Neue Studie: Genossenschaftsmodelle beleben die Energiewende
Danach sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren die Berücksichtigung individueller Interessenlagen vor Ort, vorausschauende Strukturen sowie eine transparente und offene Kommunikation.
So können Genossenschaftsmodelle gerade vor dem Hintergrund sich verändernder regulatorischer und politischer Rahmenbedingungen nachhaltig dazu beitragen, Bürger, Energieversorger und Kommunen wieder näher zusammenzubringen, um Projekte für erneuerbare Energie gemeinsam zu finanzieren und erfolgreich umzusetzen.
Bürgerbeteiligung kann Interessen aller Parteien vereinen
Während über das Ziel der Energiewende deutschlandweit große Einigkeit herrscht, ist der Weg dorthin noch mit einer Vielzahl von Konflikten geebnet – vor allem auch im Hinblick auf die Finanzierung eines ökologisch nachhaltigen Energiesystems. Hinzu kommen beispielsweise steigende Strompreise, regulatorische Barrieren, Einschnitte in das Landschaftsbild und weitreichende Auswirkungen auf Fauna und Flora.
"Genossenschaftliche Bürgerbeteiligungen an Stadtwerken stellen eine neue attraktive Möglichkeit dar, die Energiewende gemeinsam anzugehen und die Interessen aller Parteien zu vereinen", fasst Alexandra Sausmekat, Studienautorin und Partner bei Baker Tilly Roelfs, das zentrale Ergebnis der Studie zusammen.
So sind in diesem Jahr umfangreiche relevante steuerliche und rechtliche Neuerungen in Kraft getreten, wobei Genossenschaftsmodelle im Zeichen der Energiewende eine spürbare Renaissance erfahren hätten.
Kommunen und Genossenschaften diskutieren über Beteiligungen an Stadtwerken
Waren es zunächst einzelne Projekte zur Nutzung der erneuerbaren Energien, die Energieversorger und Bürger gemeinsam aufgesetzt haben, diskutieren zurzeit immer mehr Kommunen und Genossenschaften über gemeinsame Beteiligungsmodelle an kommunalen Energieversorgern.
"Erste Praxisbeispiele in Jena und Wolfhagen zeigen, dass dies kein theoretisches Konstrukt, sondern ein Erfolg versprechendes Finanzierungs- und Geschäftsmodell für alle Beteiligten sein kann", so Sausmekat. "Wie solche Genossenschaftsmodelle aufgesetzt werden müssen, damit sie erfolgreich sind und so die Energiewende nachhaltig beleben können, haben wir in unserer Studie untersucht."
Erfolgsfaktoren: individuell, vorausschauend und transparent
Im Fokus der Beteiligungsmodelle sollte stets die individuelle Interessenlage vor Ort stehen. Die Übertragung bestehender Modelle ist laut Studie in der Regel nicht eins zu eins umsetzbar, da die Strukturen und Betätigungsfelder der Stadtwerke sehr verschieden sind. Theoretische Basismodelle müssten daher immer flexibel auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Neue Herausforderungen entstehen, wenn sich – wie in jüngster Vergangenheit geschehen – die regulatorischen Rahmenbedingungen ändern. Dabei muss insbesondere den Änderungen im Bereich der Streubesitzdividende und das Kapitalanlagegesetzbuch entsprochen werden.
Das Bewusstsein für die Herausforderung Genossenschaftsmodell sollte bei allen Beteiligten rechtzeitig geschärft werden und das Projekt von Anfang an sehr genau strukturiert werden, raten die Autoren der Studie. Implementierung und Umsetzung stellten hohe Anforderungen vor allem auch an die Kommunikation. Bei allen Beteiligten sollte volle Transparenz stets gewährleisten sein.
"Zusammenfassend kann man sagen, dass bei der Konstruktion und der Kommunikation solcher Modelle sowohl lokal unterschiedliche Bürgerinteressen als auch betriebswirtschaftliche, politische, rechtliche und steuerliche Aspekte zu beachten sind, um den Mehrwert für Bürger, Energieversorger und Kommunen zu maximieren", so Sausmekat.
Vorteile für Kommunen, Energieversorger und Bürger
"Genossenschaften bieten Bürgern die Chance, selbst Gesellschafter oder gar Initiator von Projekten im Bereich der Erneuerbaren Energien zu werden. Bürger gewinnen an Einfluss, was sich unter anderem in einer stärkeren Kundenorientierung der Stadtwerke niederschlägt. Zudem erbringt die Genossenschaft Leistungen für ihre Mitglieder und stellt diese langfristig günstig – beispielsweise über Sondertarife – zur Verfügung", erklärt Eric Christian Meyer, Geschäftsführer des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster. "Als positiver Nebeneffekt steigt zudem die Akzeptanz von Projekten, wenn die Bürger sich selbst engagieren und die Projekte mit initiieren."
"Für den Erfolg von Bürgergenossenschaften sind politische Rahmenbedingungen erforderlich, die es der Idee einer echten unternehmerischen Bürgerbeteiligung gestatten, ihr Potenzial zu entfalten. Das gilt für alle politischen Entscheidungsebenen vom Stadtrat über die Parlamente in Berlin bis zum Europaparlament und betrifft sowohl das politische Selbstverständnis der Entscheidungsträger als auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen", sagt Ralf W. Barkey, Vorstandsvorsitzender des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes e. V. "Es ist an der Zeit, unternehmerische Bürgerbeteiligung in Form von Genossenschaften zu fördern. Wenn wir von Bürgerbeteiligung reden, sollten wir auch Bürgerbeteiligung ermöglichen, nicht nur politisch, sondern auch konkret wirtschaftlich. Das heißt loslassen und Verantwortung übergeben. Dafür sind Genossenschaften ein sehr geeignetes Instrument."
Neben Baker Tilly Roelfs, dem Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband, dem Institut für Genossenschaftswesen der Westfälische Wilhelms-Universität Münster und der Beteiligungsgesellschaft Stadt Solingen mbH waren die regionalen Energieversorger Troisdorf, Solingen, Emsdetten, Gronau und Iserlohn an der Ausarbeitung der Studie beteiligt.
Weitere Informationen zur Studie unter: www.bakertilly.de
07.11.2013 | Quelle: Baker Tilly Roelfs | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH