EUROSOLAR kommentiert den Energiegipfel: (Noch?) Auf dem falschen Weg

Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU/CSU und FDP legten den Schwerpunkt bei der Energiewende auf Großprojekte der Energiemonopolisten (diese Bezeichnung habe auch der Bundesgerichtshof gewählt) - unter völliger Verkennung der Tatsache, dass eine kostengünstige und schnelle Energiewende nur dezentral erfolgen könne, kritisiert so Stephan Grüger, Mitglied des Vorstands der deutschen Sektion von EUROSOLAR e.V. in einer Pressemitteilung.

100% Erneuerbare auf Länderebene möglich

Dabei sei eine vollständige Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen in allen Flächenländern auf der Basis von Anlagen innerhalb der Grenzen des jeweiligen Landes problemlos möglich. Dies sei zum Beispiel in einer von EUROSOLAR herausgegebenen Studie in Bezug auf das Industrieland Hessen bereits im Jahr 2008 belegt worden.

Regionalplanung blockiert vor allem dieWindenergie
Das bisherige Hindernis für eine solche Entwicklung sei – insbesondere in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern – nicht die Finanzierung, sondern die "Verhinderungsplanung" der jeweiligen (bisherigen) Landesregierungen über die Regionalplanung und die Unterdrückung vor allem der Windenergie. Viele potenzielle, meist private Investoren und mittelständische Unternehmen suchten zurzeit in Deutschland händeringend nach Standorten für ihre Investition in erneuerbare Energien. Da dabei häufig Technologien aus deutschen, ebenfalls meist mittelständischen Unternehmen zum Einsatz kämen, sei diese Verhinderungs- und Unterdrückungspolitik doppelt wirtschafts- und mittelstandsfeindlich, betont EUROSOLAR.

Dezentrale Stromversorgung kann übertriebenen Stromtrassenausbau überflüssig machen
"Eine dezentrale energieautonome Stromversorgung in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern würde den von den Übertragungsnetzbetreibern verlangten absurd übertriebenen Stromtrassenausbau (Behauptung: 4.500 km, realistisch: 250 km) obsolet machen", so Grüger. Dadurch würden auch die erheblichen Netztransportverluste wegfallen (rund 10 % von Schleswig-Holstein bis Bayern). "Vor allem aber wäre eine dezentrale Stromversorgung volkswirtschaftlich günstiger als ein krampfhaftes Festhalten an zentralistischen Versorgungsstrukturen. Schließlich entfallen in diesem Falle nicht nur die erheblichen (Übertragungs-)Netzkosten, sondern auch die höheren Kosten für Offshore-Windstrom im Gegensatz zu Onshore-Windstrom (z. B. aus deutschen Mittelgebirgen)."

Großkraftwerke passen nicht in den technisch notwendigen erneuerbaren Energiemix
Teurer würde die Energiewende nicht nur durch die Fokussierung auf Offshore-Windkraft, sondern auch durch das Festhalten am Neubau von großen Kohlekraftwerken, betont EUROSOLAR. Diese seien nicht regelbar und passten damit nicht in den technisch notwendigen erneuerbaren Energiemix. Entweder verdränge der Kohlestrom den aus erneuerbaren Energien gewonnen Strom aus dem Netz und behindere damit massiv den Ausbau der erneuerbaren Energien oder die Kohlekraftwerke stünden häufig still oder müssten weit unterhalb ihres Optimums laufen (siehe auch Gutachten "Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung" des Sachverständigenrats für Umweltfragen)
"Wir sollten es gar nicht so weit kommen lassen, auszutesten, wer sich in diesem Konfliktfall dann durchsetzt. So oder so käme es zu volkswirtschaftlich nicht vertretbaren Fehlinvestitionen. Dies gilt im Übrigen auch für die weder technisch ausgereifte noch wegen ihrer möglicherweise erheblich nachteiligen Folgen für Mensch und Umwelt und den damit verbundenen möglichen weiteren volkswirtschaftlichen Schäden nicht tragbare CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage, Kohlendioxidverpressung unter die Erde)", warnt Grüger.

Verwirrspiel um die Kosten der Energiewende
Darüber hinaus betreibe die Bundesregierung ein Verwirrspiel um die angeblichen Kosten der Energiewende. Hierbei würden – zudem übertriebene – Vollkosten auf der Basis der heutigen technischen Anlagen zur Umwandlung von erneuerbaren Energien gegen die – gleichzeitig untertriebenen – aktuellen Energiepreise gegengerechnet. Ganz so, als würden die Preise für erneuerbare Energien nicht weiter sinken und die Preise für fossile und atomare Energien nicht weiter steigen. Tatsächlich sei es aber bereits heute schon so, dass der Windstrom an der Strombörse EEX häufig preisdämpfend wirkt (Merit-Order-Effekt).

Preise für EE-Strom kontinuierlich gefallen
Während der Einkaufspreis für Strom an der EEX in den letzten zehn Jahren um rund 60% gestiegen ist, sind die Preise für EE-Strom kontinuierlich gefallen. "Diese Entwicklungen werden sich fortsetzen. Ohne Energiewende wird der Strompreis 2030 sogar höher liegen als mit Energiewende – und bei Aufrechterhaltung der Monopolstrukturen höher als bei einer dezentralen mittelständischen Energiewende", erläutert Grüger.

Dezentrale Wende zur Energieautonomie
"Wir erwarten von der Bundesregierung und von den sie tragenden Parteien, dass sie sich aus der Babylonischen Gefangenschaft der Energiemonopolisten befreit. Wir erwarten einen wirtschafts- und mittelstandsfreundlichen Kurs zu einer dezentralen Energiewende im Sinne des pragmatischen Konzepts der Energieautonomie. Nur so kann die Energiewende schnell, kostengünstig und ohne volkswirtschaftliche Verwerfungen umgesetzt werden. Nur eine solche Strategie garantiert Versorgungssicherheit und stabile und bezahlbare Energiepreise auch über das Jahr 2030 hinaus. Jede weitere Verzögerung verursacht weitere volkswirtschaftliche Schäden", fasst Grüger zusammen.
Link zur Studie: Der Weg zum Energieland Hessen – Das Ziel: 100% erneuerbare Energien im Strommarkt in Hessen bis 2025

18.04.2011 | Quelle: Stephan Grüger, Mitglied des Vorstands der deutschen Sektion von EUROSOLAR e.V. | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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