Dirk Becker (SPD) im Interview: Vorhandene Potenziale erschließen!

Dirk Becker, SPD-Bundestagsabgeordneter, hat zum Jahreswechsel von Wolfgang Tiefensee, dem neuen thüringischen Wirtschaftsminister, die Funktion des Fraktonssprechers im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie übernommen. Damit ist er in der SPD-Bundestagsfraktion einer der für Energiepolitik wesentlichen Politiker. Wir sprachen mit ihm über die anstehenden Aufgaben im Bundestag.

Solarthemen: Was verbinden Sie mit Ihrer neuen Funktion?

Dirk Becker: Ich sehe aktuell enorme wirtschaftliche Potenziale der Energiewende, auch für neue Arbeitsplätze, gerade in den Bereichen des Wärmemarktes und der Energieeffizienz.

Welche Aufgaben sehen Sie für den Bundestag in den kommenden Monaten im Energiebereich?

Vordringlichstes Thema dürfte jetzt ein neues Strommarktdesign sein. Gelingt es, die Fehlstellungen, die wir zur Zeit im Strommarkt haben, zu beseitigen? Sind wir in der Lage, die Maßnahmen, die jetzt von den Gutachtern vorgeschlagen wurden, um den Energy-only-Markt zu reformieren, möglichst zügig umzusetzen? Was heißt das dann für die weitere Entwicklung der Kraftwerkskapazitäten. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich in den nächsten zwölf Monaten zum Abschluss kommen müssen. Parallel dazu müssen wir natürlich auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Fahrplan bleiben. Die Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes steht an. Und wir müssen endlich die Impulse für den Wärmemarkt aussenden und verlässliche Investitionsrahmenbedingungen schaffen, damit wir endlich im Wärmemarkt über faire Energieeffizienz die Potenziale heben, die in Deutschland vorhanden sind.

Sie haben den Wärmemarkt als Potenzial angesprochen. Wie kann man zu Verbesserungen kommen?

Wenn wir uns mal die Bilanz im Gebäudebestand in den letzten Jahren angucken, dann gab es verschiedenste Einflüsse, die eigentlich nicht die Investitionen ausgelöst haben, die wir hätten auslösen wollen und müssen – und das vor dem Hintergrund eines historisch niedrigen Zinsniveaus. Eigentlich wäre es jetzt ja wirklich möglich zu investieren. Das hat auch etwas mit der Verunsicherung der Gebäudeeigentümer zu tun. Sie fragen sich, was sind politische stabile Rahmenbedingungen, was gibt es für Förderungen, Subventionen, Zinserleichterungen und Steuererleichterungen. Bis das nicht abschließend klar ist, warten sie ab. Und ich glaube, ganz wichtig ist es, dass wir jetzt in dieser großen Koalition einen Förderrahmen, einen Rahmen für den Wärmemarkt schaffen, der auch über die Legislaturperiode hinaus Verlässlichkeit bringt. Außerdem sollten wir viel stärker in die Fläche gehen, in die Region, in die Städte und Gemeinden, um auch quartiers- und kommunalbezogene Wärmekonzepte zu entwickeln. Denn die Wohnungsmarktsituation stellt sich in Großstädten wie Berlin völlig anders dar als in einigen ländlichen Regionen Deutschlands, wo die Städte kleiner werden und eventuell Quartiere ganz wegfallen. Wir sollten gemeinsam mit den Leuten vor Ort eine Wärmemarktentwicklung vorantreiben.

Können Sie an einem Beispiel erläutern, was Sie damit meinen?

Ich kann bei mir aus dem Wahlkreis Lippe berichten, wo man überlegt, wie unsere Stadt in 30 Jahren aussehen wird, was wir für Hintergründe bei der Stadtentwicklung haben. Und wenn man dazu eine Vorstellung hat, kann man auch Nahwärmekonzepte entwickeln oder auch quartiersbezogene Gebäudesanierungen angehen.

Aber wie kann die Bundespolitik einen solchen kommunalpolitischen Ansatz stützen?

Wir können es zum einen stützen durch die Angebote, die wir machen, beispielsweise über die KfW Bank, dass man gerade auch für diese quartiersbezogenen Ansätze Mittel zur Verfügung stellt. Und indem man einen ganz entscheidenden Schritt vollzieht, dass wir jetzt endlich die Märkte für Energieeffizienz und Wärme verklammern.

Im Strombereich stehen für erneuerbare Energien zwei Themen an: die Ausschreibungen für die Photovoltaik-Freiflächenanlagen und das von einigen so bezeichnete regionale Grünstromprivileg. Zunächst zu den Ausschreibungen, deren Regelung Ende letzten Jahres verschoben wurde. Wo sehen Sie die Probleme, die einen Beschluss verhindert haben?

Es gibt noch keine abgestimmte Position zwischen den Koalitionsparteien und auch nicht innerhalb der Bundesregierung. Für die Ausschreibungen wurden beihilferechtliche Gründe und eine mögliche Kosteneffizienz angeführt. Nun gibt es nach meiner festen Überzeugung eine Logik, dass, wenn ich möglichst günstig ausschreiben will, ich eine möglichst große Flächenvielfalt herstellen muss. Das heißt, ich muss weg von der jetzigen Verengung auf Konversionsflächen, sondern ich muss wettbewerblich deutschlandweit die wirtschaftlich attraktivsten Flächen ausschreiben können. An dieser Stelle ist es uns leider bisher nicht möglich, diese Linie gemeinsam mit dem Koalitionspartner zu verfolgen. Da gibt es in der Union stark landwirtschaftlich geprägte Interessen, die Angst haben, dass landwirtschaftlich wertvolle Flächen für Photovoltaikanlagen vergeudet werden könnten. Nach unserer Auffassung ist dies schon alleine durch das relativ geringe Volumen, das wir ausschreiben wollen, nicht zu befürchten. Aber es ist uns nicht möglich, hier zu einer Einigung zu kommen. Und von daher wird es wohl bei der verengten Flächenkulisse bleiben. Das andere ist die Frage, nach welchen Modellen mit gleitender oder fixer Prämie man ausschreibt. Auch da gab es unterschiedliche Ansätze und es ist noch einiges an Überzeugungsarbeit nötig. Für mich ist aber klar, dass man möglichst viel Freiraum und variable Ansätze braucht, wenn man denn überhaupt zu einer erfolgreichen Ausschreibung kommen will.

Was ist Ihre Einschätzung, wie viel Diskussionsbedarf gibt es noch?

Nach meiner Einschätzung geht es nicht mehr um Diskussionsbedarf, sondern darum, ob man bereit ist, ein paar Bedenken zunächst hinten anzustellen. Wir reden ja nur über ein Pilotvorhaben und nicht über die abschließende Regelung. Wenn man bereit ist, für zwei Jahre dem Ministerium möglichst viel Handlungsspielraum zu geben, die verschiedendsten Dinge auszuprobieren, um danach schlauer zu werden.

Ein anderes Thema im Zusammenhang mit dem EEG ist die Verordnung für eine regionale Grünstromvermarktung. Wie aussichtsreich ist es, dass es tatsächlich dazu kommt?

Das ist eines meiner, ich sage mal, Lieblingsthemen. Ich habe auch sehr stark darauf gedrungen, dass es überhaupt diese Verordnungsermächtigung gibt, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir zwingend einen zusätzlichen Vermarktungsweg brauchen. Wir sind dazu in regelmäßigen Gesprächen. Es gibt ein bis zwei Modelle, die schon seit längerer Zeit auch im Rahmen der EEG-Novelle diskutiert wurden. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben uns zuletzt Ende vergangenen Jahres mit dem Ministerium und mit den geistigen Vätern dieses Alternativmodells sowie auch Vertretern der Union getroffen. Da gibt es ein paar Voraussetzungen für ein Vermarktungsmodell, die wir formuliert haben: Die erste ist die Europarechtskonformität, die zweite die Kostenneutralität. Die Verfechter des Modells haben uns vorgetragen, dass sie davon ausgehen, dass beides gegeben ist. Und wir haben mit dem Ministerium vereinbart, dass wir zu Beginn dieses Jahres eine weitere Runde auch gemeinsam mit den Kollegen von der Union machen. Ich habe die Hoffnung, weil die regionale Vermarktung sehr viele Vorteile bringen kann, dass wir da bis zum Sommer zu einer Lösung kommen.

Meinen Sie, dass es bis zum Sommer einen Entwurf des Ministeriums geben soll oder dass der Bundestag dies zum Sommer beschlossen haben könnte?

Es gab beim letzten Treffen die Zusage, dass man die Europarechtskonformität noch einmal überprüfen wird und dass es dann im Januar oder Februar zu einem weiteren Gespräch mit dem Ministerium kommen wird. Und da werden wir uns auf den Fahrplan verständigen. Ich möchte es bis zum Sommer komplett abgeschlossen sehen. Sicherlich haben die Ministeriums-Mitarbeiter sehr viel auch mit anderen Themen zu tun. Aber es gibt die Zusage an meine Fraktion, dass man die Verordnungsermächtigung mit Leben füllen will.

Derzeit lässt sich beobachten, dass es im Bereich der erneuerbaren Energien Brachen gibt, so bei der Photovoltaik, denen es nicht so gut geht. Das ist auch auf die EEG-Novellen der letzten Jahre zurückzuführen. Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, in den nächsten zwei Jahren das EEG nachzubessern, falls es noch zu weiteren Rückgängen im Markt kommt?

Ich habe gerade jetzt mit einem Kollegen vereinbart, dass wir uns noch im Februar die aktuellen Zahlen anschauen. Es war relativ klar, dass es nach der Novelle einen Einbruch geben wird. Wir müssen aber schauen, und das müssen wir auch gemeinsam mit Branchenvertretern analysieren, ob der PV-Bereich 2015 in den politisch beschlossenen Korridor zurückkehren wird. Und jetzt ist es Aufgabe des Gesetzgebers, nicht nur zu sagen, dass dann die Degression vielleicht etwas geringer ausfällt und ja Steuerungsmechanismen eingebaut wurden. Wenn diese Mechanismen aber versagen, dann muss der Gesetzgeber bei Unterschreitung genauso reagieren, wie er in den vergangen Jahren bei den massiven Zubauzahlen und Überschreitungen reagiert hat. Das ist ein Akt der politischen Glaubwürdigkeit.

Interview: Andreas Witt
Foto: SPD

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