Ypsilanti gegen Koch: Weltweit erster Wahlkampf mit Hauptthema erneuerbare Energien ein voller Erfolg

von Fabio Longo 11. Februar 2008 Fabio Longo ist Vorstandsmitglied der EUROSOLAR-Sektion Deutschland e.V. und hat als langjähriger SPD-Stadtverordneter in Vellmar die erste Solarwärme-Baupflicht in Deutschland initiiert. Im Solarserver-Standpunkt analysiert Longo die Hessen-Wahl aus der Perspektive des Haupt-Wahlkampfthemas erneuerbare Energien. Das hat es noch nicht gegeben: Eine große Volkspartei zieht mit dem Thema erneuerbare Energien […]

von Fabio Longo
11. Februar 2008

Fabio Longo ist Vorstandsmitglied der EUROSOLAR-Sektion Deutschland e.V. und hat als langjähriger SPD-Stadtverordneter in Vellmar die erste Solarwärme-Baupflicht in Deutschland initiiert. Im Solarserver-Standpunkt analysiert Longo die Hessen-Wahl aus der Perspektive des Haupt-Wahlkampfthemas erneuerbare Energien.
Das hat es noch nicht gegeben: Eine große Volkspartei zieht mit dem Thema erneuerbare Energien als eines ihrer Hauptthemen in den Wahlkampf. Der Erfolg gibt der hessischen SPD Recht. In den letzten Jahren hat die SPD bei Wahlen fast immer verloren, nie deutlich gewonnen. Bei der Hessen-Wahl 2008 hat sie einen Sprung von rund 8 % nach oben gemacht.Bundesweit haben in der Schlussphase des Wahlkampfes drei Themen dominiert: Jugendkriminalität, Mindestlohn und Energiepolitik (Causa Clement). Der Aufschrei des Atomlobbyisten Wolfgang Clement gegen das Energieprogramm von Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer fiel nicht vom Himmel, er hatte eine Vorgeschichte. Denn in der hessischen Öffentlichkeit drehte sich schon seit dem Sommer 2007 alles um Energie- und Bildungspolitik. Aus der Opposition heraus schaffte es die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, die Hoheit über die Themen zu setzen. Das gelang vor allem mit einem mutigen Personal- und Sachangebot in der Energiepolitik (siehe Link unten).
Von vielen Wiesbadener Journalisten als Coup bewertet, stellte Andrea Ypsilanti auf einer Energiekonferenz am 2. Juni 2007 den Träger des Alternativen Nobelpreises, Dr. Hermann Scheer, als ihren künftigen Minister für Wirtschaft und Umwelt vor, der erste Name in ihrem Schattenkabinett. Damit setzte Ypsilanti ein deutliches Signal, mit dem Roland Koch und seine CDU nicht gerechnet hatte. Die Energiewende mit Erneuerbaren Energien und dem Ausstieg aus der Atom- und Kohlekraft als Top-Wahlkampfthema.
Diese Schwerpunktsetzung untermauerten Ypsilanti und die hessische SPD mit der größten Sommertour, die es in der hessischen Landespolitik je gab. Unter dem Titel "Neue Energie für Hessen" zog Ypsilanti von einem Solarkraftwerk zum nächsten Windpark und von einem Solarunternehmen zur nächsten Biogasanlage und das vier Wochen lang. Die Tour war ein voller Erfolg und zeigte der Bevölkerung, dass es Ypsilanti ernst meinte mit der Energiewende.Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti und der Träger des Alternativen Nobelpreises und Eurosolar-Präsident, Dr. Hermann Scheer machten erneuerbare Energien zum zentralen Wahlkampfthema in Hessen.Zeitgleich startete die hessische CDU eine beispiellose Hetzkampagne gegen die Windkraft (siehe meinen Artikel in: Alt/Scheer (Hrsg.), Wind des Wandels, 2007, S. 91 ff.). Mit dieser schrillen Attacke gegen "Windrad-Monster" (größer als der Limburger Dom, breiter als der A380) und den "Windkraft-Wahn" begab sich die CDU auf einen schrägen Kurs. Denn schon seit Monaten profilierte sich die CDU-Bundesvorsitzende als "Klimakanzlerin", die immer auch den wichtigen Stellenwert der Windkraft für die Klimaschutzpolitik deutlich machte. Die hessische CDU wirkte dabei in der Öffentlichkeit wie ein Zerrbild aus vergangenen Tagen der Atomzeitalter-Ideologie. Die hessische SPD hingegen verschaffte sich mit ihrer glaubwürdigen Politik für die Energiewende ein modernes Erscheinungsbild.
Da Andrea Ypsilanti und die Hessen-SPD auch beim zweiten wichtigen Wahlkampfthema, der Bildungspolitik, bei den Wählern einen Kompetenzvorsprung gegenüber Roland Koch und der Hessen-CDU genossen, suchte die in den Umfragen schon in 2007 abgerutschte CDU verzweifelt nach einem zugkräftigen Wahlkampfthema, das Roland Koch nach dem Münchener U-Bahn-Angriff in der Kriminalität jugendlicher Ausländer fand – mit den bekannten Folgen…
Derweil zog Hermann Scheer Tag für Tag von einer gut besuchten Wahlkampf-Veranstaltung zur nächsten. Von Hofgeismar im Norden Hessens nach Bensheim im Süden, von Haiger im Westen, nach Philippsthal im Osten. Allein im Dezember und Januar absolvierte er 90 Vortragsveranstaltungen und besuchte dabei jeden hessischen Wahlkreis. Die zentrale Botschaft: "Wir schaffen den Atomausstieg in Hessen ohne neue Kohlekraftwerke. Zum Ersatz der 2009 und 2013 abzuschaltenden Atomkraftwerke in Biblis werden ausschließlich erneuerbare Energien eingesetzt, abgängige Kohlekraftwerke sollen ausschließlich durch kleine Anlagen in Kraft-Wärme-Kopplung ersetzt werden."

Politischer Thriller am Energietatort Hessen
Dass dieses Programm für die hessischen Großkraftwerksbetreiber E.ON (Staudinger, Kohle) und RWE (Biblis, Atom) eine Horrorvision darstellte, wurde in der letzten Wahlkampfwoche einem bundesweiten Publikum deutlich. Ex-Bundeswirtschaftsminister Clement, Mitglied im Aufsichtsrat der Biblis-Betreiberin RWE Power AG, wurde von RWE zur Gegenoffensive vorgeschickt, sekundiert durch die Untergangsrhetorik von Roland Koch: "Mit der SPD stehen die Waschmaschinen in Hessen still und die Industrie wandert ab…". Doch dieses Manöver wurde von Hermann Scheer schnell als Lobbying der Atomwirtschaft enttarnt. Einige Wiesbadener Journalisten, die Roland Koch über Jahre hinweg respektvoll, teilweise sogar ehrfurchtsvoll begleitet haben, machten sich nun über seine Angriffe gegen das SPD-Energieprogramm lustig. In seiner Not überdrehte er in den letzten Wahlkampftagen völlig, bot einem Journalisten sogar an, ihm S. 13 des SPD-Energieprogramms zu kopieren; dort ist im Zusammenhang mit Lastmanagement das Waschmaschinen-Beispiel aufgeführt.
Aussicht
Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer haben mit der hessischen SPD gezeigt, dass man Wahlkämpfe mit einer klaren Positionierung für eine schnelle Energiewende gewinnen kann. Nun wird es fernab der in den Medien völlig überschätzten Koalitionsfrage in Hessen darum gehen, das ambitionierte Energieprogramm tatsächlich umzusetzen. Dies erwarten die hessischen Wähler von der SPD.
Zum Energieprogramm der hessischen SPD siehe Solar-Report: http://www.solarserver.de/solarmagazin/artikelnovember2006.html

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