Photovoltaik in Ontario: Erfolgsrezept „Made in Germany“
1909 wurde nahe des Porcupine Lake in der kanadischen Provinz Ontario Gold gefunden – der darauffolgende Goldrausch war einer der ergiebigsten Nordamerikas. Ein Jahrhundert später herrscht in Ontario fast schon wieder Goldgräberstimmung.
Der Grund dafür sind die Einspeisetarife des Green Energy Act (GEA), mit denen die Provinzregierung attraktive Bedingungen für die Erzeugung und Einspeisung von Solarstrom geschaffen hat. Das ruft auch viele deutsche Unternehmer auf den Plan.
Welche Leistungen bieten Sie mit Ontario Solar Provider?
Christian Wentzel: OSP teilt sich in zwei Geschäftssparten: Die Installation von PV-Aufdachanlagen (10 kW bis 4 MW) und die Entwicklung von großen Solarparks (5 MW bis 10 MW) in Ontario, Kanada. OSP versteht sich als Turnkey-Anbieter von Aufdach-Solaranlagen, wir übernehmen alle Prozessschritte von der Genehmigung über das Design und den Einkauf bis hin zu Bau und Anschluss der Anlagen. Im Bereich der Freilandanlagen konzentrieren wir uns auf den Entwicklungsprozess und bereiten Projekte baureif für Investoren auf.
Warum haben Sie sich ausgerechnet in Ontario selbstständig gemacht?
Wentzel: Sebastian und ich kennen uns seit unserer gemeinsamen Schulzeit in München. Danach sind wir zunächst getrennte Wege gegangen, ich habe ein Studium an der Columbia Universität in New York absolviert und habe danach an der Wall Street gearbeitet, im Bereich Energy Financing für den nordamerikanischen Markt. Allerdings hat mir der Öl- und Gas-Sektor nicht gefallen, ich wollte lieber in einem Bereich arbeiten, der moralisch und ethisch besser zu vertreten ist. Sebastian hat mich dann auf den Solarmarkt in Deutschland aufmerksam gemacht. Als wir dann sondiert haben, welche anderen interessanten Solarmärkte in Frage kommen, fiel unser Augenmerk auf Ontario. Ich fand Kanada schon immer klasse und hatte auch vom Studium her noch viele Freunde dort. Letztlich war Ontario deutlich interessanter für uns als beispielsweise Italien. In Ontario sind die Menschen neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen. Es ist sehr einfach, mit Kanadiern Geschäfte zu machen, auch wenn sie diesbezüglich etwas konservativer als Amerikaner sind.
Sebastian Seyfarth: Wie gesagt, wir haben uns auch andere Regionen und Länder wie Italien oder Griechenland angesehen, aber Ontario bietet aus Sicht des Länderrisikos einfach deutlich bessere Bedingungen. Deshalb haben wir uns entschieden, nach Ontario zu gehen.
Wentzel: Der Vorteil an Ontario ist, dass bereits hohe Kompetenzen im herstellenden Gewerbe vorhanden sind. Mit OSP bauen wir jetzt weitere Kompetenzen auf. Einerseits bringen wir Leute aus Deutschland mit der nötigen Erfahrung und Kompetenz nach Ontario, andererseits stellen wir kanadische Absolventen ein, die frisch von der Uni kommen. Das Ausbildungsniveau ist hier sehr hoch.
Wie viele Mitarbeiter hat OSP?
Wentzel: Wir haben im Moment zehn Festangestellte, vor allem für die Bereiche Entwicklung, Sales und Projektmanagement. Für das Installationsgeschäft beschäftigen wir Subunternehmer aus der Region, beispielsweise Elektriker und Handwerker.
Hat das mit der Domestic Content-Regelung des GEA zu tun? Ein gewisser Teil der Wertschöpfung muss demnach aus Ontario stammen.
Seyfarth: Eigentlich nicht, wir sind ja eine Ontario Incorporated, außerdem sind wir alle ganz offiziell „Ontario Residents“. Wir haben darauf geachtet, dass alles einen Ontario-Bezug hat. Das Ontario Ministry of Economic Development and Trade hat uns sehr dabei geholfen, die „Residency“ zu erhalten.
Gab es Startschwierigkeiten?
Seyfarth: Am Anfang war es natürlich schwierig, Kunden zu bekommen. Bei Solaranlagen geht es schnell um Investitionen von mehr als einer Million kanadischer Dollar. Wir müssen deshalb äußerst effizient arbeiten, damit wir bessere Preise als unsere Wettbewerber anbieten können. Und natürlich müssen wir mit hoher Qualität überzeugen.Der deutsche Hersteller ist seit mehr als zwei Jahren auf dem kanadischen Markt aktiv und erfüllt die seit 2011 geforderten Bedingungen der Regierung in Ontario in Sachen "Local Content".
Foto: DEGERenergie
Wie kamen Ihre ersten Geschäfte zustande?
Wentzel: Wir haben Hunderte große Firmen kontaktiert und hatten 20 bis 30 mehrstündige Gespräche. Zwar mussten wir im Gegensatz zu Deutschland bei unseren Ausführungen im Solarbereich auf einem ganz niedrigen Level anfangen, dafür waren unsere Gesprächspartner sehr interessiert.
Google Maps hat auch eine wichtige Rolle gespielt, nicht wahr?
Wentzel: Ja, das stimmt. Wir haben mit Hilfe von Google Maps in der Greater Toronto Area nach Firmen mit großen Dächern gesucht, diese direkt angeschrieben und ihnen Präsentationen geschickt. Anfangs haben wir 40 E-Mails pro Tag verschickt, auf die wir zwei oder drei Antworten bekamen. Das Ganze hat sich langsam entwickelt – manche schreiben jetzt erst zurück.
Ist es eigentlich von Vorteil, dass Sie aus Deutschland stammen?
Wentzel: „Made in Germany“ wird in Kanada hoch geschätzt, und dieses Gütesiegel nutzen wir natürlich auch – allerdings in Verbindung mit dem „Canadian Craftsmanship“. Schließlich bietet Kanada und speziell Ontario gute Kapazitäten im Verarbeitungs- und Metallsektor sowie gute Ausbildungsmöglichkeiten. Mit „Made in Germany“ allein kommt man allerdings auch nicht weiter. Man muss Zeitplan und Prozesse im Griff haben und qualitativ hochwertige Produkte liefern. Bei anderen Firmen verschieben sich die Deadlines teilweise um Monate. Wir haben uns vorgenommen, das zu liefern, was wir versprechen – und zwar pünktlich. Dadurch haben wir uns schon hier vom Wettbewerb abgehoben. Wir haben auch einfach mehr Erfahrung im Solargeschäft und können Probleme schneller voraussehen und bewältigen.
Seyfarth: Außerdem haben viele Einwohner Ontarios deutsche Wurzeln, mit denen sie sich auch identifizieren. Vor allem im Westen Ontarios gibt es viele Deutschstämmige in erster oder zweiter Generation.
Die attraktive Einspeisevergütung macht auch kleinere Photovoltaik-Aufdachanlagen in Ontario interessant.
Foto: Pure energies
Welcher Ertrag lässt sich mit einer Solaranlage in Ontario erwirtschaften?
Seyfarth: Die Einspeisevergütung hier ist noch sehr hoch, zwischen 44 und 81 Cent, und das bei Einstrahlungswerten, die 20 bis 30 Prozent über dem Niveau von Bayern liegen. Wir befinden uns hier auf der Höhe von Italien, allerdings mit niedrigeren Temperaturen. Eine 250 kW-Anlage kostet rund 860.000 Euro (1,2 Millionen kanadische Dollar) und erwirtschaftet mehr als 20 Prozent Eigenkapitalrendite pro Jahr. Das schlägt eine vergleichbare Anlage in Deutschland trotz der höheren Kosten durch den Domestic Content.
Wentzel: Aber letztlich ist der finanzielle Ertrag nicht allein ausschlaggebend. Schließlich können Unternehmen mit einer entsprechenden Solaranlage ihren CO2-Ausstoß verringern und dadurch aktiv zum Umweltschutz beitragen – ganz abgesehen vom Imagegewinn, den ein solches Engagement bringt.
Wie lange dauert der gesamte Prozess?
Seyfarth: Nehmen wir als Beispiel eine kleine 12 kW-Anlage in Toronto. Für die Planung benötigen wir eine Woche, eine weitere Woche, bis die Finanzierung geklärt ist. Die Genehmigungsverfahren bei der Ontario Power Authority dauern rund vier Monate, der eigentliche Aufbau der Anlage ist in etwa zwei Tagen erledigt.
Wentzel: Ein anderes Beispiel ist eine 250 kW-Aufdachanlage. Hier rechnen wir mit rund acht bis zehn Monaten, bis die Bau- und Netzeinspeise-Genehmigungen erteilt sind. Für Bau und Anschluss benötigen wir dann, abhängig vom Projekt, vier bis sechs Wochen.
Wie viele Anlagen mit welcher Gesamtleistung haben Sie bisher realisiert?
Seyfarth: Wir haben bis jetzt mehr als 350 Dachanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 10.000 kW installiert, allerdings vorrangig in Deutschland. In Ontario haben wir ungefähr zehn Anlagen gebaut und angeschlossen, weitere 40 bis 50 Anlagen mit rund 10.000 kW Leistung sind in Planung oder im Genehmigungsverfahren. Im Freilandbereich sind mehr als 80 MW in der Entwicklung – Tendenz steigend.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Wentzel: Toronto ist eine tolle Stadt, es macht wahnsinnig viel Spaß, hier zu leben. Deshalb ist und bleibt Toronto unsere Firmenzentrale. Wenn sich Einspeisegesetze in anderen Provinzen oder in den USA positiv entwickeln, werden wir expandieren. Toronto liegt sehr zentral in Nordamerika und gefällt allen unseren Mitarbeitern, egal ob Deutsche oder Kanadier. Unsere Kapazitäten und Mitarbeiter bauen wir jedoch hier vor Ort auf. Wie es mit dem GEA und den Einspeisetarifen weitergeht, hängt auch von den Wahlen zum Provinzparlament im Oktober ab.
Wie ist Ihre Einschätzung?
Wentzel: Das ist schwer zu sagen, die Stimmung wechselt immer wieder. Mal ist eine Mehrheit dafür, dann wieder dagegen. Ontario hatte bereits vier bis fünf ähnliche Green Energy-Programme, die allesamt ganz unterschiedliche Resultate gebracht haben. Es wird auf jeden Fall hier weitergehen, selbst wenn sich bei den Wahlen die Gegner des GEA durchsetzen. Es ist schwer, etwas zu stoppen, was bereits so gut angelaufen ist.
Seyfarth: Darüber hinaus steht in Sarnia, Ontario, die weltgrößte Freiland-Solaranlage mit 96 MW. Der GEA ist außerdem so konzipiert, dass man trotzdem noch die nächsten drei bis vier Jahre Anlagen installieren kann und diese Einspeisetarife bekommen kann, selbst wenn sie demnächst gesenkt werden sollten.
Wentzel: Man muss der Provinzregierung zu ihrer Weitsicht gratulieren, dass das Programm nicht von einem Jahr aufs andere abgeschafft wird, sondern dass es Laufzeiten von drei Jahren gibt. Das gibt uns auch die Sicherheit, länger zu bleiben, weiter zu investieren und mehr Leute einzustellen.
Wie ist denn die Resonanz auf den GEA und den Einspeisetarif?
Seyfarth: Die Resonanz ist überwältigend, die Kanadier sind sehr aufgeschlossen und haben sowohl den GEA als auch den Einspeisetarif sehr schnell angenommen.
Wentzel: Man kann das vielleicht mit Deutschland im Jahr 2000 vergleichen. Allerdings dauern hier alle Prozesse noch etwas länger als erwartet. Die Energieversorger vor Ort wissen noch nicht, wie sie Schritt für Schritt vorgehen sollen, sie sind noch mit sehr viel Aufbauarbeit beschäftigt, beispielsweise effizienten Prozessen. Eigentlich ist die Resonanz fast zu positiv: Uns wäre es lieber, wenn die Ontario Power Authority nicht so viele Anfragen erhielte – dann hätte sie mehr Zeit für unsere Projekte.
Andererseits gibt es aus dem Ausland Kritik am GEA, speziell an der Domestic Content-Klausel. Es wurde sogar schon eine Klage bei der WTO eingereicht. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Wentzel: 60 Prozent der Wertschöpfung muss in Ontario stattfinden. Das hat uns am Anfang auch nicht gepasst, aber im Endeffekt sind es faire Regeln. Die Provinzregierung hat ein klasse Programm mit äußerst attraktiven Einspeisetarifen aufgestellt. Dass man vor Ort Kapazitäten aufbauen muss, ist letztlich auch eine große Chance für Unternehmen, den Schritt in den nordamerikanischen Markt zu wagen. Nehmen wir beispielsweise das Design für das Unterkonstruktionssystem, das wir aus Deutschland herübergeholt haben. Ohne die Domestic Content-Regel hätte der Hersteller diesen Schritt wahrscheinlich nie gewagt. Jetzt wird das System hier vor Ort gefertigt, mit dem Ziel, es in ganz Nordamerika zu vertreiben. Der Domestic Content setzt einen unter Druck, in Ontario tätig zu werden und dann voll ins Geschäft einzusteigen. Wir sind sehr interessiert an weiteren deutschen Partnern, die in Nordamerika Fuß fassen wollen. Das ist doch eine große Chance.
Die Domestic Content-Regel motiviert auch deutsche Unternehmen, den Schritt in den nordamerikanischen Markt zu wagen.
Foto: Solardach in Ontario. Quelle: PhotowattWie stark ist denn das Umweltbewusstsein in Kanada ausgeprägt?
Wentzel: Im Vergleich zu Deutschland sind natürlich die meisten Länder nicht „grün“. Dieser Vergleich hinkt also, aber im Vergleich zu den USA ist das Umweltbewusstsein viel stärker ausgeprägt. Man muss bedenken, dass Kanada mit Wasser und Öl sehr starke Energie-Ressourcen besitzt, sprich: es besteht gar keine Notwendigkeit, besonders energiesparend zu haushalten. Energie lässt sich hier so billig herstellen, dennoch hat jeder Haushalt Recycling-Tonnen, außerdem gibt es Smart Metering und Pfandsysteme. Aus den USA kenne ich das in dieser Form nicht. Kalifornien war gezwungen, eine grüne Wende einzuläuten – Ontario hingegen macht das freiwillig.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Solarsektors in Ontario?
Wentzel: Das ist wegen der anstehenden Wahlen schwer einzuschätzen. Dennoch könnte Ontario in diesem Jahr zur Nummer eins im Solarbereich in Nordamerika aufsteigen, noch vor Kalifornien. Fakt ist: Es entsteht viel Kompetenz vor Ort.
Seyfarth: Es ist hier ein Markt entstanden, die Industrie wird effizienter, die Preise günstiger. Immer mehr Modulproduktionen werden aufgebaut, der Markt kann sich selbst halten und wird immer effizienter. Dadurch lassen sich die Subventionen absenken. Das Ziel ist es, den Preis erneuerbarer Energien an den von konventionellen Energien anzupassen. Das Fundament dafür wurde gelegt.
Wentzel: Ein Unternehmen, das international im Bereich erneuerbare Energien agiert, sich aber Ontario nicht richtig angesehen hat, um dort eventuell eine Zweigstelle aufzumachen, hat meiner Meinung nach seine Hausaufgaben nicht richtig gemacht. Eine Firma, die bereits in vier oder fünf Ländern aktiv ist, sollte sich Ontario anschauen. Die politische Komponente ist zwar noch sehr stark, aber wenn es hier so weitergeht, könnte das ein sehr großer Solarmarkt werden.
Mit welchen Zuliefer-Unternehmen arbeiten Sie zusammen?
Wentzel: Wir arbeiten mit diversen europäischen und kanadischen Zulieferern zusammen. In Deutschland ist das natürlich ein komplett entwickelter Markt, hier sehen wir jedoch noch einige Lücken in der Wertschöpfungskette. Wir holen aktiv deutsche Unternehmen, die best-in-class sind, nach Ontario, zum Beispiel im Unterkonstruktionsbereich für Flachdächer. Dadurch schaffen wir hier Arbeitsplätze und setzen ein in Deutschland bewährtes System hier ein.
Sie steuern also aktiv Ihr eigenes Netzwerk?
Seyfarth: Wir bieten deutschen Unternehmen Vorteile, die andere ihnen nicht bieten können, beispielsweise durch die gemeinsame Muttersprache und eine Außenstelle in Deutschland. Außerdem haben wir den Prozess, wie man ins Land kommt, bereits durchgemacht, und beraten Firmen diesbezüglich oder nehmen es ihnen ganz ab.
Wentzel: Unsere Vorgehensweise ist einfach: Gibt es ein Produkt in Ontario nicht, dafür aber ein Spitzenprodukt aus Deutschland, dann schreiben wir die Firma an und fragen, ob sie mit uns zusammen arbeiten wollen.
Sie haben das Ministry of Economic Development and Trade bereits erwähnt. Wie lief die Zusammenarbeit?
Wentzel: Das Ministerium war uns gegenüber sehr aufgeschlossen. In kurzer Zeit lieferten sie uns rund 40 detaillierte Vorschläge für Lager- und Fabrikhallen. Das war alles super gemanagt. Dann brauchten wir noch Visa für unsere deutschen Mitarbeiter. Innerhalb einer Woche hatten wir ein Meeting mit einem Vertreter des Ministeriums, der uns klar sagte, dass wir hier Arbeitsplätze schaffen und sie uns dabei helfen, Kompetenz aus Deutschland zu importieren. Die Visa erhielten wir dann im Handumdrehen. Bei Problemen wurden wir super unterstützt.
Das Interview führte die Communication Consultants GmbH Engel & Heinz (Stuttgart) für den Solarserver.