Interview mit Marco Wünsch, Prognos: KWK als Ergänzung für erneuerbare Energien stärken!

Solarthemen 433. Marco Wünsch, Consultant bei der Prognos AG, war Projektleiter der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenen Studie zur Potenzial- und Kosten-Nutzen-Analyse der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie zur Evaluation des KWK-Gesetzes. Wünsch empfiehlt eine stärkere Förderung der Technologie und sieht die KWK als Verbündete der erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmebereich. Auf derzeitigem Kurs würde das Ziel der Bundesregierung für den KWK-Ausbau aber klar verfehlt. Zu der Studie trugen neben Prognos auch das BHKW-Consult in Rastadt, das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) und das Karlsruher Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES) bei.

Solarthemen: Die Bundesregierung will im Jahr 2020 mit Kraft-Wärme-Kopplung 25 Prozent des Strombedarfs decken. Wird dieses Ziel erreicht?

Marco Wünsch: Wenn sich nichts an den Förderbedingungen ändert oder im Markt plötzliche Änderungen auftreten, dann wird das Ziel ganz klar verfehlt werden. Nach unserer Prognose würde die KWK dann im Jahr 2017 knapp 17 Prozent des Stroms liefern.

Was müsste der Gesetzgeber tun, um doch noch die Kurve zu kriegen?

Es gibt mehrere Bereiche, wo die Wirtschaftlichkeit im Moment nicht gegeben ist. Zum Beispiel können im Bereich der Fernwärme aktuell keine neuen Anlagen gebaut werden. Den Neubau müsste man sehr stark fördern. Aber auch im Bestand gibt es Anlagen, die sehr stark gefährdet sind. Die Politik müsste sich erstmal darum kümmern, dass die nicht in den nächsten Jahren stillgelegt werden. Wenn dies passieren würde, landen wir sogar noch unter den 17 Prozent, die wir in der Studie prognostizieren.

Haben sich die Neuerungen, die vor etwa 2 Jahren ins KWK-Gesetz eingeführt wurden, bewährt?

Einiges hat gut funktioniert, zum Beispiel die Anreize zum Netzausbau. Der Wärmenetzzubau war in den letzten Jahren dynamisch. Gleichzeitig war es ein guter Erfolg, dass man mit der vorigen KWK-Novelle die Wärmespeicher in die Förderung aufgenommen hat. Es gibt sehr viele Speicherprojekte in Deutschland – teils sehr große Speicher an innerstädtischen KWK-Anlagen, aber auch kleinere Speicher in kleineren Netzen. Das ist ein Beitrag zur Flexibilisierung. Gleichzeitig ist das von den Investitionskosten her relativ günstig. Das hat geholfen, dass KWK – gerade im Bereich der öffentlichen Versorgung – besser dasteht.

Was ist nicht so gut gelaufen?

Bei der letzten Novelle sind auch Fördersätze angepasst worden. Da muss man sagen, die Marktbedingungen haben das überholt.

Durch den Verfall der Strompreise?

Genau. Der Verfall der Großhandelsstrompreise betrifft alle Anlagen, die ins Stromnetz einspeisen. Also Anlagen der öffentlichen Versorgung, aber auch Industrie-KWK-Anlagen, die bislang mehr Strom erzeugen als im Objekt selbst verbraucht wird.

Ist denn die heutige KWK technisch gerüstet, um ihre künftigen Aufgaben zum Ausgleich wachsender Anteile von Wind und Sonne wahrzunehmen?

Aus unserer Sicht ist KWK heute schon flexibel. Beim größten Teil der KWK-Erzeugung kommen auch die Preissignale aus dem Strommarkt relativ direkt an. Die Anlagen der öffentlichen Versorgung, die mehr als die Hälfte der KWK-Leistung ausmachen, speisen nahezu 100 Prozent der Stromerzeugung ins öffentliche Netz ein und erhalten Stunde um Stunde den Preis, den es an den Börsen gibt. Die Anlagen richten sich schon an den Strompreisen aus unter Berücksichtigung ihrer technischen Flexibilität. Durch den Bau von zum Beispiel Wärmespeichern kann diese aber gesteigert werden. Im industriellen Bereich passiert der größte Teil der KWK-Stromerzeugung in den energieintensiven Branchen Chemie, Papier, Mineralölverarbeitung. In diesen Unternehmen kommen die Strompreis-Signale ebenfalls sehr direkt an, weil diese Unternehmen auf ihren Stromverbrauch nur sehr geringe Umlagen und Abgaben bezahlen müssen. Das Preissignal ist zwar im Moment nur sehr gering – die Unternehmen fahren deshalb ihre Anlagen nicht hoch und runter. Man muss jedenfalls am regulatorischen Rahmen nichts ändern, damit sie auf die Signale reagieren. Man muss bei der Technik ansetzen und dafür sorgen, dass die Anlagen flexibler sind. Das kann eben durch Wärmespeicher geschehen oder beispielsweise auch dadurch, dass man Notkühler nachrüstet.

Die andere Frage ist, ob sich für die energieintensive Industrie Investitionen in die Eigenerzeugung angesichts der weitgehenden Befreiung von der EEG-Umlage überhaupt noch lohnen.

Die Befreiung von der EEG-Umlage, aber auch von der Stromsteuer und der Konzessionsabgabe, führt tatsächlich dazu, dass Anlagen nicht wirtschaftlich sind. Wenn ein großes Industrieunternehmen den Strom aus dem Netz für 3,5 Cent bezieht und dann nur noch einen sehr kleinen Aufschlag darauf zahlt, dann führt das dazu, dass Eigenversorgungskonzepte nicht mehr wirtschaftlich sind. In Industrieparks, die in Zeiten, als es sich lohnte, viel Strom zu produzieren, großzügig mit KWK-Anlagen ausgerüstet wurden, werden heute Anlagen zurückgebaut und man setzt eher wieder auf Spitzenkessel und ersetzt große Gasturbinen durch solche mit geringerer Leistung.

Inwiefern macht die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – Stichwort: EEG-Umlage auf Eigenverbrauch – der KWK das Leben schwer?

Das haben wir genau untersucht. Natürlich führt die Belastung des Eigenverbrauchs zu einer Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit von Anlagenkonzepten. Unserer Meinung nach gibt es aber keine großen Segmente, die unter der früheren Regelung wirtschaftlich waren und jetzt durch die Neuregelung unwirtschaftlich werden. Sondern wir haben im Bereich der Objektversorgung ein sehr heterogenes Bild. Auf der einen Seite haben wir Anlagen, die sehr weit weg sind von der Wirtschaftlichkeit. Dies sind Konzepte, bei denen sehr viel Strom ins Netz eingespeist wird. Auf der anderen Seite gibt es Fälle, wo sehr viel Strom selbst genutzt werden kann – Krankenhäuser, Hotels und im Gewerbebereich Anlagen mit vielen Nutzungsstunden. Bei diesen Anlagen macht die neue Belastung durch das EEG die Wirtschaftlichkeit nicht kaputt. Man reduziert hier nur den Vorteil des Eigenverbrauchs auf ein Niveau, das wir in den Jahren 2011, 2012 hatten.

Würden Sie generell sagen, dass KWK und fluktuierende Erneuerbare sich gut ergänzen oder überwiegen doch eher gewisse Konkurrenzen?

Prinzipiell passt es ganz gut zusammen. Wobei KWK, weil sie Strom und Wärme produziert, per se immer etwas weniger flexibel ist als eine Anlage, die nur Strom produziert. Für den Bereich der Fernwärme passt es jedenfalls ziemlich gut. Die Photovoltaik-Einspeisung und die Wärmenachfrage in großen Netzen treten nicht gleichzeitig auf. Im Winter haben wir wenig Photovoltaik. Und beim Wind ist es so, dass wir in den sehr kalten Perioden im Winter eine Hochdruckwetterlage und damit nur eine geringe Windeinspeisung haben. Für die Extremsituationen gehen die Fernwärme-KWK und die Erneuerbaren sich aus dem Weg. Im Bereich der Übergangszeit stehen sie natürlich in einer gewissen Konkurrenz. Eine Windfront ist allerdings nur zwei bis drei Tage lang und das ist eine Periode, die man mit einem Speicher gut überbrücken kann. Im Bereich der industriellen KWK ist die Konkurrenz größer. Eine industrielle KWK-Anlage speist in der Regel Grundlast ein, weil ein Industrieprozess meist auf eine starke Kontinuität ausgelegt ist. Diese Prozesse zu flexibilisieren ist aufwändiger und teurer. Denn meist reden wir über Prozessdampf und diesen Dampf zu speichern ist komplizierter und kostspieliger als warmes Wasser in Fernwärmenetzen zu speichern.

Könnte Wärme aus überschüssigem Wind- und Solarstrom zur Konkurrenz für KWK-Anlagen werden?

Eigentlich nicht.

Dieser Strom wäre aber mehr oder weniger kostenlos.

Das wäre aber eine Situation, in der die KWK-Anlage ohnehin kein Geld verdienen würde. Die Eskalation geht ja so: Im ersten Schritt die KWK-Anlage abschalten, weil sie sich nicht mehr lohnt und den Wärmebedarf über einen Spitzenkessel oder im Idealfall einen Speicher decken. Bei noch niedrigerem Strompreis würde dann der Elektroheizer den Spitzenkessel ersetzen.

Was sind Ihre wichtigsten Empfehlungen für die Politik?

Die erste Botschaft ist, dass die Politik das Thema KWK in erster Linie aus dem Strommarkt angeschaut hat. Die Wärmemarktseite wurde stark vernachlässigt. Man müsste stärker schauen, welche Probleme im Wärmemarkt durch KWK gelöst werden könnten.

Welche Probleme sind das?

KWK könnte im innerstädtischen Raum, wo wir eine verdichtete Bauweise haben oder viele Gebäude unter Denkmalschutz stehen, oftmals die beste Option sein. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir jedes Gebäude extrem gut sanieren können beziehungsweise Erneuerbare in die verdichteten Städte bekommen.

Zweite Botschaft an die Politik?

KWK hat aktuell in bestimmten Bereichen große wirtschaftliche Probleme. Und man muss zusätzliches Geld in das KWK-System hineinstecken, um die Vorteile der KWK – Integration Erneuerbarer, Bereitstellung gesicherter Leistung – erhalten und nutzen zu können. Die Solarwärmebranche klagt schon heute, dass solare Prozess- und Nahwärme an der KWK-Konkurrenz scheitert. Die werde so gut gefördert, dass sie quasi kostenlos Abwärme liefert. Die Wärmegestehungskosten der Solarthermie liegen immer noch über denjenigen der KWK. Das würde ich aber nicht der KWK ankreiden. Wenn die Politik mittelfristig mehr erneuerbare Energien in den Wärmenetzen möchte, dann muss sie dafür noch stärkere Anreize setzen. Weitere Kostensenkungen im Bereich der erneuerbaren Wärmerzeugung werden hierzu langfristig aber auch ihren Beitrag leisten müssen.

Interview: Guido Bröer

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