taz-Autor Martin Unfried über erneuerbare Energien in Talkshows
Martin Unfried schreibt regelmäßig eine Kolumne in der Tageszeitung "taz" mit dem Titel "Ökosex" und veröffentlicht darüber hinaus Songs seiner gleichnamigen Kolumnenband. Als Solarserver- Standpunkt veröffentlichen wir einen aktuellen Beitrag über Ökostrom-Diskussionen im Fernsehen – und bieten die provokativ-ironischen Lieder als MP3-Dateien kostenlos zum Herunterladen an.Die Ökosex-Songs zum Atomausstieg und Stromwechsel können mit einem Mediaplayer oder MP3-Spieler angehört werden. Unfried ist überzeugt, dass die Solarenergie und der Atomausstieg das Showbusiness erobern müssen, greift kräftig in die Saiten und bedient sich ebensolcher Worte. Zum Download
"Maybrit Illner hilflos ohne Super-BH"
von Martin Unfried
"Berlin Mitte" ist eine gute Sendung. Nur dann nicht, wenn über Energie geredet wird – ohne Energieexperten. Maybrit Illner ist eine brillante Journalistin. Ich liebe sie und Ihre ZDF-Sendung. Sie ist immer tipptopp vorbereitet, wenn sie ihre handverlesenen Gäste intelligent, präzise und gut informiert in die Mangel nimmt. "Ach, du Scheiße!", dachte ich jedoch letzte Woche, als ich die Diskutanten zum Thema Elektrizitätsversorgung sehen musste. Wieder waren nämlich wir taz-Effizienzrevolutionäre nicht eingeladen. Wie soll man da auf hohem Niveau über eine mögliche Energiewende diskutieren?
Echte Stromrebellen zeigen, wie man sich aus der Umklammerung von großen Energiekonzernen befreit
Frau Illner fragte dennoch bissig, was wir gegen unverschämt hohe Strompreise tun könnten. Im Publikum saß Claus Martin Richter, der als Stromrebell bezeichnet wurde. Er bezahlt nämlich die Erhöhung seiner Stromrechnung nicht. Was ja solide ist. Aber ein Stromrebell? Der mündige Rebell sagt "Arschgeigen" und wechselt einfach zu einem sympathischeren Unternehmen – oder er gründet ein eigenes. Klares Versagen der "Berlin-Mitte"-Redaktion: Die echten Stromrebellen waren nicht eingeladen. Das sind bekanntlich die Leute vom Elektrizitätswerk in Schönau. Die hätten Illner und ihrem Publikum erzählen können, wie man aus der Umklammerung von großen Energiekonzernen kommt: eigenes Netz betreiben und Strom selber machen. So saß Maybritt Illner also ohne Experten da und musste Sendezeit füllen.
Effizienzrevolutionäre ohne BHKW, PV und Sunmachine?
Auch der freundliche Sigmar Gabriel konnte nicht weiterhelfen. "Effizienz!", rief er und "mehr Wettbewerb!" Doch der Mann ist ja selbst noch gar kein solarer Effizienzrevolutionär. Hat er eine Photovoltaikanlage auf dem privaten Dach? Ich behaupte: Nein! (und will das gerne widerlegen 1). Hat er bereits eine "Sunmachine", also ein kleines Holzpelletskraftwerk im Keller? Niemals! (2) Also: kein echter Experte. Und dann saß da auch noch Utz Claassen, der Chef von EnBW und Sponsor des VfB Stuttgart (siehe Ökosex vom 3. November). Claassen erzählte sinngemäß, dass sein Atom- und Kohlestromkonzern eine Klimaschutzorganisation sei. Der EnBW gehe es um das Wohl des Netzes und um fairen Zugang aller Marktteilnehmer. Da mussten sogar meine Kinder lachen. Mit Verlaub: Jemand, der nicht einmal die Geschäfte seines eigenen Unternehmens kennt, ist kein Experte für zukünftige Stromversorgung! Was Claassen aber insbesondere zum Experten fehlt: Er hat privat keine Photovoltaikanlage auf dem Dach (3). Wie sollte Claassen somit der Frau Illner die fantastische Zukunft ohne Atom mit selbst gemachtem Strom in dezentralen Mikrokraftwerken ausmalen können?
In die expertenfreie Unterhaltung hinein sagte dann Frau Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, wir bräuchten eine europäische Regulierungsbehörde im Energiesektor. Um die Marktstrukturen aufzubrechen. Das war dann doch mal eine Aussage. Frau Kemferts Problem: Sie macht Ihren Strom nicht selber, da sie kein Rapsöl betriebenes Miniblockheizkraftwerk im Keller hat (4), darum weiß sie wenig von der psychologisch-kulturellen Seite der Energiefrage. Und da kumulieren die Probleme: Maybrit Illner hat ja auch kein rapsölbetriebenes Blockheizkraftwerk im Keller (5).
Super-BH im Keller und Ökosex auf dem Dach
Ohne eigenes BHKW und ohne Photovoltaikanlage (PV) auf dem eigenen Dach fiel ihr die eine, kleine, entscheidende Frage nicht ein: Warum machen wir daheim unseren Strom nicht einfach selber? Genau diese nicht gestellte Frage hätte ich jederzeit beantworten können: Weil BHKW und PV so unsexy klingt. Deshalb habe ich auch in der Überschrift das KW weggelassen. BH: das klingt mehr nach Ökosex! Und nächstes Mal korrigiere ich alle widerlegten Behauptungen und erkläre, dass Umweltminister Gabriel doch ein solarer Effizienzrevolutionär ist und wie er mit Thomas Gottschalk die Stromerzeugung in Deutschland revolutionieren wird: mit einem rapsölbetriebenen Super-BH im Keller und Ökosex auf dem Dach.
(1) bis (5): Behauptungen, die ich zu widerlegen bitte.
Der Solarserver dankt der taz für die Rechte zur Online-Veröffentlichung http://taz.de/
Links:
Elektrizitätswerke Schönau: www.ews-schoenau.de
Holzpelletskraftwerk "Sunmachine": www.sunmachine.com
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