Umweltverbände: Atomgipfel bleibt hinter Notwendigkeiten zurück; Lackmustest für den Atomausstieg steht noch aus

Dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) reichen die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zur Energiepolitik vom 15.04.2011 nicht. Ein neues Atomgesetz mit lediglich verkürzten Restlaufzeiten werde der nach Fukushima anstehenden Aufgabe eines sofortigen Atomausstiegs nicht gerecht, so der BUND in einer Pressemitteilung.

BUND: Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien und deutlich mehr Effizienz können alle Atomkraftwerke in Deutschland sehr schnell ersetzen
"Bedenkenträger und Verzögerer beim Ausbau erneuerbarer Energien wie Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle haben noch immer das Sagen", kommentiert der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Statt die Energiewende zu beschleunigen spielten sie auf Zeit und verwiesen auf vorgebliche Netzausbau-Probleme und langwierige Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien.
"Eine Energiewende im Schneckentempo reicht nicht, um sich von der riskanten Atomkraft zu verabschieden", sagte Weiger. Auf keinen Fall dürften die Bundesregierung und die Länder-Ministerpräsidenten dem Druck der AKW-Betreiber für ein Weiterlaufen der Atommeiler nachgeben.
Mit der Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und deutlich mehr Effizienz im Energiesektor ließen sich laut BUND alle Atomkraftwerke in Deutschland sehr schnell ersetzen. Vier Fünftel der Bevölkerung in Deutschland wollten eine deutliche Beschleunigung des Atomausstiegs und würden dafür den Bau neuer Windparks und Stromtrassen akzeptieren", sagte Weiger und nahm dabei Bezug auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid.

Deutsche Umwelthilfe: Der Lackmustest für den Atomausstieg steht noch aus
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die grundsätzliche Verständigung von Bund und Ländern auf einen möglichst zügigen Atomausstieg begrüßt und gleichzeitig davor gewarnt, die "von interessierter Seite forcierte unseriöse Kostendebatte als Handbremse gegen die Umsetzung einer umfassenden Energiewende einzusetzen".
 

Der seit der Jahrtausendwende bereits erfolgte dynamische Einstieg in das neue Energiesystem beruhe ganz überwiegend auf der Mobilisierung privater Investitionen vor allem im Mittelstand und nicht auf der Belastung der öffentlichen Etats. So müsse es im Grundsatz bleiben. Die Belastung der Stromverbraucher geschehe dabei bisher mit deren weit überwiegender Zustimmung.

 

DUH-Bundesgeschäftsführer Baake: Die Menschen sind bereit, für den Ausstieg aus dem latenten Katastrophenrisiko moderat höhere Kosten zu tragen

"Die Unterstützung der Bevölkerung für die Energiewende ist auf Rekordwerte gewachsen, seit sich in Fukushima die verheerenden Risiken der Atomenergie erneut auf dramatische Weise realisiert haben. Die Menschen sind bereit, für den Ausstieg aus dem latenten Katastrophenrisiko moderat höhere Kosten zu tragen. Mittel- und langfristig wird ein regeneratives Energiesystem dem bestehenden in jeder Hinsicht überlegen sein", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.

Vorrangig komme es darauf an, das bestehende Energiesystem auf allen Ebenen auf die Besonderheiten der Erneuerbaren Energien abzustimmen und bestehende Hemmnisse etwa im Planungsrecht abzubauen, um den Umbau des Energiesystems zu beschleunigen. Für den Ausstieg aus der Atomenergie müssten vor dem Ende des Moratoriums klare Gesetze verabschiedet werden, die verhindern, dass die derzeit abgeschalteten Altmeiler wieder ans Netz gehen. Die Sicherheit der neueren, ebenfalls schon über 20 Jahre alten Atomkraftwerke müsse auf Basis des aktualisierten kerntechnischen Regelwerks und im Licht der Fukushima-Katastrophe neubewertet werden. Ziel sei es auch diese Anlagen entlang ihrer relativen Sicherheit so zügig wie es die Versorgungssicherheit zulässt abzuschalten. Dies ist nach Auffassung der DUH bis spätestens 2017 definitiv möglich.

"Wir nehmen das Einschwenken der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Union auf die in der Bevölkerung seit Jahrzehnten mehrheitlich gewünschte Ausstiegslinie zur Kenntnis. Dass dafür eine Großkatastrophe in Japan geschehen musste, halten wir für ein massives Politikversagen. Vor allem aber gilt: Der Lackmustest steht noch aus, wir werden darauf achten, dass aus Absichtserklärungen reale Politik wird", erklärte Baake.

 

DUH: EEG-Novelle zur Beschleunigung der Energiewende nutzen

Zum Lackmustest gehöre auch, inwieweit die Bundesregierung die anstehende Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zur Beschleunigung der Energiewende nutze. Das Ausbauziel für 2020 müsse auf einen Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung von 45 Prozent angehoben und die dafür erforderlichen Maßnahmen im EEG verankert werden. Ein wichtiger Bestandteil der Transformation des Energiesystems müsse die Anpassung des übrigen Kraftwerkparks sein. 

 

NABU fordert Ausbaupflicht der Bundesländer für erneuerbare Energien

"Aus Fukushima lernen heißt vor allem: Energie sparen! Doch ausgerechnet hier agiert die Regierung bestenfalls halbherzig", kommentiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke die Beratungen zur Energiewende von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten. "Mit einem Stromeffizienzfonds, gesetzlichen Verpflichtungen und Steueranreizen für private Investitionen kann Deutschland die Atomkraftwerke zügig wegsparen", betont Tschimpke. 

Die erneuerbaren Energien müssten vor allem auf regionaler Ebene konsequenter als bisher und möglichst naturverträglich ausgebaut werden. "Jedes Bundesland sollte verpflichtet werden, einen fairen Anteil an den nationalen Zielen für die Erzeugung von Ökostrom zu übernehmen", fordert Tschimpke. "Dazu braucht es sicher keine zusätzlichen Steuermilliarden, sondern vor allem verlässliche Rahmenbedingungen auch im jeweiligen Landesrecht und in der Regionalplanung." Nun seien insbesondere diejenigen Bundesländer gefordert, die die Energiewende bislang politisch blockiert und etwa Windräder weitgehend ausgesperrt hätten.

 
18.04.2011 | Quelle: BUND, DUH, NABU | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen