PV-Bezugszähler: Pragmatik ist gefragt

Zweirichtungs-StromzählerFoto: Guido Bröer
Solarthemen 439: In der Frage unverhältnismäßiger Grundpreise für nicht oder kaum messbare Strombezugskosten von Photovoltaikanlagen zeich­nen sich nur langsam Lösungen ab.

Noch immer sieht sich eine statistisch nicht erfasste, sehr große Zahl von PV-Anlagenbetreibern mit Forderungen von Stromversorgungsunternehmen konfrontiert. Die Solarier sollen Grundgebühren in Höhe von typischerweise 50 bis 100 Euro jährlich dafür bezahlen, dass ihre Anlagen bei Nacht einen minimalen Stromverbrauch haben könnten – teils auch, wenn dieser gar nicht messbar ist. Bei der Rechtsberatung des Deutschen Solarbetreiber-Clubs (DSC) bezögen sich auf diese skurile Problematik seit Monaten die meisten Anfragen, berichtet der DSC-Vorsitzende Jan Wecke. Für die meisten Betroffenen war bislang nicht einmal klar, bei wem sie sich eigentlich zu beschweren haben – beim örtlichen Grundversorger, der ihnen Rechnungen und Mahnungen ins Haus schickt, oder beim Verteilnetzbetreiber, der in der Regel den Zähler betreibt? Diverse um Klärung bemühte Aussagen von Bundesnetzagentur, Clearingstelle EEG, und Schlichtungsstelle Energie haben das Problem nicht flächendeckend behoben, sondern teils nur neue Fragen aufgeworfen (Solarthemen 431). Zumindest für jenen großen Teil von Kleinanlagen, deren Zähler tatsächlich seit Installation der Anlage keinerlei Verbrauch anzeigt, scheinen sich nach der jüngsten Stellungnahme der Bundesnetzagentur (BNetzA) vom 19. August 2014 nun langsam pragmatische Lösungen zu verbreiten. Zwar bestätigt die BNetzA, dass es im Ermessen des Netzbetreibers liege, auf den Einbau von Zweirichtungszählern zu bestehen, obwohl ein Einrichtungzähler ohne Rücklaufsperre nach Ansicht der Clearingstelle EEG bei Anlagen bis 30 kW ausreicht. Allerdings kommt aus Sicht der BNetzA kein Entnahmevertrag zustande, wenn der Zähler keinen Strombezug anzeigt. Im E.ON-Konzern, dessen Netz- und Vertriebs-Töchter in dieser Sache in vielen Fällen für Ärger und Verwirrung gesorgt haben, orientiert man sich nunmehr an der BNetzA-Linie. Das Unternehmen teilte auf Solarthemen-Anfrage mit: „Bei den Netzbetreibern des E.ON-Konzerns können Grundversorger – und damit auch die E.ON Energie Deutschland – bis zur erstmaligen Entnahme von Strom eine Stornierung der Netznutzungsabrechnung (Grund- und Arbeitspreis) verlangen. Wenn die Anlage keine einzige Kilowattstunde verbraucht, berechnen die E.ON Netzbetreiber also keine Netzkosten und E.ON Energie Deutschland als Vertriebsgesellschaft stellt Kunden in einem solchen Fall auch keine Rechnung.“ Wenn aber die erste Kilowattstunde Verbrauch gemessen werde, entstehe ein Grundversorgungsvertrag, so E.ON-Sprecher Michael Krautzberger: „Dann stellt E.ON Energie Deutschland dem Kunden eine Rechnung über den Grundpreis und die verbrauchten Energiemengen.“ Betroffene Anlagenbetreiber, denen eine Forderung des Grundversorgers vorliegt, obwohl kein Bezugsstrom messbar ist, sind also gut beraten, die Stornierung dieser Forderung zu verlangen. Parallel zum Versorger sollten sie auch beim Netzbetreiber darauf beharren, dass kein Stromliefervertrag zustande gekommen ist. Wie unbürokratisch das Problem zu lösen ist, machen dieser Tage die neugegründeten Stadtwerke Lippe-Weser vor, die zum 1. Januar 2015 die Netze in vier nordrhein-westfälischen Gemeinden übernommen haben. Ersten PV-Betreibern mit Zweirichtungszählern bot das Unternehmen sofort nach Netzübernahme schriftlich an: „Da ihre PV-Anlage in den letzten Jahren keinen Stromverbrauch hatte, können wir Ihnen ab 1.1.2015 anbieten, dass wir als Ihr neuer Netzbetreiber das Zählwerk bei Ihrem Lieferanten abmelden. Dieser Service ist für Sie kostenlos.“ Für solche PV-Anlagen, deren Elektronik tatsächlich geringe Strommengen aus dem Netz bezieht, empfiehlt der DSC – und auch Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) schließt sich dieser Empfehlung an – die Möglichkeit einer bilanziellen Abrechnung der Strommengen zu prüfen. In der Regel muss dazu nur der Zähler neu verschaltet werden. Der PV-Zähler wird nicht mehr direkt ans öffentliche Netz angeschlossen, sondern auch bei Volleinspeisern an das Hausnetz. Das sei allemal günstiger als 20 Jahre lang eine Grundgebühr zu zahlen, sagt Thomas Seltmann vom DSC. Foto: Guido Bröer

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