Wolf von Fabeck: Photovoltaik – Königin der Erneuerbaren Energien
Der Geschäftsführer des Solarenergie-Fördervereins (Aachen) kritisiert das immer wieder bemühte Argument, die Photovoltaik könne aus Kostengründen niemals konkurrenzfähig werden. Er blickt in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der denzentral erzeugter Solarstrom mit der Energie aus fossilen und atomaren Ressourcen auch wirtschaftlich mithalten kann.
Warum die Stromwirtschaft die Photovoltaik fürchtet
50.000 Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) speisen in Deutschland Strom vom Hausdach ins öffentliche Netz ein; und ihre Zahl wächst von Tag zu Tag; in wenigen Jahrzehnten können es bereits viele Millionen sein. Solarstromeinspeiser werden dann Solarstrom zu einem Preis erzeugen, den die Stromversorger in der Niederspannungsebene 230/400 Volt mit fossil-atomarem Strom nicht mehr unterbieten können.
RWE und Bayernwerk haben bereits im April 1993 eine Studie anfertigen lassen, die der Frage auf den Grund ging, ob PV-Anlagen auf der grünen Wiese oder ob PV-Anlagen auf Gebäuden den Strom billiger erzeugen können. Die Studie stellte damals fest, dass die Hausanlagen den Strom billiger liefern konnten. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen weiter befestigt. Und es besteht keine Aussicht, dass die Stromversorger die Hausanlagen in eigener Regie betreiben, denn Dächer und Fassaden gehören nun einmal den Hauseigentümern.
Bei weiterem Fortschritt der Speichertechnik könnten Bauherren aus wirtschaftlichen Erwägungen sogar auf die Idee kommen, dass sie die teure Errichtung eines Stromanschlusses einsparen (dazu unten mehr). Die einträglichste Kundengruppe – Haushalts- und Gewerbekunden, bisher die Melkkühe der Stromversorger – würde dann besorgniserregend schrumpfen; ihr Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Netzbetreiber wird hingegen wachsen. So etwa sehen wohl die Angstträume einiger Strom-Manager aus … Und, ehrlich gesagt, sie sind nicht ganz unrealistisch.
Zur Zeit wehrt sich die Stromwirtschaft allerdings noch in dreister Verdrehung der Tatsachen mit dem genau entgegengesetzten Argument: Es lohne sich überhaupt nicht, die Photovoltaik weiter zu fördern, denn Solarstrom könne aus Preisgründen niemals konkurrenzfähig werden. Und dieses Argument findet selbst im Kreis von Umweltfreunden gläubige Zuhörer.
Hoher Augenblicks-Preis
Dass die PV auf ewig teuer bleiben würde, und deshalb keine Zukunft habe, wird nicht nur vom RWE öffentlich verbreitet, sondern von manchen Umweltfreunden gedankenlos wiederholt. Auf den ersten Blick scheint es ja sogar zu stimmen. Gegenüber der Windenergie z.B. liegt die PV noch weit zurück. Windenergie ist zehnmal billiger und liefert in Deutschland fast 60 mal so viel Strom. Dass dies mit der ungleichen Förderintensität zusammenhängt, wird leicht übersehen.
Betreiber von Windanlagen erhalten in Norddeutschland bereits seit Einführung des StrEG Ende 1990 – also bereits 12 Jahre lang – eine kostendeckende Vergütung, während der PV zehn Jahre lang nur ein winziger Bruchteil der notwendigen Vergütung zugestanden wurde. Auch im EEG ist ihre Vergütung nie auf kostendeckende Höhe angehoben worden.
Hier müssen wir gegen eine sich selbst erfüllende< Prophezeiung ankämpfen: Weil PV angeblich niemals wirtschaftlich werden könne, verweigert man ihr die kostendeckende Einspeisevergütung, die sie zur Erzeugung einer Massennachfrage benötigt, die ihrerseits die Voraussetzung für Massenproduktion und Preissenkung darstellt.
Erste Ansätze für eine Massennachfrage – nach Einführung der 99 Pf/kWh bei gleichzeitiger großzügiger Handhabung des 100.000-Dächerprogramms – wurden im Frühjahr 2000 mit der ängstlichen Begründung abgebremst, der Markt könne sich überhitzen. So ist es nie zu dem erforderlichen Nachfragesog gekommen. Im Gegenteil:< Nachdem die ohnehin nicht ausreichende Mindestvergütung des EEG zum 1.1.2002 für Neuanlagen auch noch um fünf Prozent abgesenkt wurde, wurden in Deutschland im Jahr 2002 sogar weniger PV-Anlagen verkauft als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Die Firma Bayer hatte schon vorher – als erkennbar wurde, dass es keine kostendeckende Einspeisevergütung geben würde – ihre ganze Solarabteilung einschließlich der Patente weggegeben. Bei anderen Firmen wurde die Ausweitung der Produktionsanlagen gestoppt, und Shell Solar entlässt jetzt im Herbst 2002 sogar 170 Mitarbeiter in Helmond und München. Bei Shell Solar spricht man offen von einer Überangebotssituation.
Die beobachteten geringen Preissenkungen ergeben sich heutzutage also nicht etwa aus einer aufwachsenden Massenproduktion und dem daraus folgenden technischen Fortschritt sondern aus der schwachen Nachfrage; ein typischer Sommerschluss- verkaufs-Effekt! Und wann kommt der nächste "Sommer"?
Der Spitzenplatz in der Preiswürdigkeit ist zu erwarten
Die weitere Entwicklung hängt davon ab, welche politische Entscheidung getroffen wird. Bei einer planbar auf Jahrzehnte angelegten kostendeckenden Einspeisevergütung (mit fünfprozentiger Verringerung der Vergütungssätze für Neuanlagen, die jeweils im Folgejahr ans Netz gehen) ist ein Boom der Photovoltaik zu erwarten. Wichtig ist – dies sei hier noch einmal betont – dass die jeweils fünfprozentige Absenkung von einem ausreichend hohen Ausgangswert, nämlich der kostendeckenden Vergütung, ausgehen muss. Die Photovoltaik würde unter dieser Bedingung schließlich den Spitzenplatz in der Preiswürdigkeit unter allen erneuerbaren Energien erobern. Dies ist leicht zu begründen:
Keine der anderen erneuerbaren Energien kommt ohne bewegte Teile aus und benötigt so wenig Wartung, keine der anderen baut auf einem so billigen Rohstoff (Sand) auf , keine der anderen ist so geeignet für die Massenproduktion (Quadratkilometer völlig gleichartiger photovoltaischer Folien oder Qadratkilometer von Fassaden- oder Dachplatten müssen hergestellt werden), kaum eine der anderen kann auf Fundamente verzichten, kaum eine andere hat den Netzanschluss so in erreichbarer Nähe.
Interessant ist insbesondere die Möglichkeit der Mehrfachnutzung. Fast ist es wie im Märchen: Schon Hänsel und Gretel waren fasziniert von der Möglichkeit der Mehrfachnutzung bei den "Fassadenelementen" des Pfefferkuchenhauses. Ein Haus aus Photovoltaikplatten – wenn diese nur preiswert genug zu haben sind – wäre für energiehungrige Menschen in Gebieten ohne Stromanschluss vielleicht noch begehrenswerter. Aus der Tatsache, dass PV-Module gleichzeitig architektonische Aufgaben übernehmen können, z.B. als Fassaden- oder Dachelement ergibt sich die wichtigste Preisreduktionsmöglichkeit für die Photovoltaik.
Gebäude mit integrierten Photovoltaikanlagen gehören zu den schönsten Zweckbauten der letzten Jahrzehnte. Man denke z.B. an den Lehrter Stadtbahnhof in Berlin. Die Königin der Erneuerbaren Energien trägt – wie es sich gehört – auch die schönsten Kleider.
Die bisher üblichen Bauteile zur Abdichtung der Gebäudehülle können eingespart und ihre Kosten der Photovoltaik als Gutschrift angerechnet werden. Aus dieser Überlegung ist auch verständlich, warum Solarstromanlagen auf der grünen Wiese, wo sie keine Mehrfachverwendung finden, einen Irrweg darstellen.
All diese Vorteile zusammengenommen werden die Photovoltaik auf den Spitzenplatz als die billigste Stromversorgungstechnik vorrücken lassen und damit die Aussage der Enquete-Kommission "Schutz der Erde" des 11. Deutschen Bundestages – übrigens unter CDU/CSU-Vorsitz – bestätigen, wonach die Kosten auf unter 10 Cent/kWh sinken würden (Band 2, Seite 198).
PV-Anlagen – unentbehrlich für die weltweite CO2-Vermeidung
Wenn es die einzige Aufgabe wäre, einen gewissen Anteil der Energieversorgung in Deutschland auf Erneuerbare Energien umzustellen, könnte man sich die Markteinführung der Photovoltaik schenken. Dann würde die Windenergie als derzeit preiswerteste Erneuerbare
Energie völlig ausreichen. Doch wer aus Klimaschutzgründen eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien erreichen will, kann auf das große Potenzial der Photovoltaik nicht verzichten. Er muss außerdem an den Aufbau einer umweltfreundlichen Stromversorgung in Entwicklungsländern denken. PV-Anlagen sind dafür prädestiniert, insbesondere, weil die Sonneneinstrahlung dort zumeist noch höher ist und weil PV-Anlagen auch ohne Stromnetz arbeiten können. Zur Zeit verbietet allerdings der hohe Preis der Photovoltaik den Einsatz in den finanzschwachen Entwicklungsländern. Gerade aus diesem Grund ist eine Preisreduzierung durch gezielte Markteinführung bei uns so drängend.
Wenn die Sonne nicht scheint?
Eingangs wurde die Sorge der Stromversorger erwähnt, dass Betreiber von PV-Anlagen auf die Idee kommen könnten, sich vom öffentlichen Stromnetz abzukoppeln. Ob dies wirklich geschehen wird, hängt wesentlich von der Kostenentwicklung der Energiespeichertechnik ab. Wenn es billiger ist, überschüssigen Sommer-Strom aus der PV-Anlage bis zum nächsten Frühjahr im eigenen Haus zu speichern, ist ein Verzicht auf den Netzanschluss denkbar. Wahrscheinlicher aber ist die Beibehaltung des Netzverbundes, welcher europaweit einen je nach Wetterangebot und Tageszeit unterschiedlich zusammengestellten Mix aller Erneuerbaren Energien ins Haus liefert. Hier kommt der Biomasse eine besondere Rolle zu.
Die Biomasse ermöglicht die Kontinuität der Stromversorgung, auch dann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Sie ist speicherbar und nach Bedarf abrufbar. Umgekehrt erlaubt das Stromnetz den PV-Betreibern im Fall von Solarstromüberschuss, z.B. in den Sommerferien, dass sie ihren Solarstrom gegen Vergütung ins Netz abgeben.
Kein Flächenverbrauch
Photovoltaik unterliegt nicht dem Skaleneffekt; d.h. auch kleine PV-Anlagen arbeiten mit dem gleichen technischen Wirkungsgrad wie die großen. Die benötigte Gesamtfläche für einen nennenswerten Anteil photovoltaischer Stromversorgung unserer Zivilisation lässt sich deshalb aus Millionen kleiner Flächenstückchen zusammensetzen. Der Flächenverbrauch kann auf ohnehin versiegelte Flächen – Hausdächer, Fassaden usw. – beschränkt werden.
Gesellschaftspolitischer Vorteil der Photovoltaik
Photovoltaikanlagen sind wegen ihrer Kleinheit und ihres zukünftigen geringen Preises Energiegewinnungsanlagen nahezu für Jeden.
Jeder Bürger kann sich ganz persönlich einer wichtigen Aufgabe der Zukunftsvorsorge annehmen; er verliert das Gefühl der politischen Ohnmacht und erreicht einen Informationsstand, der es ihm erlaubt, mitzubestimmen.
Die überlebenswichtige Frage der zukünftigen Energieversorgung kann so auf demokratische Weise entschieden werden. Die Königin der Erneuerbaren Energien zeigt letzten Endes ihr demokratisches Herz.
Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck