Interview: EEG 3.0 – Zahlungsströme umorganisieren!
Solarthemen: Der Umfang des EEG in Seiten scheint sich bisher mit jeder Novelle – gefühlt – zu verdoppeln. Wird das EEG 3.0 noch komplizierter?
Felix Chr. Matthes: Es wird an Komplexität nicht gewaltig zunehmen, aber die Komplexitäten werden sich verschieben. Weil einerseits die technologische Feinsteuerung geringer wird. Andererseits werden die ökonomischen Prozeduren etwas aufwändiger.
Was ist Ihre Grundidee dabei?
Wir wollen beim EEG 3.0 von einem Förderinstrument weggehen, bei dem ja über lange Jahre die Hoffnung bestand, dass es sich irgendwann einmal überflüssig machen könnte. Wir wollen hin zu einem Instrument, was eher in ein umfassendes Marktdesign führt. Unser Vorschlag akzeptiert erstmals, dass erneuerbare Energien, insbesondere Sonne und Wind, für immer ein Finanzierungsinstrument brauchen werden, das die Finanzierungslücke zur Rückzahlung der Investitionen schließen muss. Ein solches Instrument kann sich bei großen Anteilen erneuerbarer Energien nicht mehr sehr unterscheiden von den Regeln, die für den Rest des Marktes gelten.
Sie halten also die Idee, erneuerbare Energien würden in Zukunft günstiger als fossile Energien, für eine Illusion?
In dem Marktarrangement, das wir haben und das für lange Zeit bestehen bleiben wird, werden die erneuerbaren Energien zwar in Bezug auf die Durchschnittskosten konkurrenzfähig – teilweise sind sie es heute schon. Aber in der Stunde, in der sie produzieren, werden sie niemals das Geld erwirtschaften können, das sie zur Refinanzierung der Investition brauchen.
Das klingt für mich paradox.
Wieso? Wenn bei großen Anteilen erneuerbarer Energien der Preis auf dem Strommarkt immer dann nahe null liegt, wenn die Sonne scheint und der Wind weht, dann sind erneuerbare Energien zwar in Bezug auf die Kosten vergleichbar mit anderen Energiequellen, aber sie können am Strommarkt keine Erlöse erzielen. Damit haben wir es mit einem Problem des Marktdesigns zu tun. Und dieses Problem muss behoben werden. Wir haben heute Durchschnittskosten von erneuerbaren Energien zwischen 7 und 9 Cent. Im heutigen Strommarkt können Sie dies nicht erlösen.
Neben den Energy-only-Markt wollen Sie nun eine Kapazitätsprämie setzen?
Ja. Der Energy-only-Markt ist ein Koordinationsmarkt, er koordiniert zwischen verschiedenen Erzeugungsoptionen, zwischen Verbrauchern und Erzeugern und auch zwischen Systemdienstleistungsmärkten und normalen Stromlieferungen. Dieser Markt, der in einer bestimmten historischen Situation entstanden ist, wird auch zunehmend wichtiger, wenn es um große Anteile erneuerbarer Energien geht. Aber nur in Bezug auf die Koordination. Er ist aber nicht leistungsfähig zur Refinanzierung von Investitionen. Den Kern des künftigen Marktdesigns bilden weiterhin der Energy-only-Markt und die Systemdienstleistungsmärkte. Zusätzlich muss es aber ein Instrument geben, das sehr große Geldströme bewegen wird, das die Investitionslücke schließen soll. Entscheidend ist, dass dieses Instrument möglichst das Koordinations-Preissignal der Strombörse nicht verzerren soll. Auf dieser Grundidee basiert unser Vorschlag für das EEG 3.0.
Wenn die Politik festlegt, welche Kapazitäten sie einfordert und die Finanzierung dann umgelegt wird, ist das eine Form von Planwirtschaft, oder?
Nein, das ist keine Planwirtschaft. Das ist mir wichtig. Die Frage Markt- oder Planwirtschaft ist nicht davon abhängig, wer die Nachfrage schafft, sondern wie der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage passiert. Wir haben auch einen Markt für Kfz-Haftpflichtversicherungen, obwohl die Nachfrage durch einen regulativen Eingriff erzeugt wird. Nämlich, dass jeder, der ein Auto fahren will, sich eine solche Versicherung beschaffen muss. Die Nachfrage wird vom Regulator für etwas geschaffen, das aus sich heraus nicht entstehen kann: Versorgungssicherheit oder erneuerbare Stromerzeugungskapazitäten.
Das Thema EEG-Umlage wird uns aber weiter begleiten und die Umlage wird auch weiter wachsen, oder?
Ob sie weiter wachsen wird, weiß ich nicht. Ich glaube, wir kommen irgendwann mal über diesen PV-Hügel. Danach wird sie deutlich weniger wachsen. Aber es ist klar, dass über einen Markt, der Strompreise von 3 Cent an der Strombörse generiert, kein Stromversorgungssystem – schon gar kein erneuerbares – refinanziert werden kann. Wir werden Einkommensströme erzeugen müssen, die die Investitionslücken schließen. Das gilt im Übrigen nicht nur für erneuerbare Energien. Das gilt auch für Nachfrageflexibilität. Das gilt auch für Back-Up-Kraftwerke und das gilt auch für Speicher.
Als Maßstab für diese Zahlungen stellen Sie sich eine systemdienliche Leistung vor. Was soll das bedeuten?
Jenseits des heutigen 25-Prozent-Anteils erneuerbarer Energien stehen wir vor der Herausforderung, dass das Profil der Produktion erneuerbarer Energien erhebliche Folgekosten nach sich ziehen kann. Je mehr Erzeugungsspitzen wir generieren, desto mehr Netzausbau müssen wir betreiben oder Flexibilitätsoptionen ins System integrieren. Das geht zwar, aber die sind teuer. Deswegen möchten wir versuchen, die Kapazitätszahlung so auszugestalten, dass sie nicht Spitzeneinspeisung honoriert, sondern möglichst gleichmäßige Einspeisung.
Wie geht das konkret?
Unser Konzept der so genannten systemdienlichen Kapazität sieht so aus: Von der stündlichen Einspeisung über das Jahr wird das obere Zehntel und das untere Zehntel weggenommen. Dann wird der Mittelwert gebildet. So bekommt man eine Leistungsgröße, für die man eine Kapazitätsprämie bezahlt. Die ist um so größer, je gleichmäßiger die Erzeugung ist. Es gibt also einen zusätzlichen Anreiz für Schwachwindanlagen und nachführbare oder ost-west-ausgerichtete PV-Anlagen.
Das klingt ein bisschen kompliziert.
Die systemdienliche Kapazität hängt von der Einspeisung ab. Wenn Sie eine Anlage planen, machen Sie ja heute schon eine stündliche Prognose, wie viel diese Anlage im Jahr produziert. Da sortieren Sie einfach die 8760 Stunden des Jahres nach der Einspeisehöhe. Davon ziehen sie die oberen zehn Prozent der Stunden ab. Die unteren zehn Prozent sind bei der PV-Anlage ohnehin null, weil das Nachtstunden sind. Sie machen nichts anderes als sie heute schon mit einem Ertragsgutachten bei Wind oder Solar tun, schalten nur einen Berechnungsschritt nach. Mit der Summe, die sie zur Refinanzierung der so ermittelten systemdienlichen Kapazität brauchen würden, bieten sie dann in der Ausschreibung.
Soll denn im EEG 3.0 weiterhin jede Technologie der Erneuerbaren nach ihren Bedürfnissen gefördert werden?
Wir schließen mit dem heutigen EEG technologiespezifische Finanzierungslücken. Das sollten wir in den nächsten 5 oder auch 10 Jahren weiterhin tun. Wir zeigen aber auch: Wenn die Kostensenkung weiter fortschreitet – bei PV schneller als bei Wind – dann werden sich die Finanzierungsbeiträge auf die systemdienliche Kapazität von Wind und Solar ähnlich. Dann kann man in der längeren Perspektive auch über weniger technologiespezifische Finanzierung nachdenken.
Ausschreibungen sind dabei in jedem Fall das Mittel der Wahl?
Die Vor-Festlegung auf Ausschreibung ist ja nun leider im EEG 2014 geschehen. Sonst würden wir sagen, dass die Neuordnung der Zahlungsströme wichtiger ist als die Einführung von Ausschreibungen. Die Überführung von einem Förder- auf ein Marktdesign-Instrument ist jetzt entscheidend. Nun hat die Politik entschieden, dass sie unbedingt Ausschreibungen haben will. Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass man es kombinieren kann.
Das Stichwort Bürgerenergie kommt in ihrer Studie häufig vor. Im Zusammenhang mit Ausschreibungen wirkt das aber immer etwas aufgesetzt.
Wir leben in einer Situation, wo der Strommarkt wettbewerblich organisiert wird, ob wir das wollen oder nicht. In diesem Markt gibt es Risiken. Man muss, wenn man Bürgerenergie will, darauf achten, dass man ein Marktsystem schafft, in dem ihre Vorteile zum Zuge kommen. Bürgerenergieprojekte können in Ausschreibungsverfahren sogar Vorteile haben, weil sie eine geringere Verzinsung erwarten. Sie haben eine bessere lokale Verankerung und damit weniger Projekt-Umsetzungsrisiko als große Unternehmen. Zum anderen schlagen wir vor, das Instrument der Ausschreibung auf wirkliche Großprojekte zu beschränken. EU-rechtlich ist das möglich. Die Unterscheidung ist nicht Bürgerenergie versus Nicht-Bürgerenergie, sondern kleine Anlagen gegen große. Wir plädieren dafür, dass wir für kleine Anlagen sehr sanfte Übergangsprozesse schaffen. Bei ganz kleinen Anlagen sollte es zunächst bei Einspeisevergütungen bleiben. In den Ausschreibungen könnten kleine Anlagen das Ausschreibungsergebnis bekommen, ohne selbst an der Ausschreibung mit dem ganzen Aufwand teilnehmen zu müssen. Dafür könnte zum Beispiel ein Viertel der ausgeschriebenen Leistung reserviert werden. Wir setzen darauf, dass sich aus den Strukturveränderungen für große Anlagen Dienstleistungsangebote ergeben, die es dann später erlauben, auch die Kapazitätsprämien für kleinere und mittlere Anlagen über Ausschreibungsverfahren zu bestimmen.
Interview: Guido Bröer