David Stickelberger im Interview: Solare Schweiz – Eine politische Gratwanderung
Solarthemen: Das Bundesamt für Energie hat eine Studie veröffentlicht, laut der Solarwärmeanlagen in der Schweiz doppelt so teuer sind wie im angrenzenden Baden-Württemberg und in Österreich. Ist die Schweiz ein Paradies für Solarthermie-Anbieter?
David Stickelberger: Ja, das würde man eigentlich meinen. Aber das Installationsgewerbe in der Schweiz und auch im angrenzenden Baden-Würtemberg scheint so gut ausgelastet zu sein mit anderen Arbeiten im Sanitär- und Heizungsbereich, dass sie an der Solarthermie mit ihren offenbar doch nicht so großen Margen nicht besonders interessiert sind. Wir stellen leider keinen großen Enthusiasmus der Fachunternehmen in diesem Bereich fest.
Warum können Installateure denn keine ausreichenden Margen realisieren, wenn die Anlagen doch zu fürstlichen Preisen verkauft werden?
Es gibt schon Margen, aber die sind offenbar immer noch um einiges geringer als bei Sprudelbädern oder ähnlichen Luxus-Installationen. Das liegt daran, dass der individuelle Planungs- und Installationsaufwand für die Solarthermie relativ hoch ist. Das Copy-and-Paste-Verfahren funktioniert hier nicht so gut. Man muss nicht nur in Badezimmer und Keller etwas machen, sondern auch auf dem Dach. Da fehlen dann die Dach-Kompetenzen.
Bis 2010 sind die Solarthermie-Installationen in der Schweiz recht kontinuierlich gestiegen und haben sich dann bis 2013 auf diesem Niveau beinahe gehalten. Wie hat sich der Markt in 2014 entwickelt und wie wird es voraussichtlich weitergehen?
Für 2014 gehen wir von einem Marktrückgang von etwa 15 Prozent aus. Und auch für 2015 gibt es bislang keine Signale für Wachstum. Auch deshalb, weil die Förderung der Photovoltaik durch Einmalvergütung und Einspeisevergütung zu einer starken Konkurrenz gerade im Einfamilienhaus führt. Wir haben eine Konkurrenzsituation zur Kombination Photovoltaik plus Wärmepumpe. 80 Prozent der neu gebauten Einfamilienhäuser haben bei uns eine Wärmepumpe und auch im Sanierungsbereich kommt die Wärmepumpe immer stärker. Da drängt es sich fast auf, die Wärmepumpe mit einer Photovoltaikanlage zu kombinieren.
Eine ähnliche Rolle wie die EnEV in Deutschland spielen in der Schweiz wohl die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn). Was ist aus Sicht der Solarbranche wichtig an den gerade neu beschlossenen MuKEn 2014?
Es gab ja schon in den bisher geltenden MuKEn die Regelung, dass bei Neubauten maximal 80 Prozent der Energie aus nicht-erneuerbaren Energien kommen darf. Aber es gibt zwei ganz wichtige neue Punkte. Das erste wesentliche neue Element ist, dass auch bei Heizungssanierungen 10 Prozent des Energiebedarfs aus Erneuerbaren gedeckt werden muss. Der zweite wichtige Punkt ist die Pflicht zur eigenen Stromproduktion bei Neubau- ten – sprich Photovoltaik.
Außer Photovoltaik käme dann also allenfalls ein kleines Windrad in Frage. Was ist mit Blockheizkraftwerken?
Ein Blockheizkraftwerk ist möglich, wenn es mit Biogas betrieben wird – sonst nicht. Die Vorgabe heißt: erneuerbare Stromproduktion.
Ist mit den neuen MuKEn 2014 die Energiewende für den Schweizer Wärmemarkt jetzt ausgemachte Sache?
Unmittelbar bringt das gar nichts. Denn das sind ja Musterregelungen, die erst noch von jedem einzelnen Kanton umgesetzt werden müssen. Das heißt, dies muss in jedem Kanton den ganzen politischen Prozess durchlaufen. Da rechnen wir schon noch mit einigem Widerstand. Vor allem gegen die Pflicht, bei Heizungssanierungen einen Teil des Energiebedarfs im Haus selbst bereitzustellen. Auch die Pflicht, bei Neubauten einen Teil des Stroms selbst zu produzieren, was ja klar für die Photovoltaik spricht, wird sicher noch heiß umkämpft werden. Aber: Das Signal ist natürlich sehr positiv. Wir hoffen natürlich und werden uns auch dafür engagieren, dass dies von den Kantonen so umgesetzt wird.
Geht es jetzt bei der Umsetzung der MuKEn-Vorgaben durch die Kantone nur noch im das Wie oder auch um das grundsätzliche Ob?
Es geht schon noch um die Frage des Ob. Man kann es den Kantonen nicht vorschreiben. Im Prinzip haben die Energiedirektoren der Kantone gesagt, jawohl, wir setzen das um. Aber man muss sich im Klaren sein, dass Schweizer Politik noch viel unberechenbarer ist als etwa deutsche Politik. Es können auf jeder Ebene – Bund, Kantone, Gemeinden – Referenden initiiert werden, mit denen man Gesetze, die von einem Parlament beschlossen worden sind, wieder rückgängig machen kann. Das macht die ganze Sache extrem langsam und unwägbar. Es wird also sicher noch eine Weile dauern, bis das kommt. Es braucht dafür die Signalwirkung einiger großer Kantone, die es machen, und dann folgen erfahrungsgemäß die kleineren Kantone nach.
Wenn Energiepolitik in diesem Maße Sache der einzelnen Kantone ist, wie stark variiert dann die Nutzung der Solarenergie von Kanton zu Kanton. Gibt es da große Unterschiede?
Da haben wir leider keine verlässlichen Statistiken. Manche Kantone sind ja kleiner als das Einzugsgebiet der Installateure. Aber es gibt einige traditionelle Schwerpunktregionen. Eine Schwerpunktregion ist die Nordwestschweiz rund um Basel – weil dort der Widerstand gegen ein lange geplantes Atomkraftwerk die Leute sensibilisiert hat. Ähnliches ist in Genf passiert wegen des damaligen Widerstands gegen den Schnellen Brüter gleich jenseits der Grenze in Frankreich. Das sind Regionen, wo traditionell sehr viel läuft. Ansonsten sind die Unterschiede nicht so groß. Erstaunlich ist aber immer wieder, dass das Tessin, das man die „Sonnenstube der Schweiz“ nennt, im Rückstand ist. Das ist eher eine kulturelle Geschichte. Die Umweltthemen sind im italienischsprachigen Raum nicht ganz so präsent wie im deutschsprachigen Raum.
Nochmal: Wie sieht’s mit einer Prognose für die Solarwärme in diesem Jahr aus?
Ich denke, 2015 wird es nochmal einen deutlichen Rückgang geben. Ich rechne mit 90000 Quadratmetern verglasten Kollektoren – pro Kopf sind das gleich viel, wie in Deutschland 2014 installiert wurden. Wir haben von Swissolar einen Masterplan erarbeitet, den wir Schritt für Schritt umsetzen müssen. Aber das braucht sehr, sehr viel Arbeit. Dabei geht es darum, dass die Branche sich neue Marktsegmente erschließt. Der traditionell beherrschende Markt des Neubaus von Ein- und Zweifamilienhäusern wird an Bedeutung verlieren. Einerseits, weil immer weniger Einfamilienhäuser gebaut werden – es ist ja gar kein Platz mehr in der Schweiz. Andererseits, weil dieser Markt wie erwähnt dominiert wird von Wärmepumpen. Stattdessen muss die Branche sich verlagern auf das aus unserer Sicht interessanteste Segment der Trinkwasservorerwärmung in Mehrfamilienhäusern.
Wie steht’s denn eigentlich um die Solarthermieförderung in der Schweiz?
Da sind die Kantone zuständig.
Also in jedem Kanton eine andere Förderung?
Ja, jeder Kanton hat eine andere Förderung. Allerdings gibt es eine gemeinsame Vorgabe – ähnlich der MuKEn – wie diese Förderung ungefähr aufgebaut sein soll. Die wird zurzeit gerade überarbeitet. Wir versuchen darauf Einfluss zu nehmen, damit dies etwas effizienter gemacht wird. Zurzeit haben 24 von 26 Kantonen eine Förderung für Solarthermie. Zum Teil gespeist aus der CO2-Abgabe. Die Finanzierung ist insofern etwas verlässlicher als in Deutschland, wo die Mittel der BAFA-Förderung Jahr für Jahr haushaltsabhängig sind. Im Rahmen der neuen nationalen Energiestrategie soll die CO2-Abgabe erhöht werden. Es besteht damit die Aussicht, dass dann wirklich alle Kantone eine Förderung haben werden. Möglicherweise wird diese Förderung auch besser dotiert sein. Jetzt liegen die Förderungen im Schnitt bei etwa 15 Prozent der Anlagenkosten. Zum Vergleich: 30 Prozent gibt es für die Photovoltaik – da sind also die Spieße definitiv nicht gleich lang. Wir versuchen darauf hinzuwirken, dass die Förderung erhöht wird und dass Anlagen, die mehr leisten, besser gefördert werden. Es sollte auch Anreize geben für eine Ertragsmessung. Wir stellen nämlich gewisse Qualitätsprobleme im Solarthermiemarkt fest. Da sind teilweise Anlagen im Betrieb, die eigentlich nicht mehr laufen, ohne dass es jemand merkt, weil es keine Ertragsüberwachung gibt.
Wie geht Lobbyarbeit, wenn man es mit zig verschiedenen Ansprechpartnern in den Kantonen zu tun hat?
Das ist unglaublich kompliziert. Da muss man sich wirklich auf einige große Kantone beschränken. Es gibt da ein paar Schlüsselkantone wie Zürich, Basel oder Bern, mit denen wir zusammenarbeiten. Die sind auch untereinander gut vernetzt und versuchen sich zu koordinieren. Da kann man anknüpfen.
Interview: Guido Bröer
Foto: Andreas Walker