Interview mit Oliver Hummel: Regionale Märkte ermöglichen
Solarthemen: Mit der EEG-Novelle hat sich auch das System der Grünstromvermarktung verändert. So wurde das Grünstrom-Privileg abgeschafft, auf das auch die Naturstrom AG gesetzt hatte. Wie hat das Unternehmen das verkraftet?
Oliver Hummel: Wir müssen hier zwischen inhaltlichen und wirtschaftlichen Aspekten unterscheiden. Uns ging es vor allem um die Inhalte. Das Modell hat es uns ermöglicht, aus kleinen dezentralen Anlagen in Deutschland Strom an Endkunden zu liefern. Energiewirtschaftlich ist das absolut sinnvoll und aus Kundensicht eigentlich sehr naheliegend. Das Gegenstück dazu ist, Grünstrom lediglich auf dem Papier über irgendwelche Zertifikate aus dem Ausland zu liefern – das bringt aus unserer Sicht nichts. Insofern ist es inhaltlich schon sehr bedauerlich, dass das Grünstromprivileg gestrichen wurde. Wirtschaftlich betrachtet ist das anders: Das Modell hat uns im laufenden Jahr keine höheren Margen gebracht, verglichen beispielsweise mit Ökostrom, den man mit direkten Lieferverträgen aus Wasserkraftwerken in Deutschland und Österreich bekommen kann. Auf diesem Weg beschaffen wir übrigens seit August einen Großteil unseres Stroms. Ein reines Umetikettieren von grauem Strom mithilfe von Zertifikaten ist für uns natürlich nach wie vor tabu. Den Strom für unsere Kunden beschaffen wir daher wie bisher über direkte Verträge mit den Erzeugern, weit überwiegend aus Deutschland.
Nun war der Effekt des Grünstromprivilegs ja vor allem, dass die EEG-Umlage um 2 Cent abgesenkt wurde. War das tatsächlich so ausschlaggebend, die regionale Vermarktung aufgeben zu müssen?
Die 2 Cent haben uns genau die Ersparnis gebracht, die nötig war, um die höheren Kosten im Stromeinkauf bei EEG-Anlagen tragen zu können. Es ist ja klar, wenn ich dem Betreiber einer EEG-Anlage den Strom abkaufe, dann muss ich ihm wenigstens eine Summe in Höhe der EEG-Vergütung zahlen, damit er die Anlage wirtschaftlich betreiben kann. Aber um das machen zu können, brauche ich auf der anderen Seite eine Entlastung – und das waren die 2 Cent. Ohne die geht es nicht. Es sei denn, Sie würden Ihren Kunden diesen Betrag auf den Strompreis aufschlagen können. Aber das scheint offenbar nicht möglich zu sein. Genau, das geht nicht. Wir haben derzeit einen wettbewerbsfähigen Preis, sind häufig ein wenig günstiger als der Grundversorgungstarif und recht genau auf einer Höhe mit anderen ernstzunehmenden Ökostromanbietern. Die Erfahrung zeigt: Wenn wir uns mit unserem Preis völlig vom Marktgeschehen entkoppeln würden, wir also deutlich teurer als die Konkurrenz wären, dann würden wir keine nennenswerte Zahl an Kunden gewinnen oder halten können. Der Kern der überzeugtesten zehn- oder zwanzigtausend ist zwar ohne Frage enorm wichtig. Aber um im Sinne der Energiewende etwas bewegen zu können – auch mit Blick auf unsere Neuanlagenförderung – müssen wir auch die große Masse derer mitnehmen, die etwas für die Energiewende tun will, ohne direkt zu den Vorreitern zu gehören.
Nun sind sie umgeschwenkt auf die so genannte Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell. Diesem Modell hat der Bundestag zugestimmt, es also demokratisch legitimiert. Und Sie verdienen sogar ein wenig mehr als mit dem Grünstromprivileg. Ist damit nicht alles prima?
Nun sind wir nicht wirklich umgeschwenkt, denn auch das Marktprämienmodell nutzen wir schon seit 2012. Aber das hat nichts mit der Belieferung von Endkunden zu tun. Es ist ein reines Großhandelsgeschäft, denn der über dieses Modell gehandelte Strom verliert seine Öko-Eigenschaft. Allerdings sind das Wissen und die Systeme, die man dafür braucht, ähnlich wie beim Grünstromprivileg. Deswegen konnten wir beides als separate Geschäftsfelder gut entwickeln. Das eine Geschäftsfeld hat man uns nun sozusagen gestrichen, das andere gibt es weiterhin. Aus ökonomischer Sicht könnte man nun sagen: Kein Problem, das Grünstromprivileg hat uns ohnehin keine höhere Marge gebracht. Aber es geht uns nicht nur um das Ökonomische, sondern wir wollen die Energiewende voranbringen. Und dazu gehört für uns auch, dass der Kunde die Möglichkeit hat zu sagen: Mein Strom kommt im Idealfall aus der Region, mindestens von deutschen Anlagen und nicht nur über irgendwelche Zertifikate aus dem Ausland.
Doch wo können Sie derzeit den Strom für Ihr Produkt einkaufen, wenn Sie nicht auf Zertifikate setzen wollen?
Es ändert sich nichts daran, dass wir weiterhin einen großen Teil des Stroms aus Deutschland und den Rest aus Österreich beziehen. Aber die Zusammensetzung der Anlagen in Deutschland wandelt sich. Jetzt kaufen wir den Strom zum großen Teil von Wasserkraftwerken am Inn. Vorher haben wir auch schon Strom dort bezogen, aber auch aus rund 200 dezentralen Anlagen, insbesondere vielen Windkraftanlagen. Die fallen nun leider nach Ende des Grünstromprivilegs weg.
Nun haben Sie zusammen mit den Elektrizitätswerken Schönau, Greenpeace Energy und Clean Energy Sourcing einen Vorschlag für ein Vermarktungsmodell von Grünstrom gemacht, welches dem Grünstromprivileg nachfolgen könnte. Was ist Ihnen daran besonders wichtig?
Das Hauptziel ist, wieder die Möglichkeit zu schaffen, Endkunden mit Ökostrom aus deutschen EEG-Anlagen zu beliefern und gleichzeitig wie beim Grünstromprivileg eine Verbindung von Ökostrom-Erzeugung und -Bedarf herzustellen. Dazu soll es einen Anreiz für die Stromhändler geben, das schwankende Angebot aus Wind und Sonne und die Nachfrage der Kunden aufeinander abzustimmen. Eine von uns so bezeichnete Integrationsabgabe soll das sicherstellen: Wer diese Integration nicht hinbekommt, muss für die entsprechenden Kilowattstunden draufzahlen. Eine weitere wichtige Bedingung von dem Modell ist, dass es gegenüber den bestehenden Vermarktungsoptionen zu keinen Mehrkosten führt.
Das Bundesenergieministerium wurde mit der EEG-Novelle ermächtigt, eine Verordnung zur regionalen Vermarktung von Grünstrom zu erlassen. Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass es überhaupt zu so einer Verordnung kommt und diese auch den von Ihnen erwünschten Kriterien entspricht?
Derzeit bin ich relativ hoffnungsvoll, nachdem es zwischendurch anders ausgesehen hatte. Mittlerweile befürwortet eine immer größer werdende Zahl an Unternehmen und Verbänden, dass es solch ein Modell geben sollte, und bringt sich in den Diskussionsprozess ein. Daraus ergibt sich sehr sinnvolles Feedback, in welche Richtung unser Vorschlag noch verfeinert werden kann. Langsam bildet sich auf diesem Weg eine Art Konsens heraus, von daher bin ich optimistisch.
Ein wichtiger Aspekt im Rahmen der laufenden Diskussion ist die Vereinbarkeit mit europäischem Recht. Das Bundeswirtschaftsministerium ist in diesem Punkt sehr sensibel.
Ich glaube auch hier, dass wir zu einem für alle Seiten befriedigenden Ergebnis kommen können. Aber was passiert, wenn es nun doch nicht zu einer solchen Verordnung kommen sollte? Wirtschaftlich würde uns das überhaupt nicht beeinträchtigen. Es wäre aber inhaltlich sehr schade und wir müssten auf die nächste EEG-Novelle warten. Die grundsätzliche Zielrichtung, dass Regenerativ-Strom als solcher an den Endkunden verkauft werden kann, wird von fast allen unterstützt.
2017 soll das EEG komplett auf Ausschreibungen umgestellt werden. Macht es da überhaupt Sinn, auf eine solche Verordnung zu warten?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es gibt keine direkte Verbindung zwischen dem Grünstromhandel und der Förderung der Anlagen über das EEG. Bei den Ausschreibungen geht es vor allem um die Frage, ob und von welchen Akteuren künftig überhaupt noch neue Anlagen gebaut werden können. Die Ausschreibungen sollen ja zu günstigeren Vergütungssätzen führen, da die Vergütungshöhe im Wettbewerb ermittelt wird. Wir haben allerdings Zweifel, ob das funktioniert. Bei der Direktvermarktung geht es eher darum, wie die vielen Bestands-Anlagen plus die neuen Anlagen ihren Strom vermarkten können. Ob das über die Einspeisevergütungen erfolgt oder das Marktprämienmodell oder, wie wir hoffen, zukünftig auch über einen dritten, innovativen Weg – eine neue Direktvermarktungsform.
Allerdings gibt es schon einzelne Vermarkter, die Grünstromprodukte mit geringen Anteilen an Strom aus regionalen Anlagen anbieten. Ist es nicht einfacher, solche Geschäftsmodelle jenseits des EEG zu entwickeln?
Der Ansatz ist gut, aber auch solche Tarife sind momentan Kompromisslösungen. Wenn ich geringe Mengen EEG-Strom einem herkömmlichen Stromprodukt beimische, fallen die Mehrkosten im Einkauf nicht so stark ins Gewicht. Allerdings habe ich dann beim Preis womöglich keine Luft mehr, um in anderen Punkten konsequent zu sein. Woher beziehe ich den Großteil des Stroms, der nicht aus EEG-Anlagen stammt? Kann ich meinen Kunden eine hohe Neuanlagenförderung bieten? Alles zusammen wird dann ohne passendes Direktvermarktungsmodell wirtschaftlich meist unmöglich.
Interview: Andreas Witt