PV-Zweitmarkt: Der Krisengewinnler oder die Zukunft
Im vergangenen Jahr seien über die Hamburger Internetplattform ProjectForum (www.project-forum.biz) rund 15 MW an Bestandsanlagen verkauft worden, sagt Karsten Kreissler, Geschäftsführer der Project Forum 4t2 GmbH. Im Jahr 2014 seien bereits 50 Prozent der dort angebotenen deutschen Anlagen Bestandsanlagen gewesen. Für die Konkurenz Milk the Sun (www.milkthesun.com) mit Sitz in Berlin und Münster gibt deren Mitgründer Dirk Petschick den Anteil der Bestandsanlagen sogar mit 85 Prozent an. Der Internethandel scheint dem früher üblichen Face-to-Face-Geschäft von Steuerberatern oder Immobilienmaklern den Rang abzulaufen. Wer bei eBay & Co. nach Photovoltaik-Anlagemöglichkeiten sucht, wird allerdings nicht viel finden. Wesentlich besser stehen die Chancen auf der von Andreas Rebmann betriebenen Internetseite www.solar-kleinanzeigen.de. Neben PV-Modulen und Wechselrichtern finden sich hier auch mehr als 300 Angebote und Gesuche für bestehende PV-Installationen. Die Angebote reichen von wenigen Kilowatt bis zur Multi-Megawatt-Klasse. Auch Inserate für mehrere Millionen Euro teure Megawattanlagen sind auf dem Portal kostenlos und ohne Vermittlungsgebühr möglich. Der Anbieter bittet lediglich um eine freiwillige Spende. Die Kehrseite der Medaille: Die Angebote stehen teils schon recht lange im Netz und es ist beim Solar-Kleinanzeigen-Portal weitgehend dem Besucher der Seite überlassen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Auffällig viele der aktuellen Angebote werden unter Chiffre gehandelt. Und bei einzelnen Firmen, die auf den ersten Blick offen als Verkäufer auftreten, weckt schon ein Blick auf das unvollständige Impressum ihrer Internetseite einen gewissen Argwohn. „Hinter Chiffre-Anzeigen verbirgt sich einiges, was nicht seriös ist“, sagt Immobilienmakler Klaus Schwandt aus Karcheez bei Güstrow, der selbst als Vermittler mit vollem Namen und seiner Adresse im Kundenauftrag auf dem Solar-Kleinanzeigen-Portal nach interessanten PV-Anlagen sucht. Diese sollten mindestens ein volles Jahr am Netz sein und nachweislich einen Gewinn vor Steuern von 9 Prozent erwirtschaften. Schwandt ist neben seinem klassischen Immobiliengeschäft bereits seit einigen Jahren als Vermittler von Wind- und Solaranlagen aktiv. Aufgrund seiner Inserate erhalte er häufig Angebote für bestehende PV-Anlagen, zumeist per E-Mail. „Es ist aber ein mühseliger Weg, die seriösen Anbieter herauszufinden“, sagt Schwandt. Geschlossener Marktplatz Diese Mühe möchte die 2011 von ehemaligen Conergy-Mitarbeitern gegründete Handels-Plattform ProjectForum ihren Nutzern gern abnehmen. Das bereits 2011 gegründete – und damit wahrscheinlich älteste – Internetangebot für den Handel mit PV-Anlagen und Projektrechten versteht sich als geschlossener Marktplatz, der bewusst nicht für jedermann zugänglich ist. Die drei Zielgruppen sind laut Geschäftsführer Karsten Kreissler Projektentwickler, Generalunternehmer und Investoren für schlüsselfertige und bestehende PV-Anlagen. „Wir möchten verstehen, was eine Person macht. Wir möchten auf unserem Portal keine Personen haben, die in fremdem Namen handeln – also keine Vermittler oder Broker.“ Transparenz Eine Ausnahme von diesem Prinzip werde nur gemacht, wenn der Vermittler eine Vollmacht zum Verkauf vorlegen könne und der tatsächliche Verkäufer schriftlich bestätigt, mit einer Platzierung auf dem Marktplatz einverstanden zu sein. Damit verbunden ist immerhin das Einverständnis, sich von Interessenten vollständig in die Karten schauen zu lassen. Anbieten dürfe nur, wer die Anlagendokumentation transparent zur Verfügung stelle, betont Kreissler: „Bei uns gibt es den verpflichtenden Datenraum.“ Weil manche dieser Daten durchaus vertraulicher Natur sind, achtet ProjectForum nach eigenen Angaben denn auch nicht nur auf die Auswahl der Verkäufer, sondern ebenso der potenziellen Käufer. Kreissler: „Wir sind erpicht darauf zu wissen, wer sieht das Angebot überhaupt.“ Der Prozess ist zweistufig. Wer vom ProjectForum als Nutzer akzeptiert worden ist, kann alle Projekte mit deren wichtigsten Eckdaten sehen, aber nicht den Standort und den Namen des Verkäufers. Auch der so genannte Datenraum mit den Projekt-Dokumenten ist noch geschlossen. Erst im zweiten Schritt bitten die Kaufinteressenten für bestimmte Projekte um Akteneinsicht. Hier könne es immer noch passieren, dass der Zugang auch einem registrierten Nutzer verwehrt werde, betont Kreissler: „Wir nehmen kein Geld dafür, aber wir halten den Daumen drauf.“ So würden die sensiblen Daten eines Multi-Megawatt-Projektes keinem Investor angezeigt, dessen Bonität oder Kreditrahmen dafür nicht ausreiche. „Wir sagen dem Antragsteller dann: Tut uns leid, aber das Projekt passt nicht zu dem, was wir bislang von Ihnen wissen.“ Offener Marktplatz Eine etwas andere Philosophie verfolgt hier die 2012 auf der Messe Intersolar gestartete Handels-Plattform Milk the Sun, die wohl schärfste Konkurrenz der Hamburger Pioniere. Dirk Petschick, einer der vier Gründungsgesellschafter betont, Milk the Sun sei im Gegensatz zum geschlossenen ProjectForum ein offener Marktplatz: „Man kann keinen Gemüsemarkt einrichten und dann erstmal einen Zaun darum ziehen“. Bei Milk the Sun kann deshalb jeder – ob registriert oder nicht – die Eckdaten aller Anlagen und die Fotos anschauen. Wer allerdings Kontakt zum Verkäufer und genauere Einsicht in die Projektunterlagen wünscht, der zahlt pro Projekt 25 Euro und bekommt dafür Zugang zur Detailansicht. Petschick bezeichnet diese Summe als eine „Schutzgebühr“, die auch die Funktion habe, nur ernsthafte Interessenten zum Anbieter durchzulassen. Das Diskretionsprinzip eines geschlossenen Marktes vertritt Milk the Sun allerdings in seinem Utility Scale Network, einem Segment für Multimegawattanlagen, in dem verifizierte Investoren und Anbieter vertraulich zusammengebracht werden. Aber auch außerhalb dieser Spezialabteilung nehmen die Milk-the-Sun-Gründer für sich in Anspruch, eine Qualitätskontrolle der Angebote vorzunehmen. Petschick: „Es geht um ein Investment und ein Investment muss man begleiten.“ Er setzt bei der Kontrolle der Angebote nicht zuletzt auf seine Nutzer: „Die Gemeinschaft sorgt selbstständig für eine gewisse Hygiene.“ Gelegentlich werde man auf schwarze Schafe hingewiesen, die man dann überprüfen und gegebenenfalls eliminieren könne. „Grundsätzlich verzeichnen wir aber einen sehr hohen Grad von Ehrlichkeit.“ In der zweijährigen Geschichte von Milk the Sun habe es lediglich zwei Betrugsfälle gegeben, die an die Staatsanwaltschaft übergeben worden seien. Das Portal selbst sei nicht für solche Betrügereien haftbar zu machen, so Petschick: „Wir stellen nur das Schaufenster zur Verfügung.“ Kreissler vom ProjectForum setzt etwas andere Akzente: „Wir lesen und prüfen tatsächlich die Unterlagen, bevor wir ein Angebot veröffentlichen.“ Der Großteil der Angebote überstehe den internen Auswahlprozess nicht: „Wir hauen über 80 Prozent der Angebote raus.“ Die häufigsten Ablehnungsgründe seien „typisches Vermittlergebaren“ und „Projektmüll“, also zum Beispiel im Bereich des Neubaus „tote Projekte“, die nie realisiert würden. Dutzende Angebote Ob es nur an den unterschiedlichen Philosophien der beiden Konkurrenten liegt oder auch am aktiveren Marketing und der Finanzspritze durch den Einstieg einer Venture-Kapitalgesellschaft Anfang 2014, sei dahingestellt – jedenfalls findet sich bei Milk the Sun aktuell das größere Angebot. 48 Bestandsanlagen zwischen 11 kW und knapp 4 MW stehen derzeit allein in Deutschland über Milk the Sun zum Verkauf; bei den Hamburgern sind es 4 Anlagen zwischen 1,3 und 2,7 MW. Unterschiede gibt es auch bei der Honorierung. Das Geschäftsmodell von Milk the Sun lebt von einer Mischkalkulation aus den 25-Euro-Schutzgebühren und einer Verkaufsprovision von 10 bzw. 15 Euro pro kW (für Anlagen, die vor dem 30.6.2012 ans Netz gingen, ist der höhere Betrag fällig). Project Forum nimmt nur bei erfolgreichen Transaktionen eine Gebühr. Für Bestandsanlagen sind dann 20 (Freiland) bzw. 30 (Dach) Euro pro kW fällig, was laut Kreissler 1 bis 3 Prozent der Investitionssumme entspricht. Für Anlagen über 5 MW gelten 50 Prozent Rabatt. Attraktiver Zweitmarkt „Im Allgemeinen stimmt es: Eine Anlage, die schon im Betrieb ist, birgt ein geringeres Risiko als eine Neuanlage“, sagt Kreissler. Außerdem sei die verringerte Vergütung per EEG und auch das Zinsniveau für das Fremdkapital entscheidend für das aktuelle Florieren des Zweitmarktes. Die Konsequenz: „Anlagen, die zwei bis drei Jahre in Betrieb sind, werden aktuell vermehrt zum Neupreis wiederverkauft oder manchmal sogar darüber.“ Sind die Zweitmarkt-Händler also die Krisengewinnler der deutschen PV-Branche? „Ja, das gebe ich sogar offen zu“, sagt Dirk Petschick: „Jede Krise im PV-Bereich hilft uns. Sie veranlasst Leute, sich von ihrem Investment zu trennen.“ Andererseits sei viel Geld im Umlauf und das Investitionsinteresse in Photovoltaik weiterhin vorhanden. Dabei habe der Zweitmarkt auch eine ganz wichtige Funktion für die Branche, so Petschick: „Wir sehen unsere Aufgabe darin, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, dass eine PV-Anlage ein liquides Asset ist. Die Leute müssen merken, ich bin mit diesem Investment flexibel.“ Kreissler wie Petschick orientieren sich an Vergleichszahlen aus der Immobilienbranche und rechnen damit, dass der PV-Zweitmarkt in Zukunft vielleicht jährlich 1 bis 2 Prozent des Bestandes ausmachen könnte. Petschick sieht das handelbare Segment oberhalb von 5 kW und kommt so auf ein Potenzial von 10000 Anlagen. Für Kreissler fangen Investorenanlagen eigentlich erst ab 100 kW an, weshalb er ganz grob von einem Potenzial von rund 200 MW pro Jahr ausgeht. (Guido Bröer)