PV-Anlagen bald nur noch mit smartem Zähler

Solarthemen 441. Auf die Betreiber auch beste­hen­der Solarstromanlagen kommt ei­ne neue Verpflichtung zu. Alle Anlagen ab 800 Watt sollen laut Bundeswirtschaftsministerium mit ei­nem intelligenten Zähler oder sogar einer intelligenten Messstelle ausgestattet werden. Besondere Anforderungen könnten für Eigenverbraucher gelten. Dies soll der Stabilität der Netze und der Energiewende dienen. Doch Experten sehen dies nicht als notwendig an.

Am Montag dieser Woche hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ein Eckpunktepapier für das Verordnungspaket „Intelligente Netze“ veröffentlicht. Darin geht es in erster Linie um verbindliche Vorgaben für den Einsatz intelligenter Messsysteme (Smart Me­ter). Staatssekretär Rainer Baake erklärte hierzu, in einem Stromsystem mit volatilen, dezentralen Erzeugungsanlagen sei es eine besondere Herausforderung, Angebot und Nachfrage nach Strom stets in Einklang zu bringen. „Um das System auch künftig sicher zu führen, brauchen wir eine sichere und moderne Mess- und Steuerungstechnik im Stromversorgungsnetz“, so Baake, „die zuverlässige Einspeisewerte und Netzzustands­inform­ationen liefert.“ Das Eckpunktepapier soll dafür die Grundlage schaffen. Es enthält einen genauen Zeitplan, welche Stromkunden und welche Energieerzeuger intelligente Zähler und Messsysteme wann nutzen müssen. Smart-Meter-Rollout Während die Zähler lediglich den aktuellen Energieverbrauch erfassen und ihn für den Verbraucher sowie den Netz- bzw. Messstellenbetreiber ablesbar machen, kann über die Messsysteme samt „Smart Meter Gateway“ auch steuernd auf die Anlagen zugegriffen werden. Das Eckpunktepapier ist ein Ergebnis der Diskussion um den „Rollout“, also die möglichst umfassende Einführung von Smart Metern in Europa. Mit dem Verordnungspaket zu intelligenten Netzen soll dies in Deutschland umgesetzt werden. Nachdem eine Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young bereits zu dem Ergebnis kam, dass es unwirtschaftliche wäre, jeden Stromkunden mit einem intelligenten Messsystem auszustatten, soll sich die Einführung der Systeme nun zunächst auf dezentrale Erzeuger und größere Stromverbraucher ab 6000 Kilowattstunden im Jahr konzentrieren. Dabei sollen bei den größeren Stromverbrauchern ohne Lastgangmessung zunächst ab 2017 diejenigen mit mindestens 20000 Kilowattstunden mit Messsystemem ausgestattet werden, ab 2019 Verbraucher mit mindestens 10000 Kilowattstunden und ab 2021 die Stromkunden mit mindestens 6000 Kilowattstunden Verbrauch. Direkt in den Fokus des Smart-Meter-Rollouts geraten ab 2017 alle Erzeugungsanlagen. Ab 7 kW wird das Messsystem hier Pflicht und dies gilt auch für Altanlagen. Ausnahmen gibt es nur, wenn dem Netzbetreiber die Installation im konkreten Einzelfall zu aufwändig erscheint. Allerdings kann bei kleinen Anlagen auf eine Steuerbox, über die der Netzbetreiber oder sein Direktvermarkter auf die Anlagen zugreifen könnten, zunächst verzichtet werden. Dies ist laut Eckpunktepapier für größere Anlagen geplant, bei denen das EEG Steuerungstechnik vorschreibt. Diese Forderung ist nicht mit einer bestimmten Anlagenleistung verknüpft, sondern wird möglicherweise auch davon abhängen, wann eine Anlage in Betrieb ging und welche technischen Anforderungen das für diese Anlage gültige EEG formuliert. Nach dem derzeitigen EEG könnten davon Anlagen ab 30 kW betroffen sein. Bei Anlagen ab 100 kW, die auch jetzt schon mit Steuerungstechnik ausgestattet sein müssen, soll diese ab 2019 nach und nach durch intelligente Messsysteme samt Steuerbox ersetzt werden. Erzeugungsanlagen zwischen 800 Watt und 7 kW sollen ausnahmslos mit intelligenten Zählern ausgestattet und nachgerüstet werden. Allerdings wird den Netz- bzw. Messstellenbetreibern hier offenbar eine längere Übergangsphase von einigen Jahren eingeräumt, um die Umrüstung zu schaffen. Kosten auf 100 Euro deckeln Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor, die Kosten, mit denen die Anlagenbetreiber durch die Zähler oder Messsysteme belastet werden, zu begrenzen. Intelligente Zähler sollen Stromkunden und Anlagenbetreiber für Einbau und Betrieb jährlich rund 20 Euro kosten, die Messsysteme weniger als 100 Euro. Bei einer 7-kW-Anlage wäre dieser Betrag allerdings schon eine vergleichsweise hohe Belastung und würde mehr als 10 Prozent der Einspeisevergütung fressen. Noch scheint sich das BMWi nicht entschieden zu haben, ob eventuell sogar kleinere Anlagen mit den dann teuren Messsystemen ausgestattet werden müssen. Im Eckpunktepapier erklärt das Ministerium: „Es wird geprüft, ob für Eigenverbrauchs-Konstellationen (sog. Prosumer) grundsätzlich Einbaupflichten für intelligente Messsysteme vorgesehen werden sollten.“ Dies könnte also auch sehr kleine Systeme treffen. Begründet wird der vorgeschlagene, bis 2032 flächendeckende Ausbau von intelligten Zählern und Messsystemen mit den Anforderungen, die eine fluktuierende Stromerzeugung an das Stromversorgungssystem stellt. Zusammengehalten wird ein solches System nach Aussage des BMWi von intelligenten Netzen, die nicht nur Strom transportieren und verteilen, sondern stets auch das notwendige Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch sicherstellen müssten. Die hohen Anforderungen habe die im September 2014 ver­öffentlichte BMWi-Verteilnetzstudie aufgezeigt. Allerdings zeigt diese Studie auch, dass sehr viele Verteilnetze schon eine ausreichende Kapazität haben und netzentlastende Maßnahmen daher nicht überall erforderlich sind. Vor diesem Hintergrund lässt sich hinterfragen, welchen Nutzen es haben soll, Betreibern von kleinen Eingenverbrauchsanlagen generell Mess­systeme vor­zu- schreiben. Für die Netzsteuerung sei eine Ausstattung von kleinen PV-Anlagen mit intelligenten Zählern nicht erforderlich, sagt Bernd Engel, Professor an der TU Braunschweig und Vorstandsbeauftragter Netzintegration der SMA Solar Technology AG. Abhängig von der Sonne ließen sich sehr gut Kurzfrist-Prognosen zur PV-Leistung erstellen. Dies zeigten die etwa von Wechselrichterherstellern betriebenen Portale. Und es liegt wohl auf der Hand, dass es für Netzbetreiber sogar relevanter ist zu prognostizieren, welche von Photovoltaikanlagen eingespeiste Leistung in einer Stunde zu erwarten ist, als die aktuelle Leistung zu messen. So verdeutlichte Christofer Wittwer vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme bei der OTTI-Fachtagung „Zukünftige Stromnetze für Erneuerbare Energien“, dass je nach Wetterlage mit großen Leistungsgradienten zu rechnen sei. Als Beispiel diente ihm die teilweise Sonnenfinsternis, die am 20. März 2015 gegen 10:30 Uhr in Deutschland eintreten wird und kurzzeitig, sollte der Tag sehr sonnig sein, für eine schnelle Reduktion der Solarleistung sorgen wird. Es seien aber auch an normalen Tagen mit Wolkengang beim Betrieb von deutlich mehr PV-Anlagen schnell verfügbare Flexibilitäten in Form von Speichern und Lasten erforderlich. Eine Option, um PV-Lasten zu glätten sind dabei nach Aussage von Johannes Weniger von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft Batteriespeicher. Die Studien der HTW zeigten, dass der Effekt von Speichern aber nur bei dynamischer Einspeisebegrenzung deutlich positiv sei. So trage schon der Eigenverbrauch zur Reduktion von Einspeisespitzen bei, doch ein Speicher allein bewirke nur eine minimale weitere Verringerung. Dies ändere sich erst bei einer dynamischen Einspeisebegrenzung. Jedoch müssten dafür die regulatorischen Rahmenbedingungen weiter entwickelt werden. Speicher sind nützlich Mit Blick auf die Netze sei es gut, die PV-Anlage durch einen Speicher zu ergänzen, sagt Engel, jedenfalls dann, wenn er netzdienlich betrieben werde. Das sei der Fall, wenn die Kriterien des KfW-Speicherprogramms erfüllt würden. Auf künftige Entwicklungen werde man bei neueren Speicher- und Wechselrichtersystemen mit Software-Updates reagieren können, so Engel:„Ein solches Speichersystem ist das Optimum, um mit PV-Systemen künftig möglicherweise erforderlichen Veränderungen begegnen zu können.“ PV-Systeme könnten künftig in der Lage sein, frequenzabhängig das Netz zu stützen und einzugreifen, wenn die Frequenz auf 49,8 Hertz abfallen sollte. So könne das Netz über Leistung aus dem Batteriespeicher gestützt werden. In jedem Fall wird das gesamte Stromsystem flexibler werden müssen. Dies zeigt auch eine neue Studie des Bundesverbandes Erneuerbare Energien zur Strommarkt-Flexibilisierung, die beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) und Energy Brainpool in Auftrag gegeben wurde. Sie beschreibt eine Reihe von Maßnahmen, die erneuerbare Energien besser in den Regelleistungsmarkt integrieren könnten und entwickelt neue Preisanreize, um bei den Verbrauchern mehr Flexibilität zu fördern. Dafür wären gerade auf Seiten der Verbraucher Smart Meter sinnvoll, sofern hier Lasten zeitlich verschoben werden können. Text: Andreas Witt Foto: www.siemens.com

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