Verwaltungsgericht entscheidet: Solaranlage darf auf denkmalgeschütztes Haus in Zehlendorf

Das Denkmalschutzrecht steht dem Umweltschutz nicht grundsätzlich entgegen. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Berlin der Klage zweier Kläger stattgegeben, die nun auf ihrem denkmalgeschützten Haus eine solarthermische Anlage zur Brauchwassererwärmung errichten dürfen, berichtet die Berliner Senatsverwaltung für Justiz in einer Pressemitteilung. Das 1928 gebaute Haus der Kläger befindet sich in der Siedlung "Am Fischtalgrund" in Berlin-Zehlendorf.

Diese ist Teil einer im Rahmen der Ausstellung "Bauen und Wohnen" von 17 Architekten aus ganz Deutschland errichteten Versuchs- bzw. Mustersiedlung. Während die Häuser der benachbarten "Waldsiedlung" überwiegend mit flachen Dächern und glatten, grell bunten Außenwänden versehen sind, wurden die Gebäude der Siedlung "Am Fischtalgrund" schlichter gestaltet und mit spitz zulaufenden, ziegelgedeckten Satteldächern mit 45 Grad-Neigung ausgestattet. Die verschiedenen Dachformen waren Sinnbild für die unterschiedlichen Vorstellungen der jeweiligen Planer der Siedlungen. Die Kontroverse über die Dachformen ist unter dem Namen "Zehlendorfer Dächerkrieg" in die Architekturgeschichte eingegangen.

Gericht: Stärkung der erneuerbaren Energien hat besonderes Gewicht bei der Interessenabwägung
Die Denkmalbehörde hatte eine denkmalrechtliche Genehmigung für eine Solaranlage auf dem Dach mit der Begründung abgelehnt, die Installation würde auf Jahre zu einer erkennbaren Veränderung an der erhaltenswerten Originalsubstanz des Hauses führen. Das Fassadenbild mit seinen zeittypischen Einzelheiten gelte es unbeeinträchtigt zu bewahren. Zudem bestehe die Gefahr einer negativen Vorbildwirkung für die gesamte Siedlung.
Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts folgte dem nicht. Gründe des Denkmalschutzes stünden der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegen. Der Aspekt der Stärkung erneuerbarer Energien sei bei einer nach dem Denkmalschutzgesetz erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen und führe hier bei einer Gesamtbetrachtung zu einem Überwiegen der privaten Interessen an der Errichtung der Solaranlage. Im Rahmen der Abwägung komme es auf die Bedeutung und den Wert des denkmalgeschützten Gebäudes an, und insbesondere der Dachlandschaft, die konkrete Ausgestaltung sowohl der Dächer als auch der Solaranlage, deren Einsehbarkeit und schließlich deren ökologischen sowie ökonomischen Nutzen. Da die Solaranlage auf der – ohnehin schlecht einsehbaren – Gartenseite des Daches montiert werden solle, könne das Spitzdach nicht mit einem Blick zusammen mit den Flachdächern der Waldsiedlung erfasst werden; daher beeinträchtige die Anlage nicht den Zeugniswert der Dachlandschaft für den "Zehlendorfer Dächerkrieg".

Solaranlagen sind eher hinzunehmen als andere Dachaufbauten
Darüber hinaus sei die Einheitlichkeit der Dachgestaltung der übrigen Häuser zwischenzeitlich durch Aufbauten (Einzel- und Doppelgauben sowie Satellitenschüsseln und Fernsehantennen) weitgehend verloren gegangen. Schließlich führe der im Grundgesetz verankerte Umweltschutz dazu, dass Einschränkungen im Erscheinungsbild eines Denkmals unter dem Gesichtspunkt Energieeinsparung eher hinzunehmen seien. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Verwaltungsgericht die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.
Urteil der 16. Kammer vom 9. September 2010 – VG 16 K 26.10 herunterladen
Weitere Informationen über Denkmalschutz und Solaranlagen:
·       Denkmalintegrierte Solaranlagen: Kompromisse statt Kontroversen
·       Photovoltaik im Schatten des Denkmalschutzes

08.10.2010 | Quelle: Senatsverwaltung für Justiz, Berlin; Foto: Wikipedia; Clemens Franz | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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