Internationales Energieforum zeigt Möglichkeiten der Integration von Photovoltaik und Solarthermie in die Gebäudehülle
von Julia Winter
Beim 6. Internationalen Energieforum in Brixen (Südtirol, Italien) informierten sich Anfang Dezember 2011 rund 250 Architekten, Planer, Ingenieure, Wissenschaftler, Fassadenbauer sowie Vertreter der Solar- und Glasindustrie über Möglichkeiten der Integration von Technik zur Nutzung erneuerbarer Energien in die Gebäudehülle. Im Mittepunkt stand die Gebäudeintegration von Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen. Das Economic Forum (München) hatte zum 6. Mal zum Energieforum eingeladen.Mehr als 40 Fachleute aus der ganzen Welt stellten neueste Entwicklungen und Forschungsergebnisse vor. Die Spezialisten für die Integration von Solartechnik wollen den Energieverbrauch von Gebäuden minimieren und ein qualitativ hochwertiges, gesundes Wohnumfeld für die Bewohner schaffen, ohne dabei die Kosten aus den Augen zu verlieren.
Besonders anschaulich wurde dies am Beispiel einiger Gebäude aus dem Wettbewerb "Solar Decathlon" des US-Energieministeriums. In diesen Solar-Häusern ersetzen multifunktionale Elemente herkömmliche Baumaterialien. Sie nutzen Photovoltaik zur Stromerzeugung und solarthermische Anlagen zum Heizen und Kühlen. Damit sind sie in mehrfacher Hinsicht sinnvolle Alternativen zum herkömmlichen Hausbau. Der aktuelle Solar-Report präsentiert eine Auswahl der vorbildlichen Lösungen.
Brixen auf dem Weg zur Solar-StadtDass die Konferenz in Brixen stattfand, war kein Zufall. Die Südtiroler Gemeinde ist auf dem Weg, eine „Solarstadt“ zu werden, betonte auch Bürgermeister Albert Pürgstaller in seiner Rede: „Brixen soll Vorbild für andere italienische Städte werden". Mit der derzeit installierten Photovoltaik-Leistung können laut Pürgstaller jährlich 450.000 Kilowattstunden Solarstrom erzeugt und damit 125 Brixener Haushalte versorgt werden.
Brixen habe dank seiner günstigen geografischen Lage und der hohen Sonneneinstrahlung optimale Voraussetzungen, um die Solarenergie zu nutzen. In Zusammenarbeit mit den Stadtwerken soll die Solartechnologie in Forschung, Ausbildung, Stadtplanung und öffentlicher Verwaltung genutzt und gefördert werden.
Gebäudehüllen nach dem Vorbild der Natur
Die Konferenz hat gezeigt, dass viele Architekten und Öko-Planer verschiedene Facetten der Natur zum Vorbild nehmen. James Law, Inhaber des gleichnamigen „Cybertecture“-Büros in Hongkong, will mit seinen futuristisch anmutenden Gebäuden dasselbe leisten, was die „phantastische, intelligente Fassade unseres Planeten Erde“ mit der Kraft der Sonne schafft.
Aber auch im Kleinen orientiert sich Law an der Natur: Blätter, die Sonnenlicht mittels Photosynthese in Energie umwandeln, oder Funktionen der menschlichen Haut sollen beim Hausbau nachgeahmt werden.
Ein Gebäude als Ökosystem: „Technosphere“ verbindet Solarthermie, Photovoltaik und solare ArchitekturDerzeit baut Law in Dubai das größte kugelförmige Gebäude der Welt, das durch seine Ästhetik und nachhaltige Bauweise gleichermaßen besticht. Die mehrfach preisgekrönte „Technosphere“ wird durch ein äußeres Skelett getragen und ermöglicht durch ihre Form den größten nutzbaren Raum bei kleinster Oberfläche.
Die Kugel ist ein in sich geschlossenes Ökosystem. Eine ringförmig gebäudeintegrierte Photovoltaik-Anlage (Building Integrated Photovoltaics, BIPV) auf der Oberfläche versorgt die Biosphäre mit Solarstrom. Der integrierte Parkplatz ist mit einer Solarthermie-Anlage aus insgesamt 6.660 Quadratmetern Flach- und Vakuumröhren-Kollektoren überdacht. Ein intelligentes Beleuchtungssystem verstärkt das Tageslicht und sorgt dafür, dass im Inneren der Kugel so wenig Kunstlicht wie möglich benötigt wird. Die Fassade ist so gestaltet, dass sie Erwärmung und Kühlung ausgleichen kann und bei Bedarf auch Sonnenschutz gewährt.Ein weiteres architektonisches Highlight von Law ist das „Cybertecture Egg“ in Mumbai (Indien). Ähnlich der Technosphere braucht es weniger Material für die Oberfläche als quaderförmige Gebäude und kommt – nach dem Vorbild der Natur – ohne rechte Winkel aus. Die Innenbeleuchtung wird anhand von Wetterdaten gesteuert. Mehrere Solarmodul-Flächen bedecken die Oberfläche des eiförmigen Gebäudes.
Gebäudeintegrierte Photovoltaik ist günstiger als gedacht
Bei derart großen Bauprojekten, aber auch beim Bau gewöhnlicher Häuser, stellt sich immer wieder die Frage nach den Kosten. Die Berechnungen der Referenten belegen durchweg, dass sich Investitionen in gebäudeintegrierte Photovoltaik in doppelter Hinsicht rechnen können: Zum einen können Photovoltaik-Elemente in der Gebäudehülle andere – oft fast ebenso teure – Materialien ersetzen, mit denen die Fassade gebaut oder das Dach eingedeckt werden müsste. BIPV kann aus diesem Grund unter dem Strich kostengünstiger sein als nicht-gebäudeintegrierte Solarstromanlagen.
Zum anderen müssen sowohl die Baukosten als auch die Lebenszykluskosten (life cycle costs) von Gebäuden betrachtet werden. Bei herkömmlichen Häusern sind die Betriebskosten oft höher als die Baukosten. Deshalb sollten sie bei der Planung unbedingt einkalkuliert werden. Mit derartigen Kostenrechnungen befasst sich ein Forschungsprojekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Karoline Fath stellte am Beispiel einer Schule in Dresden die Kosten für eine herkömmliche Renovierung und für die Sanierung einschließlich einer Photovoltaik-Fassade gegenüber. In den Vergleich der Lebenszykluskosten wurden auch der solare Energieertrag und die dadurch eingesparten CO2-Emissionen einbezogen.
Seinen Simulationen und Musterkalkulationen legt das KIT unterschiedliche Zelltypen und Modulgrößen zu Grunde sowie die unterschiedlichen Solarstrom-Einspeisevergütungen, z.B. in Deutschland, Frankreich und Italien. Für das Schulgebäude wurden Strahlungsdaten von Dresden herangezogen, jedoch ohne die Verschattung zu berücksichtigen. Den Material- und Installationskosten stellt das KIT die Einsparungen anderer Baumaterialien gegenüber. Die Berechnungen ergaben, dass sich fassadenintegrierte Photovoltaik mit CIGS-Dünnschichtmodulen aufgrund der hohen Vergütungssätze für gebäudeintegrierte PV-Anlagen in Frankreich und Italien am meisten lohnt.
„Auf diese Weise kann beispielsweise für jedes Vorhaben auch die ideale Modulgröße ermittelt werden. Außerdem liefert die Simulation eine gute Entscheidungsgrundlage für Investoren“, sagt Karoline Fath. Es handle sich jedoch noch um ein Forschungsprojekt, die Modellierungs-Software werde noch nicht verkauft.
Architekten und Modulhersteller müssen besser kommunizieren
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, das richtige Solarmodul auszuwählen. Die meisten Architekten würden sich viel zu wenig mit Photovoltaik-Modulen auskennen, falsch planen und dadurch die Kosten in die Höhe treiben, waren sich die Referenten einig. Würden sie preisgünstige Module in Standard-Größen für die gebäudeintegrierte Photovoltaik einplanen, könnten enorme Kosten eingespart werden. Dies setze allerdings voraus, dass die Architekten viel mehr mit den Modulherstellern kommunizieren und sie bereits bei der Planung einbeziehen.
Johann Koinegg von PV Products GmbH (Österreich) kritisierte, dass gebäudeintegrierte Photovoltaik beim Bau oder der Renovierung eines Gebäudes oft erst viel zu spät berücksichtigt werde. Dann sei es oft unmöglich, günstige Massenprodukte zu verwenden. Nur wegen ein paar Zentimetern Unterschied müssten dann teure Sonderanfertigungen verwendet werden, die sich von den billigeren Modulen nicht einmal optisch unterscheiden.
Plusenergiehäuser im Solar Decathlon kombinieren Solarstrom und Solarwärme
Die Integration von Photovoltaik in die Gebäudehülle gehört zumindest für die Teilnehmer der Konferenz zum Standard zeitgemäßer nachhaltiger Architektur. Dass und wie jedoch auch die Abwärme der Module zur Warmwasserbereitung genutzt werden kann und welche anderen Möglichkeiten der regenerativen Wärmeerzeugung an und in Gebäuden umgesetzt werden können, zeigten einige Beispiele von Plusenergiehäusern, die im Rahmen des „Solar Decathlon“ entstanden sind.
Der Energietechnik-Wettbewerb wurde 2002 zum ersten Mal vom US-Energieministerium ausgelobt. Studententeams aus der ganzen Welt waren aufgerufen, ein Haus zu entwerfen und zu bauen, dessen Energiebedarf allein durch Sonnenenergie gedeckt wird. Seit 2008 gibt es den europäischen Ableger des Wettbewerbs, und ab 2013 wird auch China einen „solaren Zehnkampf“ austragen.
Zu den Disziplinen gehören neben Architektur und technischer Umsetzung unter anderem auch Marktstrategien, Energiebilanz und Warmwasserbereitung. In der letztgenannten Disziplin soll gezeigt werden, dass das gesamte Warmwasser für ein Gebäude solarthermisch erzeugt werden kann.
"Solar Homestead" mit Kollektor- und Speicherwand sowie Vakuum-RöhrenkollektorenDas „Solar Homestead“ ist ein solches Plusenergiehaus, mit dem die Appalachian State University (Boone, NC, USA) am Solar Decathlon 2011 teilnahm. Das Team ließ sich von der Architektur der ersten Siedler der Blue Ridge Mountains inspirieren. James Russell stellte das Haus auf der Konferenz vor.
Der Schwerpunkt liegt hier klar auf solarthermischen Lösungen: Eine semi-transparente Trombe-Wand auf der Südseite des Gebäudes ist in der Lage, viel Sonnenwärme zu speichern und dennoch genügend Tageslicht durchzulassen. Sie besteht aus schwarzen, sich drehenden Aluminiumröhren, die mit einem Phasenwechselmaterial (phase change material, PCM) gefüllt sind, und ist für unterschiedliche Einstrahlungswinkel geeignet. Außerdem kann sie als vertikale Jalousie eingesetzt werden.Ein eigens entwickelter Latentwärmespeicher kann auf wenig Raum rund 55 Megajoule (rund 15,2 Kilowattstunden) Wärmeenergie speichern. Dazu sind 207 Kilogramm PCM notwendig. Im Test erreichte der Wärmetauscher eine Austauschrate von 58,6 Kilowatt. Eine besondere Wandkonstruktion mit Glasfaserdämmung verhindert Wärmebrücken.
Das aus Vakuum-Röhrenkollektoren bestehende „Solar Thermal Skylight“ versorgt die Nassräume des Hauses mit Warmwasser und dient gleichzeitig als Oberlicht für die fensterlosen Räume.
Besonders stolz ist Russell darauf, dass die Haustechnik kompakt und quasi unsichtbar ist. Im Vergleich zu einem herkömmlich gebauten Haus sei das Solar Homestead durchaus erschwinglich. Wie in den vorangegangenen Beispielen wurden auch hier Dachziegel durch Photovoltaik-Module ersetzt. Das Haus soll nicht verkauft werden, sondern den Studenten weiterhin zu Forschungszwecken dienen.
„Living Light“: Intelligente Fassade heizt und kühlt mit Luft
Auch das „Living Light“-Haus wurde für den Solar Decathlon entwickelt. Das Team des College of Architecture & Design der University of Tennessee (Knoxville, USA) legte bei der Planung großen Wert auf Transparenz. Großflächige Glasfassaden versorgen das Gebäude mit Tageslicht und verbinden es mit der natürlichen Umgebung. Abwechselnd durchsichtige und matte Streifen sorgen für die Privatsphäre und gewähren dennoch Ausblicke.Das Heizen und Kühlen des Hauses erfolgt über die Nord- und Südfassade, deren Doppel-Verglasungen mit Jalousien ausgestattet sind. Je nach Jahreszeit wird die Luft zwischen den Glasscheiben entweder auf der Südseite erwärmt, ins Innere geleitet und über die Nordfassade wieder nach außen transportiert, oder umgekehrt: Im Sommer wird kühlere Luft von der Nordseite nach innen und über die Südfassade wieder nach außen befördert. Die Richtungsbestimmung der Luftströme sowie die Positionierung der Jalousien erfolgt computergesteuert.
Kühlung von Solarmodulen steigert Wärmegewinne im Gebäude
Dieses Modellhaus des Solar Decathlon nutzt wie auch weitere Gebäude zusätzlich die Abwärme von Photovoltaik-Modulen, indem Kühlwasser entlang der Rückseite der Module geführt und das erwärmte Wasser weiter genutzt wird. Besonders auffällig geschieht dies bei dem französischen Entwurf, den Stéphanie Decker in einer Poster-Session erläuterte: Hier lenkt ein Parabolspiegel auf dem Dach das Sonnenlicht auf ein Band von Photovoltaik-Modulen. Auf deren Rückseite erwärmt sich das Kühlwasser, das anschließend weiterverwertet wird.
Solares Bauen soll selbstverständlich werdenAlle Studenten, die am Solar Decathlon teilgenommen haben, dienen als Multiplikatoren und tragen ihr Know-how weiter in die Architekturbüros, in denen sie anschließend arbeiten. Auf diese Weise sowie durch ihre Nutzung von Social Media soll die Idee des solaren Bauens verbreitet und im Laufe der Zeit immer selbstverständlicher werden.
Das war auch Ziel der Konferenz in Brixen. Nun müssten nur noch die Endverbraucher einsehen, dass sich derartige Investitionen lohnen: „Für die Verbreitung von Solarfassaden sind Architekten, Elektro- und Heizungsinstallateure sowie Fassadenbauer gefragt, denn der Bauherr verlässt sich auf deren Entscheidung. Nur wenn zufriedene Hauseigentümer ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergeben, können Solarfassaden eine Eigendynamik entwickeln“, unterstreicht der Veranstalter der Konferenz, Andreas Karweger vom Economic Forum.
Die Konferenzdokumentation kann auf der Internetseite des Energy Forum bestellt werden: http://www.energy-forum.com/conference-proceedings.html
Das nächste Energieforum findet am 06./07.12.2012 statt.