Solar-Interview mit Michael Harre (LG Electronics/Solar) zur Konsolidierung der Photovoltaik-Branche

Michael Harre, Vizepräsident der der EU-Solargruppe bei LG Electronics spricht im Solarserver-Interview über den Wandel der Photovoltaik-Industrie, die Förderpolitik und Schutzzölle. Außerdem gibt Harre Auskunft über die Wachstumsstrategie von LG Solar, die Rentabilität von Solarstromanlagen und neue Hochleistungsmodule. Herr Harre, nicht nur die deutsche Photovoltaik-Branche befindet sich im Umbruch. Weltweit agierende Unternehmen gerieten in finanzielle […]

Michael Harre, Vizepräsident der der EU-Solargruppe bei LG Electronics spricht im Solarserver-Interview über den Wandel der Photovoltaik-Industrie, die Förderpolitik und Schutzzölle.
Außerdem gibt Harre Auskunft über die Wachstumsstrategie von LG Solar, die Rentabilität von Solarstromanlagen und neue Hochleistungsmodule.
Herr Harre, nicht nur die deutsche Photovoltaik-Branche befindet sich im Umbruch. Weltweit agierende Unternehmen gerieten in finanzielle Bedrängnis oder kündigten gar den Ausstieg aus der Photovoltaik an. Aus welchen Gründen setzt LG dennoch auf den Ausbau der Geschäftseinheit Solar?
In der Solarbranche passen derzeit Angebot und Nachfrage nicht zusammen. Viele Hersteller mit alten Produktionslinien haben ein Überangebot erzeugt und sich damit finanziell übernommen. Unsere älteste Produktionslinie ist gerade einmal zwei Jahre alt und arbeitet sehr effizient – das macht uns im Vergleich zum Wettbewerb sehr wendig. Wir haben faktisch den Vorteil, keinerlei Altlasten mitschleppen zu müssen. Ein weiterer Pluspunkt, den wir haben: LG Electronics generiert seine Umsätze nicht ausschließlich in der Photovoltaik-Branche – der Geschäftszweig Solar steht auf einem wirtschaftlich soliden Fundament.

Entgegen dem allgemeinen Trend will ihr Unternehmen die Fertigungskapazitäten trotz der aktuellen Überkapazitäten ausbauen, warum?

Wir sind nach wie vor fest davon überzeugt, dass Solarenergie eine wichtige und nachhaltige Komponente für die künftige globale Stromversorgung darstellt. Hersteller sollten jedoch darauf achten, sich nicht weiter mit Überproduktionen zu übernehmen. Unser Fokus liegt auf einem gesunden und kontinuierlichen Wachstum – darum planen wir unser angestrebtes Ziel, die Jahreskapazität auf 1.000 Megawatt auszuweiten, bis 2015 Schritt für Schritt umzusetzen.
Wir bauen jedoch keine „me too“-Produktionslinien auf, sondern entwickeln unsere Produktionslinien selbst. Dabei muss jede neue Linie gegenüber den bisherigen noch einmal deutliche Verbesserungen aufweisen, wie beispielsweise unsere neue LG Mono X NeoN Linie, die den Leistung noch einmal um 30-40 Wp pro Modul erhöht hat und die wir im ersten Quartal 2013 planmäßig in Betrieb genommen haben.

Wie beurteilen Sie den deutschen Solarmarkt angesichts der politischen Auseinandersetzungen um die Energiewende und der sinkenden PV-Förderung?

Die staatlichen Zulagen für Solarstrom werden ja bereits seit ein paar Jahren – manchmal kontinuierlich, manchmal abrupt – zurückgefahren. Momentan liegt die Einspeisevergütung bei 15,92 Cent für jede eingespeiste Kilowattstunde. Da wir mittlerweile für Privatkunden nahezu Netzparität erreicht haben, sprich die Stromkosten mittlerweile die der Einspeisevergütung in vielen Regionen übersteigen, macht es für Verbraucher zunehmend Sinn, ihren Eigenverbrauch zu steigern, da hier noch riesige Einsparpotenziale vorhanden sind.
Dennoch ist das EEG noch für eine Übergangszeit, also bis zur Erreichung der 52 Gigawatt Peak (GWp) Gesamtleistung, wichtig. Wünschenswert wäre es, das jetzige Modell mit dem atmenden Deckel beizubehalten und nicht vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahlen immer wieder neu in Frage zu stellen. Die politischen Eingriffe haben ja nicht zu einer Marktstabilisierung geführt, sondern eher das Gegenteil bewirkt. Die Ankündigungen haben zu riesigen Vorzieh- und Überhitzungseffekten geführt mit dem Ergebnis, dass das Installationsvolumen die Planungen der Bundesregierung übertroffen hat.

Lohnt sich die Investition in eine Solarstromanlage in Deutschland noch?

Das ist eine Frage, die gerade durch die letzte Kürzung des EEGs immer wieder aufkommt. Wir haben diese Frage deshalb Ende vergangenen Jahres einem unabhängigen Finanz- und Anlageexperten der YPOS Consulting weitergegeben und objektiv bewerten lassen. Das Ergebnis hat sogar uns erstaunt: Trotz der erneuten Kürzung des EEGs können Besitzer einer Solaranlage mit einer Leistung von vier Kilowatt Peak – also einer Anlage für eine vierköpfige Familie – unter plausiblen Durchschnittsannahmen bis zu sechs Prozent Rendite erzielen. Das ist deutlich mehr als die aktuelle Inflationsrate in Deutschland von circa 2,1Prozent und auch deutlich mehr als andere relativ risikolose Geldanlagen. Ich kann diese Frage daher eindeutig bejahen.
PV-Anlagen sind wertsteigernd, vorausgesetzt, man kann sich auf die Qualität und Garantien der PV-Anlage und PV-Module verlassen. Dies wird bei LG – im Gegensatz zu vielen angeschlagenen PV-Herstellern – von Endkunden nicht in Frage gestellt.

2012 hat der PV-Weltmarkt aufgrund niedrigerer Preise ein Rekordvolumen von rund 31 GW erreicht. Im laufenden Jahr erwarten Marktforscher sogar bis zu 34,5 GW – aber nicht unbedingt ein Wachstum in den traditionellen Märkten. Wo befindet sich die Photovoltaik auf Wachstumskurs, und wo wird gebremst? Welche weiteren Trends sind auf dem Weltmarkt zu erkennen?

Wir sehen vor allem sehr großes Wachstum in Asien – allen voran China und Japan, Nordamerika (primär USA und Kanada) sowie Regionen wie Australien, Südafrika und Teile von Südamerika. Dagegen wird der europäische Markt voraussichtlich auf ein Niveau von unter 10 GWp zurückfallen, was etwa 60 Prozent unter dem Niveau des europäischen Marktes im Jahr 2010 sein wird. Der rückläufige Absatz im europäischen Markt resultiert in erster Linie aus dem Einbruch beim Verkauf von Großanlagen. Bei diesen erfüllen die erzielbaren Renditen aufgrund der vorrangig in Italien und Deutschland drastischen Förderungskürzungen nicht mehr die Erwartungen der Investoren. Insgesamt ist es sicherlich zu begrüßen, dass sich die Last des globalen PV-Weltmarkts inzwischen auf mehreren Schultern verteilt. 2010 machten Deutschland und Italien alleine rund 70 Prozent des Weltmarktes aus. Für Europa erwarten wir, dass der Absatz 2013 und 2014 unter 10 GWp bleibt und der Markt dann vor allem wegen der Netzparität wieder deutlich wachsen wird.

Ist Ihr Unternehmen von den möglichen und kontrovers diskutierten Schutzzöllen betroffen?

Bei LG Electronics sehen wir der Debatte um Schutzzölle für chinesische Solarmodule gelassen entgegen, da wir unsere Zellen und Module in Korea produzieren und auch kein Preis-Dumping betreiben. Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass sich Märkte am besten selbst regulieren. Restriktionen bringen oft Nachteile für den Verbraucher, der sich frei entscheiden können sollte, ob er auf ein günstiges Produkt oder lieber gleich auf eine hochwertige Solaranlage setzt, von der er auch in 25 Jahren noch profitiert. Wir beobachten, dass mehr und mehr Kunden auf LG-Module setzen, weil sie LG und unserem Markenversprechen vertrauen.

Seit Anfang des Monats wird das Hochleistungsmodul Mono X NeoN ausgeliefert. Für welche Einsatzbereiche und Märkte ist es gedacht?

Mit Mono X NeoN sprechen wir primär Privathaushalte an, da Großanlagen nach der letzten Kürzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für Investoren in finanzieller Hinsicht weitestgehend uninteressant geworden sind. Das Modul zeichnet sich nicht nur durch eine Design-orientierte Hochglanzoptik aus, es ist mit 280 bis 300 Watt auch enorm leistungsfähig. Hinzu kommen die kompakten Maße, das vergleichsweise geringe Gewicht, ein MC4-Steckverbinder sowie die extreme Widerstandsfähigkeit bis zu 5.400 Pa Druckbelastung – Attribute, die vor allem Installateure begeistern dürften.

Solarstrom-Speicher zählen zu den wichtigsten Branchentrends. Was plant LG Solar?

Mit LG Chem betreibt LG Electronics einen Geschäftszweig, der in der Akku-Forschung eine führende Position inne hat und mit seinen Produkten bereits bei namhaften Herstellern aus der Automobilindustrie vertreten ist. Diese Expertise nutzen wir und planen, ab 2014 Akku-basierte Solarsysteme anzubieten, die die Nutzung des Sonnenstroms noch flexibler gestalten. So werden Haushalte auch dann mit Energie versorgt, wenn nur wenig oder keine Sonne scheint. Wir bedienen damit nicht nur einen zentralen Markttreiber, wir sorgen auch dafür, dass sich Verbraucher von den rasant steigenden Stromkosten und der weiteren Entwicklung des Energiemarktsein ein Stück weit unabhängig machen können.

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