Solar-Interview mit Dr. Matthias Fawer, Autor der aktuellen Sarasin-Solarstudie

Die mittlerweile zehnte Solarenergiestudie der Bank Sarasin wird in der Solarbranche mit Spannung erwartet, insbesondere in der Photovoltaik-Industrie. In einem Jahr, das gekennzeichnet ist von enormen Überkapazitäten, einem dramatischen Preisverfall bei Solarmodulen und einer eher verhaltenen Nachfrage sowie der erschwerten Finanzierung von Produktionsanlagen und Solarprojekten analysierte die Bank Sarasin den internationalen Photovoltaikmarkt. Im Vorfeld der […]

Die mittlerweile zehnte Solarenergiestudie der Bank Sarasin wird in der Solarbranche mit Spannung erwartet, insbesondere in der Photovoltaik-Industrie. In einem Jahr, das gekennzeichnet ist von enormen Überkapazitäten, einem dramatischen Preisverfall bei Solarmodulen und einer eher verhaltenen Nachfrage sowie der erschwerten Finanzierung von Produktionsanlagen und Solarprojekten analysierte die Bank Sarasin den internationalen Photovoltaikmarkt.
Im Vorfeld der Veröffentlichung sprach der Solarserver mit Dr. Matthias Fawer, Nachhaltigkeitsanalyst bei der Bank Sarasin und Autor der Studie, über die Perspektiven der weltweiten Solarmärkte und die Entwicklung der Technologien.Herr Fawer, 2008 war für die Solarindustrie ein Rekordjahr, sowohl hinsichtlich der Photovoltaik-Produktion als auch der neu installierten Leistung. Doch nun hat sich der Markt fundamental geändert, nicht nur wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Welche Herausforderungen hat die Branche zu bewältigen?
Matthias Fawer: Der PV-Markt hat sich 2009 in einen Käufermarkt gewandelt. Die junge und aufstrebende Solarindustrie hat die Rezession und die Kreditkrise empfindlich zu spüren bekommen. So wurde der globale Solarmarkt in voller Fahrt auf ein Nullwachstum gebremst. Zeit also für die Solarunternehmen und ihre Manager, ihre Fähigkeiten und ihre Reife in stürmischen Gewässern unter Beweis zu stellen. Nun sind Kostenreduktion, Effizienzsteigerung und Ausbau der Vertriebskanäle gefordert.
Seit etwa einem Jahr ist der Preis von Solarmodulen um rund ein Drittel gesunken. Was sind die Gründe für diese Entwicklung und wird dieser Trend anhalten?
Matthias Fawer: Wegen den hohen Überkapazitäten und dem Nachfrageeinbruch sind die Preise seit Anfang des Jahres um 30 bis 40% gesunken. Zudem ist das Rohmaterial Polysilizium nun in genügenden Mengen und zu viel tieferen Preisen verfügbar. In den kommenden Monaten werden die Preise nicht mehr so drastisch fallen, aber so 10% pro Jahr werden sie auch zukünftig sinken.Welche Konsequenzen ergaben sich aus dem Preisverfall für die einzelnen Stufen der Photovoltaik-Wertschöpfungkette?
Matthias Fawer: Jede Stufe der PV-Produktion muss ihre Kosten senken und ihren Einkauf verbilligen. Gerade die vor kurzer Zeit noch hoch gelobten Langzeitverträge wurden für viele Europäischen Unternehmen zu Knebelverträgen, weil die Spotmarktpreise von Wafern und Zellen mittlerweile darunter liegen. In diesem kompetitiven Marktumfeld stehen die europäischen Solarhersteller unter enormem Konkurrenzdruck seitens der asiatischen Unternehmen. Chinesische Hersteller haben nicht nur bei den Lohnkosten, sondern vor allem bei den Siliziumpreisen, den Energiepreisen und den Finanzierungskosten (z.B. günstigere Kreditkonditionen) deutliche Vorteile.Neben der "klassischen", siliziumbasierten Photovoltaik hat in den letzten Jahren die Dünnschichttechnologie zunehmend Marktanteile gewonnen, die sowohl neue technische als auch wirtschaftliche Potenziale eröffnet. Wie wird sich der Dünnschichtmarkt unter den veränderten Bedingungen entwickeln?
Matthias Fawer: Entgegen unserer letztjährigen Einschätzung waren die Dünnschichttechnologien durch den Preiszerfall bei den siliziumbasierten Modulen sowie die Finanzkrise gleich doppelt betroffen. Die technischen Vorzüge haben zwar weiterhin Bestand, der Kostenvorteil hingegen ist geschrumpft. Damit kamen einige Geschäftsideen ins Wanken. Nominell sind mehr als 140 Unternehmen im Dünnschichtsektor tätig. Allerdings verfügt lediglich ein Bruchteil davon über einen etablierten Marktzugang. Durch zusätzliche Verzögerungen beim Hochfahren neuer Produktionslinien wächst der Dünnschichtanteil viel langsamer als erwartet. Anstatt der im letzten Jahr geschätzten 4,0 GW für 2010 wird nun mit lediglich 3,1 GW gerechnet. In diesem kompetitiven Umfeld können nur erfahrene und finanzstarke Dünnschichtunternehmen wie First Solar, Sharp und United Solar Ovonics weiter wachsen. Ihre Produktionslinien arbeiten mit vergleichsweise tiefen Kosten und können somit auch bei fallenden Preisen noch rentabel produzieren.Der Ausbau der Photovoltaik wurde in den letzten 12 Monaten weltweit durch Finanzierungsprobleme gebremst. Wie begegnen die Produzenten und die Systemintegratoren den höheren Anforderungen und welche Unternehmen werden sich durchsetzen?
First Solar ganz vorne, SolarWorld auf Platz zwei. 
Sunpower und Suntech Power tauschen ihre Plätze mit Q-Cells und REC

Matthias Fawer: Momentan scheint die Finanzierbarkeit ("Bankability") bei den PV-Unternehmen der kritische Flaschenhals zu sein. Zudem wird der Margendruck weiter bestehen bleiben. Nebst der eigentlichen Größe werden in Zukunft ein hohes technologisches Know-how, eine breite Vertriebsbasis sowie eine gesunde Finanzstruktur wichtige Erfolgsfaktoren sein. Das Dünnschichtunternehmen First Solar liegt dieses Jahr deutlich an der Spitze. SolarWorld liegt auf Platz zwei. Dahinter haben Sunpower und Suntech Power ihre Plätze mit Q-Cells und REC getauscht.
Noch ist die Photovoltaik auf staatliche Unterstützung angewiesen. Zahlreiche Länder fördern ihren Ausbau mit Einspeisetarifen oder unterstützen den Aufbau von Produktionskapazitäten mit Subventionen. Welche Märkte und Länder sind in dieser Hinsicht besonders attraktiv? Und wie lange wird die Photovoltaik auf Förderung angewiesen sein?
Matthias Fawer: Die Nachfrage ist in den vergangenen Jahren jeweils stark von einzelnen boomenden Märkten wie Japan, Spanien und Deutschland abhängig gewesen und wurde stets durch eine einschneidende Anpassung der Einspeisevergütung drastisch reduziert. Die Photovoltaik-(PV-)Industrie benötigt daher dringend zusätzliche Absatzmärkte. Bis 2020 erwarten wir einen Anstieg des globalen Marktvolumens auf 155 GW. Wir sehen vor allem ökonomische Argumente, die verstärkt für die Photovoltaik sprechen. Die Netzparität von PV-Kleinanlagen für den privaten Endkunden wird in den kommenden fünf Jahren in Italien, Hawaii, Portugal, Kalifornien, Spanien, Japan und Deutschland erreicht werden.
Im letzten Quartal zeichnet sich wieder eine Belebung des PV-Marktes ab. Ist das ein Signal für weiteres Wachstum, und welche mittel- und langfristigen Trends können Sie in der Solarwirtschaft erkennen? Welche Regionen und Länder werden den Ausbau der Photovoltaik besonders vorantreiben?
Matthias Fawer: Unser aktualisierter Länderattraktivitätsindex für 18 Länder zeigt, wo die Bedingungen in Zukunft ideal sein werden. Im Jahr 2010 werden bei Kleinanlagen bis 3 kW Griechenland, Italien, Japan und Deutschland die interessanten Märkte sein. Bei PV-Freiflächenanlagen über 1 MW sind vor allem Italien, Spanien und Südafrika sehr attraktiv. Bis 2011 werden mindestens zehn neue PV-Märkte mit einem jährlichen Volumen von über 500 MW entstehen und so – gemeinsam mit den Pioniermärkten – das lang ersehnte, regional breite Fundament für ein stabiles zukünftiges Wachstum bilden.
Herr Fawer, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch.
Für den Solarserver sprach Chefredakteur Rolf Hug mit Dr. Matthias Fawer
Die Sarasin-Studie "Solarwirtschaft – Grüne Erholung in Sicht", kann bestellt werden als Druckexemplar zum Stückpreis von CHF 150.–/EUR 100.–. 
Weitere Informationen: mailto:gabriela.pace@sarasin.ch.
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