Oberverwaltungsgericht NRW stellt Baugenehmigungspflicht für Photovoltaik-Anlagen bei Nutzungsänderung von Gebäuden fest, Auswirkungen in anderen Bundesländern noch unklar
Die bisherige Praxis ging auf dieser Grundlage davon aus, dass sowohl für Solarthermie-Anlagen als auch für Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden in aller Regel keine Anträge bei Baubehörden zu stellen sind. Das Oberverwaltungsgericht NRW sieht dies anders. Demnach erstreckt sich die Baugenehmigungsfreiheit nur auf die Photovoltaik-Anlage selbst, nicht jedoch auf die Nutzungsänderung des von der Anlage genutzten Gebäudes.
OVG: Gewerbliche Nutzung ist genehmigungspflichtig
Im Falle des gewerblichen Betriebs einer Solarstromanlage könne sich die Nutzung des Gebäudes ändern, so das Oberverwaltungsgericht in Münster. Im entschiedenen Fall war das Gebäude bisher landwirtschaftlich genutzt worden. Durch die Photovoltaik-Anlage sei eine gewerbliche Nutzung hinzugekommen. Dies stelle eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung des Gebäudes dar, so das OVG. Weil der Anlagenbetreiber aber keine Baugenehmigung beantragt hätte, sei die Nutzungsuntersagung der Baubehörde für die Photovoltaik-Anlage rechtens. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung als vergleichbare Nutzungsänderung ausdrücklich genannt, dass durch eine Solarenergieanlage eine gewerbliche Nutzung in ein reines Wohngebiet hineingetragen werde. Als genehmigungsfrei hat es lediglich solarthermische Anlagen und PV-Anlagen bezeichnet, die der Wärme- oder Stromversorgung des Gebäudes dienten, auf dem sie angebracht sind.
Dr. Thomas Binder erläutert die Auswirkungen der Entscheidung für bisherige oder künftige PV-Anlagenbetreiber
Unmittelbare Auswirkungen nur in NRW
Die Entscheidung hat unmittelbare Auswirkungen nur auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen, weil das Bauordnungsrecht Ländersache ist. Da sich die Regelungen zur Genehmigungsfreiheit für Photovoltaik-Anlagen in den einzelnen Landesbauordnungen jedoch ähneln, ist nicht ausgeschlossen, dass auch Baubehörden und Gerichte in anderen Bundesländern den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts NRW folgen.
Interpretation des Urteils im Sinne der Anlagenbetreiber steht an
Die ersten Reaktionen aus dem Bauministerium und Behörden in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass Photovoltaik-Anlagenbetreiber nicht kurzfristig mit einer Welle von Nutzungsuntersagungen rechnen müssen, sondern, dass versucht wird, durch eine anlagenbetreiberfreundliche Interpretation des Urteils oder eine Gesetzesänderung dafür zu sorgen, dass die Installation von Gebäude-Photovoltaikanlagen in Zukunft im Regelfall genehmigungsfrei bleibt.
Lösung auf behördlicher oder politischer Ebene gefragt
Wer bereits Anlagenbetreiber ist, dem ist zu empfehlen, die weitere Entwicklung abzuwarten. Erst in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob hier tatsächlich in einem größeren Umfang Nutzungsuntersagungen ausgesprochen werden, oder ob das Problem sich auf behördlicher oder politischer Ebene löst. Sollten Behörden tatsächlich Nutzungsuntersagungen aussprechen, so ist den betroffenen Anlagenbetreibern dringend zu raten, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und die Nutzungsuntersagung nicht zu akzeptieren.
Rechtsunsicherheit bei der Baubehörde ausräumen
Wer eine Photovoltaik-Anlage plant, dem ist zu empfehlen, rechtzeitig Kontakt zu seiner örtlichen Baubehörde zu suchen und die Frage der Baugenehmigungspflicht aktiv anzusprechen. Rechtsunsicherheiten können in vielen Fällen ausgeräumt werden, wenn die Behörde im Vorfeld grünes Licht gibt. Verweist die Behörde hingegen auf die Baugenehmigungspflicht, und ist eine Baugenehmigung nicht ohne Weiteres zu erlangen, so ist dem Anlagenbetreiber zu empfehlen, rechtlichen Rat einzuholen.
07.10.2010 | Quelle: Dr. Thomas Binder, Rechtsanwalt. http://www.pv-recht.de/ ; Foto: Beck Energy | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH