Solar-Interview mit Dr. Rainer Gegenwart, CEO von Masdar PV, zu der von Umweltminister Norbert Röttgen geplanten Reduktion der Solarförderung
Herr Dr. Gegenwart, insbesondere die Hersteller wehren sich ja derzeit gegen die Umsetzung der von Umweltminister Norbert Röttgen geplanten Reduktion der Einspeisevergütung um bis zu 16%. Warum sperren Sie sich gegen die Entlastung der Verbraucher?
Gegenwart: Die Verbraucher werden durch den Vorschlag objektiv nicht entlastet. Das Einzige, was erreicht wird, ist ein Kahlschlag in der Solarbranche.
Aber zurück zu den Vorschlägen des Bundesumweltministers. Zunächst einmal ist es unklar, auf welcher Berechnungsgrundlage Röttgens Ministerium zu besagten 16% gekommen ist. Zudem geht die Reduktion weit über die genannten 16% hinaus. Zum 1. Januar 2010 erfolgte eine Degression zwischen 9 und 11%, wir liegen also Mitte 2010 kumuliert bei ca. 25%.
Vorstellbar ist, dass sich Umweltminister Röttgen auf den Preisrückgang der Photovoltaikanlagen (bis 100 kWp) von 25% zwischen Ende 2008 bis Ende 2009 bezieht. Jedoch macht die isolierte und kurzfristige Betrachtung dieser Zeitspanne keinen Sinn. Denn den starken Preissenkungen im Jahr 2009 stehen stabile bzw. sogar ansteigende Preise in den Jahren 2005 bis 2007 gegenüber. Insgesamt sind die Systempreise von 2006 bis 2009 um 37% gefallen, also knapp 10% pro Jahr. Hiermit kommen wir in eine realistische Region unterhalb von 10% bei der Kostenreduzierung, die im Übrigen auch in etwa der jährlichen EEG-Reduktion entspricht.
Sollte es bei der geplanten Reduzierung von rund 25% bleiben, und im Januar 2011 nochmals 10% hinzukommen, so lägen wir bei 35% – Kostensenkungen in dieser Höhe können die Hersteller in einem Zeitraum von 12 Monaten nicht umsetzen. Welche Industrie kennen Sie, die dies zu leisten vermag? Von der Photovoltaik Industrie scheinen es einige Politiker zu erwarten.
Das heißt, Unternehmen sind in Ihrer Existenz bedroht?
Gegenwart: Unter diesen Voraussetzungen wäre mit einer schmerzlichen Konsolidierung des Marktes zu rechnen, ja.
Warum?
Gegenwart: In vielen Industrien gibt es den so genannten Lernfaktor. Dieser besagt, dass sich Preise/Kosten um diesen Faktor verringern, wenn sich die Produktionsmenge verdoppelt. Bei der Photovoltaik Industrie liegt er je nach Quelle zwischen 15% (SEMI) und 20%. Aus der prognostizierten Marktentwicklung kann man bei diesem Faktor ein Kostensenkungspotenzial von jährlich 6 bis 10% ableiten.
Eine zu hohe Absenkung der Einspeisevergütung wird starken Preisdruck ausüben. Es besteht die Gefahr, dass Anlagenpreise so weit fallen, dass die Erlöse die Produktionskosten der Komponenten nicht mehr decken. Wir geraten dann in eine Dumpingpreisspirale, in der Marktanteile gegenüber positiven Betriebsergebnissen Priorität haben. Der Markt würde z.B. stark geförderten asiatischen Herstellern überlassen werden.
Sie hatten gesagt, dass Verbraucher durch den Vorschlag des Bundesumweltministers nicht entlastet werden. Wie meinen Sie das?
Gegenwart: Fakt ist: Die EEG-Umlage für Solarstrom lag in 2009 bei 2% des Haushaltsstrompreises und die EEG-Kosten beliefen sich insgesamt auf 5%. Der Anstieg des installierten Volumens lässt den EEG-Anteil am Strompreis in 2010 auf etwa 8% klettern. Haushaltsstrom hat sich vom Jahr 2000 bis 2009 jedoch um 70% verteuert, daher kann man wohl kaum das EEG als den Preistreiber in diesem Zusammenhang bezeichnen. Nehmen Sie etwa das Jahr 2009: spart man zusätzliche 25% im Solarbereich ein, der insgesamt jedoch nur einen Anteil von 2% am Gesamtstrom hat, ergäbe sich eine Reduktion von 0,5% des Strompreises. Wollen wir dafür wirklich einen Industriezweig mit 60.000 Mitarbeitern gefährden?
Neben der Förderung von Dachanlagen soll aber nun die Anwendung auf Freiflächen noch stärker beschnitten werden, welchen Einfluss sehen Sie hier?
Gegenwart: Richtig. Solaranlagen auf Dächern bleiben weiterhin ein attraktiver Markt. Verantwortlich für die technologische Weiterentwicklung und damit für die Kostendegression waren in der Vergangenheit jedoch große Freiflächenanlagen und Dachanlagen im Megawatt-Bereich. Die geplanten Neuregelungen für Freiflächen würde diese bisher erfolgreiche Entwicklung jedoch abrupt beenden.
Sie sagen also, dass die jetzt geplante Novelle den Markt der Freiflächenanlagen komplett verschließen würde? Was ist denn mit Ackerflächen? Dort wurden doch bisher viele Solaranlagen gebaut.
Gegenwart: Ja, die Novelle würde den Markt für Freiflächenanlagen deutlich zurück fahren. Auf Ackerflächen wurden bisher Solaranlagen errichtet, weil die Politik die Rahmenbedingungen dafür entsprechend vorgegeben hat. Selten wurden hier jedoch hochwertige Ackerflächen verwendet, denn die Entscheidung dafür lag bisher bei den Gemeinden, die einer solchen Bebauung ohnehin niemals zustimmen würden. Die Nutzung von Brachflächen, Stilllegungsflächen, Grünland und sogar teilweise von Gewerbegebieten ist laut EEG häufig gar nicht zulässig gewesen. Hier hat die Politik einen Fehler gemacht, der jetzt kurzfristig gerade gebogen werden soll. Dabei stimmen wir mit der Regierung überein, dass Ackerflächen mit einer Ackerzahl größer 60 – mit dieser Kennzahl wird die Bodenqualität angegeben – nicht für den Bau von Solarkraftwerken genutzt werden sollen. Dafür müssen aber eben andere Flächen als Ausgleich zur Verfügung stehen. Eine Streichung des § 32 (3) EEG wäre hier ein sinnvoller Weg.
In einem Schreiben an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird die „Nutzung der Photovoltaiktechnologie zur Stromerzeugung“ als eine Erfolgsgeschichte bezeichnet. Darin heißt es weiter, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch stetig erhöht und derzeit bei „rund 16%“ liegt. „Die Leistung des Solarstroms hat sich dabei allein in den Jahren 2008 und 2009 verdoppelt“. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Gegenwart: Das Bundesumweltministerium stellt auf seiner Internetseite verschiedene Analysen zur Verfügung, die den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung aufzeigen. Darin kann man sehen, dass Wasserkraft, Windenergie, Biogas, Photovoltaik, Klärgas und Geothermie zusammen in 2008 insgesamt einen 15% Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland hatten. Davon stammten 0,7% aus dem Bereich Photovoltaik. Das bedeutet, wir stehen noch ganz am Anfang und können es uns nicht leisten, dieser jungen Industrie in Deutschland das Wasser abzugraben. Andere Erneuerbare Energiequellen, wie etwa Wasser- und Windkraft, sind hier in ihrer Entwicklung wesentlich weiter.
Aber zurück zu den „16%“. Schauen Sie sich den Energiemix in Deutschland genau an: die jungen erneuerbaren Energien haben bereits die Kernenergie in ihrem Anteil an der Stromerzeugung überholt. Jetzt schließen sie sogar auf die Kohleanwendungen auf, die ca. 24% zur deutschen Energieversorgung beitragen. Oder betrachten Sie die deutsche Abhängigkeit von Energieimporten, denn mehr als 70% des Stroms gewinnen wir aus importierten Energieträgern. Diese Quote zu senken ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe der Politik und wurde vom EEG beabsichtigt.
Dennoch erweckt der Bundesumweltminister den Anschein auf Drängen der Bevölkerung zu handeln …
Gegenwart: Nicht, wenn man die letzten Untersuchungen von Forsa und Infratest betrachtet. 84% der Bundesbürger sprechen sich in der Infratest-Befragung gegen die geplante deutliche Absenkung aus. Die Unterstützung für erneuerbare Energien liegt bei 95%! Eine vergleichbare Mehrheit wünscht das Beibehalten der bestehenden Förderungen – mit den laut EEG geplanten Reduktionen. Sogar parteiunabhängig liegt die Zustimmung hierzu bei 71 bis 86%! Ich frage mich daher, woher die Bundesregierung den Wunsch ableitet, die Solarförderung überproportional zu kürzen? Auf den Wunsch des Wählers und der eigenen Parteimitglieder kann dies offensichtlich nicht zurück gehen.
Meinen Sie, dass die Bundesregierung die Solar-Diskussion eventuell anheizt, um von den derzeitigen Schwierigkeiten abzulenken?
Gegenwart: Darüber will ich nicht spekulieren. Klar ist aber: Sofern die geplante Regelung in Kraft tritt und die Freiflächenregelungen so erhalten bleiben wie derzeit formuliert, dann ist das der Todesstoß für die Solarbranche in Deutschland. Unternehmen werden schließen oder abwandern. Und das wird von der Politik bisher überhaupt nicht thematisiert.