Hans-Josef Fell (MdB): „Friedenssicherung durch Solarenergie“

Hans-Josef Fell (MdB), der forschungspolitische Sprecher von Bündnis 90/DIE GRÜNEN hielt am Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl eine Rede zu den Themen Ökologie, Umwelt und Sicherheitspolitik. Sein für das Internet leicht gekürzter Vortrag, den Fell unter dem Titel "Friedenssicherung durch Solarenergie" am Stand der Solar Millennium AG auf der Hannover Messe gehalten hat, ist der […]

Hans-Josef Fell (MdB), der forschungspolitische Sprecher von Bündnis 90/DIE GRÜNEN hielt am Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl eine Rede zu den Themen Ökologie, Umwelt und Sicherheitspolitik. Sein für das Internet leicht gekürzter Vortrag, den Fell unter dem Titel "Friedenssicherung durch Solarenergie" am Stand der Solar Millennium AG auf der Hannover Messe gehalten hat, ist der Solarserver-Standpunkt des Monats Juli 2001.Der Mitinitiator des Gesetzes zur Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (EEG) betonte die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen um Energieressourcen und die Bedeutung großer Investoren für eine kostengünstige globale Stromversorgung, den Arbeitsmarkt und die soziale Gerechtigkeit.

Friedenssicherung durch Solarenergie

Drei der zentralen, möglicherweise die schlimmsten globalen Probleme sind die Sicherung des Weltfriedens, die Umweltkrise und die soziale Gerechtigkeit. Wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen, macht nur eine umfassende Betrachtung Sinn: Wenn wir über Energie reden, ist das der richtige Blickwinkel.
Wenn wir die Friedenssicherung betrachten, müssen wir wissen, wodurch Kriege überhaupt verursacht werden. Denn erst dann können wir auch Kriegsursachen bekämpfen. Kriege werden unter anderem durch religiöse oder ethnische Konflikte verursacht, aber als zweitwichtigste Ursache haben wir bereits den Kampf um Rohstoffe. Afghanistan und Tschetschenien sind dafür Beispiele. Ich erinnere nur daran: Kriegsauslösend in Tschetschenien war das Anzapfen der wichtigsten russischen Pipeline durch tschetschenische Rebellen: Ein "Öl-Klau". Solche Auseinandersetzungen werden intensiver, wenn die Rohstoffe zur Neige gehen, und es gibt verschiedene Indizien dafür, dass die wachsende Nachfrage nach Erdöl in den kommenden Jahren nicht mehr in dem Maße gestillt werden kann, wie der Weltbedarf weiter wächst.Wenn wir in diese Situation kommen, wird zum einen der Erdölpreis drastisch nach oben gehen, zum anderen aber natürlich auch der Kampf um das billige Rohöl verstärkt geführt werden. Diese Rohstoffe haben – mit Ausnahme von Kohle, aber – kaum bekannt – auch das Uran – alle nur noch eine kurze Reichweite von wenigen Jahrzehnten. Und die gleichen Stoffe sind die Hauptursache dafür, dass wir die globale Umweltkrise auf diesem Planeten haben: Es sind der Ausstoß von Kohlendioxid und der Ausstoß von Radioaktivität.

Zum Jahrestag von Tschernobyl

Durch diesen Unfall sind – so haben es uns die ukrainisch-weißrussischen Regierungen immer wieder gesagt – bereits bis zu 30.000 Menschen gestorben. Es sind schlimmste, verheerende Umweltschäden entstanden durch die Nutzung der Atomenergie. Die Nutzung der kohlendioxidemittierenden Stoffe wie Öl, Gas und Kohle ist auch nicht besser. Alle, auch wenn sie hoch effizient betrieben werden, stoßen Kohlendioxid aus.
Die Gewinnmaximierung von Großkonzernen halte ich nicht an sich für falsch. Nein, es ist ein geschäftliches Interesse, das ist in Ordnung. Aber, es ist dann nicht in Ordnung, wenn es zu Lasten der Ökologie und zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit geht. Wenn wir uns anschauen, wie das Kapital auf der Welt verteilt ist, dann werden wir feststellen, dass die zehn reichsten Familien soviel Kapital besitzen wie das gesamte Bruttosozialprodukt der 70 ärmsten Staaten dieser Welt.
Und dann fragt man sich, wo läuft denn das Geschäft? Das größte Geschäft der Welt ist das Geschäft mit dem Verkauf konventioneller Energie: Uran, Öl, Gas und Kohle. Diese Stoffe sind damit mehr, als nur eine Bereitstellung für die von uns immer wieder benötigte Energie. Nein, sie sind Hauptverursacher der zentralen Probleme dieser Welt. Hat man das erkannt, dann kennt man auch relativ schnell die Lösungen. Die Friedenssicherung können wir schaffen, wenn wir Energiegewinnung, wenn wir Rohstoffe regional aus allen Regionen der Welt zur Verfügung haben, so dass wir nicht untereinander darum kämpfen müssen. Die regionale Energiegewinnung gibt es mit Ressourcen in einer Art und Weise, die in jeder Region im Überfluss vorhanden sind: Es ist die direkte Sonnenstrahlung, es ist die Windkraft, es ist die Wasserkraft, es ist die Biomasse, die Erdwärme und es sind die Meeresenergien.
Alle diese Primär-Energieträger, die uns die Natur zur Verfügung stellt, in allen Regionen dieser Welt, selbst in Alaska, selbst in Grönland, sind als Stoffe in der Lage, unsere Energie bereitzustellen, völlig ohne CO2-Ausstoß und völlig ohne Radioaktivitätsprobleme: Sie sind per se die Lösung der großen globalen Umweltkrise.

Die Alternative: Dezentrale Versorgung durch regenerative Energien

Die gleichen Mengen an Energie können nicht in zentralen riesigen Megawatt-Kraftwerken, in Tausend-Megawatt, also einem Ein-Gigawatt-Kraftwerk erzeugt werden. Nein, sie müssen dezentral in der Fläche überall gewonnen werden und das heißt Verdienstmöglichkeiten für sehr, sehr viele Menschen. Das heißt ungerechte Kapitalverteilung wieder ein Stück weit zurückzuführen. Der Einstieg in eine Energieversorgung mit erneuerbaren Energien ist ein Chance, nicht die alleinige Lösung, aber es ist die Chance. Und diese Chance ist sehr groß. Die Sonne gibt uns eine Menge an Energie, die gewaltig ist. Alleine eine Teilfläche der Wüste Sahara, mit solarthermischen Kraftwerken, mit Photovoltaik oder mit anderen Sonnenenergie sammelnden Kollektoren bedeckt, würde den gesamten Weltenergie-Bedarf decken können.

Sonne ist im Überfluss vorhanden

Es gibt inzwischen auch genügend Überlegungen und Berechnungen, dass dies auch technisch möglich ist. Eine von der Europäischen Union finanzierte Studie von fünf Europäischen Instituten aus dem Jahre 1998 zeigt beispielsweise auf, dass es möglich ist, den gesamten europäischen Energiebedarf umzustellen auf erneuerbare Energie. Wir sehen heute das Energieszenario mit Kohle, Erdöl, Nuklear-Energie und Erdgas: Eine Kleinigkeit Wasserkraft, eine Kleinigkeit Biomasse – das ist das heute existierende Energie-System. Eine Energiewende steht auf zwei Beinen. Erstens: Runter mit dem hohen Energieverbrauch. Beispiele sind das 3-Liter-Auto oder die Kraft-Wärmekopplung zur Stromerzeugung. Damit könnten die schädlichen Energienutzungen reduziert werden. Zweitens: Gleichzeitiges Anwachsen der erneuerbaren Energien: Biomasse, Solarstrahlung, Windkraft und Wasserkraft. Und die Forscher haben in ihrer Studie sogar die Erdwärme und Meeresenergien vergessen, welche ein riesige Potenziale haben. Dann kann man erkennen, diese Forscher halten es bis 2050 für technisch machbar, den gesamten europäischen Energiebedarf mit erneuerbaren Energien zu decken. Nur, das kommt nicht von alleine, dazu braucht es Rahmenbedingungen. Dazu braucht es politische Unterstützung, damit sich die noch teureren Energieformen gegenüber den etablierten, scheinbar billigen durchsetzen können – denn die externen Kosten gehen ja nicht in die Berechung ein.
Eine solche Rahmenbedingung wurde in Deutschland geschaffen, vor ziemlich genau einem Jahr. Am 1.4. 2000 trat in der Bundesrepublik Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. Es hat bereits einen gewaltigen Boom ausgelöst. Sie erkennen an der dynamischen Entwicklung der erneuerbare Energien, dass bis zum Jahr 2010 eine Verdopplung des jetzigen Anteils der erneuerbare Energien machbar ist. Das genau ist auch das Ziel des EEG! Wenn die Verdopplung erreicht ist, dann haben wir für viele dieser technischen Bereiche den Durchbruch geschafft, denn dann wird über die industrielle Fertigung, die dafür notwendig ist, die Technik verbilligt sein. Dann kauft sie jeder, weil er im Hinterkopf nicht den Umweltschutz hat, sondern die Kostengünstigkeit der Stromerzeugung und der Wärmeerzeugung.

Verdoppelung des Anteils der "Erneuerbaren" bis 2010

Deswegen ist es wichtig, dass Firmen – wie hier die Solar Millennium AG – groß investieren und dass sie den Menschen zeigen, wie wichtig diese Techniken sind. Dann geht es fast automatisch weiter, wenn sie im Markt vertreten sind. Das Verdoppelungsziel bis 2010 war auch die Grundlage für das EEG. Erneuerbare Energiequellen hatten im Jahre 2000 einen Anteil von 6% an der deutschen Stromproduktion. Das Ziel wäre also, bis dann12% zu erreichen. Das entspräche einem Wachstum um etwa ein halbes Prozent pro Jahr. Aber wir stellen fest: Schon in einem Jahr ist bereits der Zuwachs um 1% gelungen! Hält diese Dynamik an, haben wir das Verdopplungsziel wahrscheinlich schon im Jahre 2005 erreicht. Und dies dank all der Firmen, die intensiv diese gesetzgeberische Chance ergriffen haben.
Soziale Gerechtigkeit zu schaffen, heißt auch, Arbeitsplätze zu schaffen. Auch das ist gelungen. Wir hatten 1998 in der Branche "Erneuerbare Energie" 30 000 Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland. Ende des Jahres 2000 sind es bereits 50 000 Arbeitsplätze. Wenn wir das Verdopplungsziel bis 2010 erreicht haben, werden es 100 000 sein. Ich bin davon überzeugt, wir werden früher 100 000 haben. Danach geht es noch schneller weiter: Erneuerbare Energien sind eine echte Wachstumsmaschine für die Arbeitsplätze!
In Politik und Wirtschaft und vielen anderen Bereichen wird einiges getan. Ich hoffe, dass die Unterstützung und die günstigen Rahmenbedingungen von der Industrie weiter wie bisher angenommen werden: Dies wird unserer Welt sehr gut tun. Wir werden Friedensvorsorge betreiben. Wir werden die globale Umweltkrise bekämpfen und auch soziale Gerechtigkeit verwirklichen – und viele neue Arbeitsplätze schaffen.

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