Politik bestimmt Grünstromvermarktung

Umspannwerk E-Werk vor SonnenuntergangFoto: fotos4people / stock.adobe.com
Solarthemen 431. Mit dem zum 1. August novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz ver­ändert sich auch der Markt für Ökostromprodukte. Nach dem Ende des Grünstromprivilegs warten Stromhändler auf eine Verordnung des Bundesenergieministeriums, das eine regionale Vermarktung von regenerativ erzeugtem Strom regeln könnte.

Die Asselner Windkraft GmbH & Co.KG war eines der ersten und bundesweit wenigen Unternehmen, die das Grünstromprivileg nutzten, um Bürgern in der Heimatregion Windstrom von Anlagen vor Ort zu verkaufen. Noch 2011 versprach Geschäftsführer Johannes Lackmann den Kunden sogar eine zehnjährige Preisgarantie. „Und daran halten wir uns auch“, so der Windkraftpionier gegenüber den Solarthemen. Leider habe sich die Gesetzeslage dann aber rasch geändert. Noch 2012 sei für das Stromangebot keine EEG-Umlage fällig gewesen, erklärt Lackmann, denn in dem Jahr hätten die Windmüller noch eine Übergangsregelung beanspruchen können. Ab 2013 sei die vollständige Befreiung von der EEG-Umlage weggefallen und das Unternehmen habe eine um 2 Cent/kWh re­duzierte Umlage zahlen müssen. Und seit dem 1. August ist dieses so bezeichnete Grünstromprivileg nun ganz entfallen. Auch die Asselner Windkraft muss nun die komplette EEG-Umlage zahlen. Damit kippt die wirtschaftliche Kalkulation vollends. Das sei nur zu verkraften, weil dieses Stromprodukt nicht das Kerngeschäft ausmache und die Asselner Windkraft auch keine so große Zahl an Kunden erreicht habe, sagt Lackmann. Geförderte Direktvermarktung Er will weiter Strom aus der Region vermarkten. Allerdings müsse die WestfalenWIND GmbH, bei der Lackmann ebenfalls Geschäftsführer ist, nun wohl einen anderen Weg gehen. Er will auf die entsprechend dem EEG „geförderte Direktvermarktung“ zugreifen und dabei mit der Clean Energy Sourcing AG (Clens) als einem der Direktvermarkter kooperieren. Der im EEG definierte Begriff der Direktvermarktung ist meist irreführend, denn ein großer Teil des Stroms wird eben nicht direkt an bestimmte Kunden verkauft, sondern an der Börse gehandelt. WestfalenWIND soll aber über den Bilanzkreis für die geförderte Direkvermarktung bei Clens an Kunden in der Region verkauft werden. Ökostrom wird der Windstrom dann aber nicht mehr genannt werden dürfen. Denn sobald regenerativ erzeugter Strom – also ebenso Solarstrom – über das Marktprämienmodell des EEG, also die „Direktvermarktung“, gefördert wird, verliert er seinen Herkunftsnachweis und wird zu Graustrom. Lackmann hofft, dass die Kunden trotzdem verstehen, wo ihr Strom herkommt. „Wir wollen ansonsten rein über den Preis gehen“, so der Windmüller. Theoretisch hätte Lackmann sogar die Möglichkeit, den nicht mehr grünen Windstrom nachträglich wieder zu veredeln, wie dies auch bei einigen als Ökostrom verkauften Produkten der Fall ist. Er könnte seinen Strom ebenfalls mit grünen Zertifikaten aus billiger skandinavischer Wasserkraft einfärben. Dann würde aus dem Windstrom, der nach Einstreichen der Marktprämie ergraute, ganz schnell wieder Ökostrom. „Aber so bescheuert sind wir nicht“, betont Lackmann. Für die wenigsten Stromkunden wird dieses jetzt bestehende System nachvollziehbar sein. Ökostromhändler, die tatsächlich Wind- oder Solarstrom regional verkaufen wollen, haben es schwer, weil sie mit den Versorgern konkurrieren müssen, die ihre Angebote teils nur über billige Grünstromzertifikate ökologisch einfärben. Auch Oliver Hummel, Vorstand der Naturstrom AG, vermisst das Grünstromprivileg. Damit sei es seinem Unternehmen möglich gewesen, Wind- und Solarstrom in einem konkurrenzfähigen Stromprodukt unterzubringen, das nicht nur einen kleinen Nischenmarkt anspricht. Jetzt könne Naturstrom bis auf kleine Ausnahmen nur auf günstige Wasserkraft ausweichen. Die Verträge mit den Windmüllern werden nun von der Direktvermarktungs-Tochter der Naturstrom AG erfüllt. (Siehe auch Interview mit Hummel auf den Seiten 13 und 14). Ungewollter Grünstrom Das Grünstromprivileg fiel bei der Bundesregierung in Ungnade, weil es aus deren Sicht angeblich nicht zu einer Entlastung der EEG-Umlage führte (was auch bei der Marktprämie nicht der Fall ist). Zudem war das im Rahmen des Grünstromprivilegs gehandelte Volumen vergleichsweise klein. Als Hauptargument aber diente die Kritik der EU-Kommission, das Grünstromprivileg widerspreche dem freien Wettbewerb in der Europäischen Union, weil es nicht für Strom gelte, der außerhalb Deutschlands gekauft werde. So wurde das Grünstromprivileg noch vor den Beratungen im Bundestag schnell ad acta gelegt. Einzelne Bundestagsabgeordnete wie Josef Göppel (CSU) und Jörg Becker (SPD) jedoch wollten Ansätze für Ökostromprodukte, die auf regenerativen Anlagen in Deutschland basieren, nicht so schnell aufgeben. Und es gelang ihnen, noch kurz vor Beschluss der EEG-Novelle zumindest eine Verordnungsermächtigung in das EEG hineinzuverhandeln, um ein System zur Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien an Letztverbraucher einzuführen. Die Bundesregierung darf nun – ohne die Zustimmung des Bundestages oder des Bundesrates einholen zu müssen – eine solche Verordnung erlassen, muss aber nicht. Ein wichtiger Aspekt der Verordnung wäre dabei, dass auch Strom, der im Rahmen der geförderten Direktvermarktung gehandelt wird, als Strom aus erneuerbaren Energien gekennzeichnet werden dürfte. Gleichzeitig müsste die Regierung aber auch die Vereinbarkeit mit EU-Recht abklären. Kommt eine Verordnung? Noch ist unsicher, ob und wann eine solche Verordnung kommt. Die Signale aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sind nicht eindeutig. Guido Wustlich, Referent für das Erneuerbare-Energien-Gesetz im BMWi, erklärte Ende August bei einer Tagung des Bundesverbandes WindEnergie, das Ministerium arbeite an der Verordnung. Ausdrücklich bestätigen wollte er dies gegenüber den Solarthemen jedoch nicht. Der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel ist allerdings optimistisch, dass das Ministerium einen Entwurf vorlegen werde. Er vertraue hier auch auf Staatssekretär Rainer Baake, mit dem er über das Thema gesprochen habe. Dirk Becker, Stellvertretender Sprecher der AG Wirtschaft und Energie der SPD-Bundestagsfraktion, versichert, er werde bei der wichtigen Verordnung nicht locker lassen und sie einfordern. Dabei verweist er auf Vorschläge der Branche. Einen solchen haben Clens und die Naturstrom AG, die Greenpeace Energy e.G. sowie die Elektrizitätswerke Schönau GmbH vorgelegt. Dabei gab es zunächst konkurrierende Ideen. Die letzten drei Ökostromunternehmen hatten im Rahmen der Debatte um die EEG-Novelle ein Ökostrom-Markt-Modell entwickelt, das sich auf die Marktprämie stützte, aber dem mit erneuerbaren Energien erzeugten Strom die grüne Eigenschaft belassen wollte. Davon unterschied sich das Kundenmarktmodell von Clens, das sich von der Marktprämie entfernen sollte, weil diese durch die Orientierung am Spotmarktpreis gekennzeichnet ist. Das Grünstrommarktmodell Inzwischen haben sich alle vier Unternehmen auf einen Vorschlag geeinigt, der nun als Grünstrommarktmodell bezeichnet wird. Zum Teil kursieren noch Berichte zu den anderen Modellen, diese sind aber überholt. Beim Grünstrommarktmodell würden Ökostromhändler ihren Strom direkt bei den Erzeugern einkaufen. Dieser Strom würde nicht über die Marktprämie gefördert. also das EEG-Konto nicht belasten. Dafür soll nach dem Modell dieser Sonnen-, Wind- und Biomassestrom aber auch nicht mit der EEG-Umlage belastet werden, sofern der Stromeinkauf dem Energiemix des EEG-Stroms und den EEG-Kosten entspricht. Zudem sollen weitere Bedingen erfüllt werden; dazu zählt eine Integrationsabgabe bei fehlender Balance zwischen Stromaufnahme und -verbrauch. Wie Daniel Hölder, Leiter Energiepolitik bei Clens, berichtet, haben die Ökostromhändler schon viel Zuspruch für ihr Modell erfahren. Die europarechtlichen Fragen hält er für lösbar. Doch nicht alle Unternehmen im Grünstrombereich sind begeistert. Josef Werum, Geschäftsführer der in.power GmbH, kann sich den Markt auch ohne Verordnung vorstellen: „Wir schauen lieber, dass wir Produkte aufbauen, die nicht so regulierungsanfällig sind.“ Zudem führe jeder Eingriff in den Markt immer zu Verzerrungen. Dabei, so Werum, sei es auch jetzt schon möglich, Angebote zu schaffen, in die regional erzeugter Regenerativ-Strom integriert werde. Tim Meyer, Geschäftsfüher der Grünstromwerk GmbH, die in ihr Stromangebot 25 Prozent Solarstrom bereits integriert, steht einer Verordnung ebenfalls skeptisch gegenüber. Dann würden sehr bald wieder viele Unternehmen die so von der Politik angebotenen Optionen nutzen und gerade kleine Unternehmen mit innovativen Ideen kämen so ins Hintertreffen.

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