ZDF-Magazin „Frontal21“: Regierungskoalitionsfraktionen wollen politischen Einfluss auf Sachverständigenrat für Umweltfragen nehmen; Expertengremium wehrt sich

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin will den bisher unabhängigen Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) offenbar unter ihren politischen Einfluss bringen.

Das geht aus einem internen Papier der Koalitionsfraktionen hervor, das dem ZDF-Magazin "Frontal21" vorliegt. Die Initiatoren fordern den Posten eines Direktors beim SRU, eine Position, die es bisher noch nicht gab. Das ZDF berichtet am 06.12.2011 um 21.00 Uhr.

SRU soll in den (personal-)politischen Einfluss- und Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen gebracht werden
"Hierdurch soll der SRU dauerhaft in den (personal-)politischen Einfluss- und Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen gebracht werden", zitiert Frontal21 aus dem Papier weiter. Danach sei das Vorhaben zwischen dem umweltpolitischen Sprecher der FDP, Michael Kauch, und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Konsens besprochen worden.

SRU-Vorsitzender Prof. Martin Faulstich: "Nur wegen seiner parteipolitischen Unabhängigkeit konnte der SRU unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation ‚unbequeme Wahrheiten‘ aussprechen"
Der SRU sieht hingegen keinen Bedarf für eine neue Direktorenstelle. In einem persönlichen Brief appelliert der Vorsitzende des SRU, Prof. Martin Faulstich, an Umweltminister Röttgen, die Unabhängigkeit der Regierungsberater zu sichern. In dem Schreiben, das "Frontal21" ebenfalls vorliege, heißt es: "Nur wegen seiner parteipolitischen Unabhängigkeit konnte der SRU unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation ‚unbequeme Wahrheiten‘ aussprechen."

Sachverständige unbequem für Schwarz-Gelb und Rot-Grün
Der SRU berät die Bundesregierung seit Jahren vor allem zur Umwelt- und Energiepolitik. Seine Ratsmitglieder werden vom Kabinett berufen. Der Einrichtungserlass verbrieft die Unabhängigkeit des Rates. So forderten die Sachverständigen lange vor der Katastrophe von Fukushima einen schnelleren Atomausstieg und kritisierten die schwarz-gelben Regierungspläne zur Laufzeitverlängerung von Reaktoren. Schon im Jahr 2000 hatte der Rat auch die so genannte Öko-Steuerreform von Rot-Grün kritisiert.

FDP-Sprecher Kauch verweist auf methodische Schwächen; Umweltminister Röttgen betont politische Unabhängigkeit des SRU
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Kauch rechtfertigte gegenüber dem ZDF-Magazin den neuen Direktorenposten beim SRU. Es sei sinnvoll, die Geschäftsstelle "akademisch aufzuwerten", weil es "immer wieder Kritik an methodischen Schwächen der Arbeit des Sachverständigenrates gegeben" habe.
Umweltminister Röttgen teilte "Frontal21" hingegen mit: "Es hat keinerlei Absprache oder Zustimmung des Ministers zu einer politischen Einflussnahme auf die Zusammensetzung des SRU gegeben." Röttgen weiter: "Für mich ist die politische Unabhängigkeit des SRU wesentlich und eine Grundvoraussetzung für seine Arbeit."

Haushaltsausschuss des Bundestages schafft zusätzliche Planstelle für einen Direktor
Tatsächlich habe der Haushaltsausschuss des Bundestages am 11. November 2011 in einer so genannten Bereinigungssitzung eine neue Planstelle für einen Direktor beim Sachverständigenrat geschaffen, ohne die Geschäftsstelle des SRU zu informieren, berichtet Frontal 21. Die Grundbesoldung liege bei mehr als 6.000 Euro im Monat.

06.12.2011 | Quelle: ZDF | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH

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