engagiert. Sein Ziel war, den Schwung von Rio 1992 nicht ungenutzt zu lassen; immerhin war er als Bundesumweltminister einer der "Väter" der Agenda 21. Deshalb hatte sich die Bundesrepublik für eine aktive Rolle im Nach-Rio-Prozess entschieden. Die Bedeutung der Städte sollte hierbei besonders beachtet werden, weil diese nicht mehr nur für ihre lokale Umweltsituation verantwortlich sind, sondern auch für weltweite ökologische Probleme. In die "Habitat-Agenda" von 1996, das Protokoll der Weltsiedlungskonferenz in Istanbul, sind viele deutsche Positionen eingegangen. Dieses Werk war vielen Staaten offenbar zu fortschrittlich, weshalb es in Aktenschränken verstauben sollte.
Damit wollte sich Klaus Töpfer nicht abfinden. Schon in 1997 schloss er für die Bundesrepublik einen ungewöhnlichen Pakt. Anlässlich der UN-Sondergeneralversammlung "Rio+5" rief Deutschland zusammen mit Brasilien, Singapur und Südafrika die "Globale Initiative für nachhaltige Entwicklung" ins Leben – mit der großen Vision, weltweite Lösungen für eine sozial- und umweltverträgliche Stadtentwicklung zu finden.Bisheriger Höhepunkt dieses Prozesses war die "Weltkonferenz über die Zukunft der Städte – Urban 21", zu der Deutschland im Jahr 2000 nach Berlin eingeladen hatte: ursprünglich eine Idee von Klaus Töpfer. Ganz aktuell geht von Deutschland wieder eine solche Initiative aus: nämlich die internationale Konferenz "renewables2004" in Bonn. Der Grund für den eigenständigen deutschen Weg liegt auch hier darin, dass zu viele Staaten – allen voran die USA – bei "Rio+10" in Johannesburg untätig bleiben wollten als es um konkrete Vereinbarungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien ging. Töpfer steht heute dafür, nicht bei wohlklingenden Floskeln halt zu machen. Er läßt Worten konkrete Taten folgen. Am Ende seiner Amtszeit als Minister für den Städtebau stand deshalb folgerichtig die Nachhaltigkeits-Reform des Baugesetzbuchs. Sie ermöglicht es Städten und Gemeinden heute, die Nutzung erneuerbarer Energien in Baugebieten zu fördern und zu fordern, wie im hessischen Vellmar. So viel wie Klaus Töpfer hat wohl keiner seiner zahlreichen Nachfolger im Amt des Bauministeriums bewegt, von Oswald (CSU) bis Stolpe (SPD). Töpfer hat das kleine Ministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu einem wichtigen Faktor in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik gemacht und gleichzeitig begonnen, die international formulierten Programme in nationale Politik umzusetzen. Dies hat ihn für das Amt prädestiniert, welches er seit Februar 1998 bekleidet.Als Exekutiv-Direktor von UNEP bewegt Klaus Töpfer heute wieder etwas für Klimaschutz und Erneuerbare Energien – einer der Schwerpunkte seiner Arbeit für die Vereinten Nationen.
Er hat ein 6,7-Millionen-US-Dollar-Projekt gestartet, das die besten Wind- und Sonnenenergiestandorte in Lateinamerika, Afrika und Südostasien erfassen soll, um diese optimal bewirtschaften zu können. Darüber hinaus unterstützt eine von UNEP ins Leben gerufene Initiative über 30 Projekte, die bezahlbare Energie aus erneuerbaren Quellen erschließen soll. Sie heißt "African Rural Energy Enterprise Development" (AREED).Töpfers Einsatz für den Klima- und Umweltschutz, eine der weltweit wichtigsten Zukunftsaufgaben, verschafft ihm in großen Teilen der Gesellschaft Anerkennung – auch und gerade in Bayern. Doch dort pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass ein anderer Bundespräsident werden soll. Kaum zu glauben, gibt es doch im Freistaat deutschlandweit die mit Abstand größte Zahl an Solarinitiativen (www.regiosolar.de). Zugegeben, dies ist nicht das wichtigste Argument für seine Kandidatur, aber es gibt ja noch viele mehr. Denn Töpfer bringt alles mit, was ein Bundespräsident braucht: die überzeugende Kraft der Rede, persönliche Integrität, politische Erfahrung auf nationalem wie internationalem Parkett und großes Ansehen in allen politischen Lagern. Die Wahlmänner und -frauen in der Bundesversammlung würden Deutschland mit der Wahl von Klaus Töpfer an die Spitze des Staates etwas Gutes tun. Selten genug, dass jemand zur Verfügung steht, der von allen Seiten Unterstützung erfährt, und trotzdem kein Kompromisskandidat ist. Jetzt muss er nur noch vorgeschlagen werden.
* PROF. DR. KLAUS TÖPFER, Executive Director of the United Nations Environment Programme (UNEP). Quelle: FAZ vom 2. April 2003 (Verlagsbeilage Energie)