Solar aktive Häuser: Mehr als nur Ideologie

Solarthemen 435. Gebäude, die aktiv die Kraft der Sonne nutzen, werden bereits seit Jahrzehnten gebaut. Und spä­tes­tens 2021 dürfen Häuser nur noch errichtet werden, wenn sie dem „Nahezu-Null-Energie-Stan­dard“ laut der europäischen Gebäuderichtlinie entsprechen. Allerdings konkurrieren unterschiedliche Haus­konzepte miteinander. Davon abhängig ist, welche Technologien zum Einsatz kommen: Lüftungsanlage, Wärmepumpe, Photovoltaik und/oder Solarthermie.

Mit dem „Effizienzhaus Plus“ hatte bereits der frühere Bundesbauminister Peter Ramsauer ein Forschungsprojekt gestartet, das von seiner Nachfolgerin Barbara Hendricks fortgeführt wird. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurde 2011 ein Pilothaus in Berlin errichtet, das jedoch in den vergangenen Jahren auch für Kritik sorgte. Im September dieses Jahres besuchte Hendricks das Gebäude und die darin derzeit wohnende Familie. Dabei betonte die Ministerin, das Modellprojekt solle vor allem „das ganz normale Bauen beeinflussen“. Besonders hervorgehoben wird vom Bauministerium, das Gebäude erzeuge mehr Energie als es verbrauche. Und so soll es auch Vorbild sein für eine neue Gebäudegeneration. Erreicht wird das Effizienzhaus-Plus-Niveau, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf erreicht wird. Zudem soll die Energieeinsparverordnung (EnEV) eingehalten werden. Kritik an Jahresbilanzierung Jedoch stößt dieses einfache Konzept nicht auf einhellige Begeisterung. So ist es aus Sicht von Harald Drück vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik an der Universität Stuttgart nicht ausreichend, die Energiemengen über ein komplettes Jahr zu bilanzieren. Diese Bilanzen sollten über kürzere Zeiträume erfolgen (siehe Interview ab Seite 17). Das Haus in Berlin soll über eine Photovoltaikanlage in Verbindung mit einer Wärmepumpe versorgt werden. Doch zum Beispiel im Januar konnten lediglich etwa 120 Kilowattstunden Solarstrom geerntet werden. Dem stand im selben Monat ein Bedarf an elektrischer Energie von etwa 240 Kilowattstunden für Beleuchtung und Elektrogeräte sowie 840 Kilowattstunden allein für Heizung und Warmwasser gegenüber. Dieses Hauskonzept ist also in großem Maße auf den Ausgleich durch das Stromnetz angewiesen. „Was bringt das für die Energiewende?“, fragt Architekt Georg Dasch, der Vorsitzende des Sonnenhaus-Instituts. Würde das Effizienzhaus Plus in dieser Form Schule machen, so könnte dies letztlich den Betrieb von fossilen Kraftwerken insbesondere im Winter legitimieren. „Die Bedenken habe ich nicht“, sagt dagegen Architekt Rolf Disch (nicht zu verwechseln mit Dasch), der schon vor rund 20 Jahren in Freiburg das erste Plusenergie-Haus errichtete. Er sieht den Rückgriff auf das Stromnetz als sinnvoll an und verweist auf den potenziellen Ausgleich der erneuerbaren Energien: Gebe es weniger Sonne, so wehe oft mehr Wind. Zudem wachse der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung beständig. Es sei daher ausreichend, wenn ein gut wärmegedämmtes Gebäude übers Jahr betrachtet mehr Strom erzeuge, als es verbrauche. Positiv sei darüber hinaus, wenn Batterien im Gebäude in netzdienlicher Weise zum Einsatz kämen. Disch zieht dabei die Photovoltaik der Solarthermie auch zur Wärmeerzeugung eindeutig vor, weil Strom auch im Sommer gebraucht werde, während die Solarthermie „ins Leere“ arbeite, sobald der Wärmespeicher voll sei. Die beiden Solararchitekten Disch und Dasch stehen beispielhaft für zwei ganz unterschiedliche Positionen. Während für Disch die Photovoltaik die wesentliche Energietechnologie an Gebäuden darstellt, legt Dasch eine ganz klare Präferenz auf die Solarthermie. Dies spiegelt sich auch in der Definition des Sonnenhauses wieder. Hohe solare Deckungsraten sollen über den Einsatz großer solarthermischer Kollektorfelder in Verbindung mit sehr großen Wärmespeichern erreicht werden. Effizienzhaus mit Speicher Dasch hat schon einige dieser Gebäude realisiert, die den wesentlichen Teil der Heizenergie sowie des Warmwassers mit thermischen Kollektoren gewinnen. Meist wird der restliche Energiebedarf über Holzenergie gedeckt. Vor kurzem allerdings hat der Architekt u.a. zusammen mit der Schlagmann Poroton GmbH & Co. KG, der Ebitsch Energietechnik GmbH sowie der BayWa AG ein Gebäude fertiggestellt, das Solarthermie, Photovoltaik und Wärmepumpe kombiniert (siehe Foto auf Seite 13). Es ist eines von wenigen Gebäuden mit solarthermischer Anlage, das über die Forschungsinitiative zum Effizienzhaus Plus gefördert wird. Kein anderes dieser Gebäude verfügt über einen so großen Wärmespeicher mit 9200 Liter. Derzeit wird es noch von der Technischen Hochschule Deggendorf vermessen. Im Wärmebereich soll die Sonne rund 80 Prozent des Bedarfs decken, in Verbindung mit der Wärmepumpe 100 Prozent. Beim Strombedarf rechnen die Beteiligten mit einer Deckungsrate von etwa 50 Prozent, wobei auch ein Elektrofahrzeug betrieben werden soll. Große PV-Anlagen Alle Effizienz-Plus-Häuser im Forschungsprogramm der Bundesregierung weisen mit einer Leistung von mindestens 8 kW relativ große Solarstromanlagen auf. Auch mit Batterien ist bei ihnen nur die Jahresbilanz postiv – wobei zwei Gebäude dieses Ziel nicht erreichten. Im Jahresverlauf muss ein deutlicher Anteil der erforderlichen Energie in der Regel aus dem Netz bezogen werden und wird andererseits gerade im Sommer ein großer Anteil des produzierten Stroms ins Netz abgegeben. Dasch fordert eine auch volkswirtschaftliche Betrachtung der Solarnutzung. Eventuell sei es, wenn sowieso das Stromnetz intensiv genutzt werden müsse, sinnvoller, Solarstrom in Großanlagen zu gewinnen, die beispielsweise Parkplätze überdachen könnten. Und auch große Batterieeinheiten auf Quartiersebene könnten, so erwartet Dasch, netzdienlicher eingesetzt werden als viele vergleichsweise kleine Speicher in den Gebäuden, auf die die privaten Investoren den Zugrff haben wollten. Mehr Thermie als PV? Die Dächer wären dann frei für solarthermische Anlagen. Die Wärme könnte direkt in den Gebäuden oder auch in Nachbargebäuden verwendet werden. Über große Wärmespeicher könne die Energie deutlich günstiger als Strom auch über längere Zeiträume gespeichert werden, sagt Dasch. Dabei sperre er sich nicht generell gegen den Solarstrom – die Anlagenleistung sollte nur in einem sinnvollen Verhältnis zur tatsächlich im Gebäude nutzbaren Strommenge stehen. Der Freiburger Architekt Rolf Disch verweist auf die Fortschritte im Baubereich: „Unsere Häuser brauchen fast keine Heizenergie.“ Den größten Anteil des Energiebedarfs mache das warme Wasser aus. Das könne mit einer Solarthermieanlage, aber auch mit Solarstrom und einer Wärmepumpe plus einem Warmwasserspeicher gewonnen werden. Ausgehend vom Stromnetz sei dann auch die Kombination mit Blockheizkraftwerken sinnvoll. Und in Verbindung mit Elektromobilität sollten möglichst alle Dachflächen für PV-Anlagen zur Verfügung stehen. Disch betont, das solle bei seinen Häusern auch bezahlbar sein. Und dies sei eventuell ein Unterschied zu Forschungs- und Vorzeigeprojekten wie dem in Berlin – wenngleich sein Konzept des Plusenergiehauses dem des Effizienzhaus Plus ähnele. „Wie es heißt, ist mir egal“, sagt Disch, der sich den Begriff des Plusenergiehauses hat schützen lassen. Es gehe vor allem darum, jedes geeignete Dach zu aktivieren. Dabei müsse man sich wehren gegen die Stimmung, die gegen die Photovoltaik erzeugt werde. Besseres Image Um eine positive Meinung geht es auch Dasch vom Sonnenhaus-Institut. Die sollte sich auf die Solarthermie richten, die ins Hintertreffen geraten sei. Einige Jahre lang sei ein jährlicher Zuwachs bei Sonnenhäusern zu verzeichnen gewesen. Jetzt bewege sich die Zahl der neuen Projekte nur auf einem gleichbleibenden Niveau. Das hänge mit der Förderpolitik sowie der Bevorzugung der Photovoltaik zusammen. Weil in der neuen EnEV in den Energieklassen die Endenergie statt der Primärenergie eine große Rolle spiele und somit die Wärmepumpen bevorzugt würden. Bei einem Sonnenhaus, das auf Holz für den Rest-Energiebedarf setze, sei aber die höchste Energieklasse nicht zu erreichen. Und auch bei Kriterien der KfW Bank komme das Sonnenhaus nicht richtig zum Zuge. Denn beim „Effizienzhaus 40“ werde die Dämmung bevorzugt, die im Sonnenhaus aufgrund der regenerativen Energiegewinne nicht so dick sein müsse, um letztlich auf das gleiche Ergebnis zu kommen. Wichtig, so Dasch, seien auch verstärkte Forschungs- und Entwicklungsanstrenungen, um günstigere Kollektoren, Speicher und Systemtechnik für Sonnenhäuser zu bekommen. Auch jetzt sind allerdings Sonnenhäuser bereits gut verkäuflich. So habe die FASA AG einige Projekte umgesetzt, erklärt deren Pressesprecher Gerald Schwenk. Eine Siedlung mit 20 Gebäuden mit dem so bezeichneten Standard „ENERGETIKhaus 100“ sei fast fertig. Zunehmend würden auch Altbauten zu Sonnenhäusern umgebaut, die sehr hohe solare Deckungsraten über große Kollektorflächen und Speicher erreichen. Es habe lange gedauert, bis eine größere Nachfrage nach diesen Gebäuden zu verzeichnen gewesen sei, sagt Schwenk: „Doch jetzt kommt eine Wende.“ Aktiv im Bereich der Sonnenhäuser ist auch die Helma Eigenheimbau AG, der ebenso wie FASA Timo Leukefeld bei der Konzeption der Gebäude geholfen hatte. Das Sonnenhaus gehört nun zum Standardangebot von Helma. Zusammen mit dem Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) und der RESOL – Elektronische Regelungen GmbH arbeitete das Unternehmen an einem neuen Speicherkonzept für Sonnenhäuser. Dabei soll der große Speicher, der sonst speziell in den Baukörper integriert werden muss, deutlich verkleinert und durch Bauteilaktierung und das Aufladen des Erdreichs ersetzt werden. Nach ersten Analysen der Forscher kann das Volumen des Wasserspeichers im Beispielhaus von 7,3 auf 1,5 Kubikmeter reduziert werden. RESOL entwickelte für die Verteilung der Wärme eine neue Regelungstechnik. Standards definieren Es gibt also im Bereich der Solar-Nutzung in Gebäuden noch Neuerungen zu verzeichnen. Wichtig wäre aber auch, Standards zu definieren. Derzeit ist die Vielfalt der Begriffe, die Ähnliches bezeichnen sollen, für potenzielle Interessenten eher verwirrend. Es gibt eine Definition des Passivhauses, doch bei „aktiven“ Gebäuden mit niedrigem Energiebedarf und
Solarnutzung gibt es neben dem Sonnenhaus, dem Effizienzhaus Plus und dem Plusenergiehaus noch das Aktiv-Solar-Haus, das Aktivhaus (geschützt durch den Archtitekten Werner Sodeik), das Solarhaus und weitere firmeneigene Begriffe. Vor kurzem neu gebildet hat sich zudem in Frankfurt der Verein Aktivplus e.V. , der sich ebenfalls mit aktiv beheizten Gebäuden befasst. Vorstandsmitglied Boris Mahler erläutert, der Ansatz sei umfassend und schließe den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes ein. Dabei sei eine nur jahresbilanzielle Betrachtung des Gebäudes nicht ausreichend, doch – ähnlich wie bei anderen „aktiven“ Gebäuden – muss nicht unbedingt der Pas­siv­haus­stan­dard bei der Dämmung erreicht werden. Text: Andreas Witt, Foto: FASA AG

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