Thermische Solarparks sind im Kommen

Solarthemen 442. Jahrelang schaute die deutsche Solarthermiebranche neidvoll nach Dänemark, wo weitgehend ohne staatliche Förderung große Kollek­tor­fel­der entstanden. Jetzt gibt es erste Indizien, dass auch hier­zulan­de die solare Nahwärme kurzfristig ihren Exotenstatus verlieren und zur wirtschaftlich attraktiven Lö­sung werden könnte.

Ist der typische Solaracker in Deutschland ein stromerzeugendes Kraftwerk, so produzieren die nicht minder großen Solarwiesen im Nachbarland Dänemark Wärme. Ein solar unterstütztes Nahwärmenetz nach dem anderen wird dort auf Betonschwellen gelegt oder in den Boden gerammt. Das aktuell größte entsteht derzeit in Vojens im südlichen Jütland. Sein bereits fertiggestelltes Kollektorfeld misst 52000 Quadratmeter. Mit seiner Leistung von 37 Megawatt spielt es in einer Liga mit den größten deutschen Photovoltaik-Kraftwerken – bei allerdings deutlich geringerem Platzbedarf . Das wichtigste Argument für die dänische Solarthermietechnik ist der konkurrenzfähige Wärmepreis, der es mit Gas und Öl inzwischen locker aufnehmen kann. In Deutschland hingegen war solare Nahwärme bislang hauptsächlich eine Sache von Demonstrationsprojekten. Die Top-Experten sitzen in einem gemeinnützigen wissenschaftlichen Institut in Stuttgart, dem solites, und ohne öffentliche Forschungsförderung ging fast nichts. Da fällt es schon auf, wenn gleich zwei in europäischen Nachbarländern erfolgreiche Anbieter solarer Nahwärmekonzepte plötzlich in Deutschland Dependancen einrichten und erfahrene Branchenkenner einstellen, um den hiesigen Markt zu beackern. Im Juli 2014 hat die dänische Solarthermiefirma Arcon, die für Vojens und die sieben nächstgrößten europäischen Solar-Wärmeanlagen in Europa verantwortlich zeichnet, in Regensburg ihre deutsche Niederlassung gegründet, die Arcon Solarwärme GmbH. Geschäftsführer ist kein geringerer als Christian Stadler, vormals Technischer Leiter bei General Solar Systems und Mastermind der europäischen Solarthermiebranche im Prozess des EU-Energielabelings für Heizungssysteme. Da mochte die Konkurrenz aus Österreich nicht zurückstehen. Solid aus Graz, im Gegensatz zu Arcon kein Kollektorhersteller, sondern ein herstellerunabhängiger Solarthermie-Projektierer, verpflichtete mit Detlev Seidler den früheren Vertriebsgeschäftsführer der Ritter XL Solar GmbH als ihren Mann für Deutschland. Großes Kundeninteresse Beide, Stadler und Seidler, verzeichnen derzeit ein gr0ßes Interesse bei potenziellen Kunden im deutschen Markt und haben nach eigenen Angaben bereits eine Reihe von konkreten Angeboten für große Solarfelder geschrieben. Da bislang noch keine Verträge in trockenen Tüchern sind, halten sich die Firmen allerdings mit Aussagen zu speziellen Projekten zurück. So könnte es durchaus sein, dass die Branchengröße Viessmann der nächste Player sein wird, der bei dem Thema ein Zeichen setzt. Im Dorf Mengsberg, einem Ortsteil von Neustadt in Hessen, ist die Projektabteilung von Viessmann in die Planung eines Bioenergiedorfes involviert, das nach aktuellem Stand mit einer mehr als 3000 Quadratmeter großen Solarthermieanlage ausgestattet werden soll. Es wäre die erste größere Anwendung für Viessmanns neuen SPL-Kollektor, der im vergangenen Jahr mit dem OTTI-Innovationspreis ausgezeichnet worden ist und mit dem das Unternehmen speziell auf dem Markt der großen Kollektorfelder Fuß fassen will. Die Vakuumröhren werden bei diesem Kollektortyp trocken mit einem großformatigen Fernwärme-Sammlerrohr von 5 bis 10 Zentimetern Durchmesser verpresst. Die Druckverluste im Kollektorfeld blieben auf diese Weise sehr gering, erläutert Produktmanager Thomas Lesch. 18 Prozent Holz sparen Wird das Projekt in Mengsberg realisiert, so sollen dort knapp 1300 Kollektoren installiert werden, die übers Jahr 1,2 Gigawattstunden Wärme liefern könnten – genug um in den geplanten Biomassekesseln 18 Prozent Brennstoff einzusparen. Dieser Prozentsatz kommt nicht von ungefähr, wie der Projektleiter Georg Stegemann von Viessmann erläutert. Der Solaranteil ist so kalkuliert, dass die Kessel im Sommer ganz ausgestellt werden können. Damit würden sogar überproportional Brennstoffkosten und CO2-Emissionen eingespart, argumentiert er, weil Hachschnitzelfeuerungen im sommerlichen Teillastbetrieb keine optimale Effizienz erreichen könnten. Bei aktuellen Zinssätzen könne die solarthermisch gewonnene Energie derzeit zu Vollkosten von 40 bis 45 Euro pro Megawattstunde angeboten werden. Das Solarthema ist allerdings für die Energiegenossenschaft, die sich zum Betrieb des Wärmenetzes gebildet hat, ein neues. In der ersten Machbarkeitsstudie wollten die Mengsberger ihr Bioenergiedorf 2013 noch auf Basis einer Biogasanlage realisieren. Doch dies habe sich seit der jüngsten EEG-Novelle erledigt, erklärt Stegemann. In Mengsberg habe man deshalb vom Biogas-BHKW auf Holzkessel umgesattelt. Der Trend lasse sich auch in anderen werdenden Bioenergiedörfern beobachten, meint Stegemann. Für die großflächige Solarthermie könnte sich der Biogas-Deckel im neuen EEG auf diese Weise als Glücksfall erweisen. Denn wo ein EEG-finanziertes Biogas-BHKW preiswerte Abwärme zur Verfügung stellt, da konnten sich Solarthermieprojekte bislang nicht rechnen. Und Vollsortimenter Viessmann, der von der Biogasanlage über BHKW und alle Arten von Kessel-Anlagen bis zum Solar-Wärmenetz das ganze Spektrum der regenerativen Wärmeerzeugung abdeckt, machte aus der Not eine Tugend. Die Biogasanlage wurde aus der ursprünglichen Machbarkeitsstudie kurzerhand gestrichen und das Unternehmen hofft nun auf das erste Leuchtturmprojekt für den neuen Solarkollektor. Auch Viessmanns schärfster Wettbewerber auf dem deutschen Heizungsmarkt, die Bosch Thermotechnik, bemüht sich derweil um den Einstieg in das zukunftsträchtige Geschäftsfeld der solaren Nah- und Fernwärme. In der konzerneigenen Kollektorfabrik im westfälischen Wettringen will man das Rad dafür allerdings nicht ganz neu erfinden. Die Projektverantwortlichen setzen dort vielmehr auf eine für große Kollektorfelder optimierte Kombination aus Hochleistungs-Flachkollektor und Befestigungssystem. „Der Kollektor auf Basis der Standardplattform mit 2,6 Quadratmetern Fläche wird vom Anlagenbauer auf auf großen Tischen einfach und schnell montiert“, erklärt Ralf Winnemöller, der bei der Bosch Thermotechnik GmbH das solare Projektgeschäft verantwortet. So sollen die Vorteile der bestehenden modularen Massenfertigung auch für das neue Marktsegment genutzt werden. Modulares Konzept „Mit der Kombination aus Kollektor und Gestell sind wir in der Lage, auch Anlagen im Bereich von mehreren tausend Quadratmetern wettbewerbsfähig anbieten zu können“, sagt Winnemöller, der vor seinem Wechsel zu Bosch viele Jahre in Diensten des österreichischen Solarwärmeanbieters Sonnenkraft stand. Wichtig sei für das Solarkonzept allerdings, dass es sich um ein modernes Wärmenetz handele, bei dem die Rücklauftemperaturen nicht allzu hoch lägen. Das Interesse bei Wärmenetzbetreibern und Contractoren sei in letzter Zei stark gestiegen, konstatiert der Solarexperte, und zwar gerade auch in Verbindung mit den boscheigenen Lösungen für BHKW und Industriewärmepumpen. Christian Stadler von Arcon kann zwar nur mit Solarkompetenz auftrumpfen, dies dafür um so nachdrücklicher mit dem Hinweis auf die 25-jährige Erfahrung seines Unternehmens mit solaren Wärmenetzen. Weil sich die Sonderstellung von Arcon in Dänemark inzwischen auch hier herumgesprochen hat, verzeichnet Stadler nur ein halbes Jahr nach Gründung seiner deutschen Dependance „mehr Interesse als ich zu hoffen gewagt hatte.“ Die Anfragen kämen aus allen drei Bereichen, die für die netzgebundene Solarwärme grundsätzlich interessant seien, so Stadler. Zum einen seien dies die Energiegenossenschaften, die sich landauf, landab immer mehr für das Thema Wärme interessierten. Zum zweiten erlebt Stadler viele Stadtwerke inzwischen als sensiblisiert, die sich teilweise sogar für das Thema saiso­nale Speicherung interessierten. Und drittens sei auch die solare Einspeisung in ganz große Fernwärmenetze ein zunehmend heißes Thema, so Stadler. Auch relativ hohe Temperaturniveaus seien dabei kein Hinderungsgrund: „80-60-Netze erschrecken uns nicht“, sagt er. Mit ihren Wärmegestehungskosten sei die Solarthermie inzwischen wettbewerbsfähig: „Wir schreiben aktuell Angebote mit einem Wärmepreis von durchweg 30 bis 50 Euro pro Megawattstunde.“ Der wesentliche Skaleneffekt sei dabei mit der Größe der Anlage verbunden. Wirtschaftlich interessant werde es ab einer Leistung von 1 Megawatt, was rund 1300 Quadratmetern Kollektorfläche entspreche. Ein Grund für die hohe Wirtschaftlichkeit der solaren Netzeinspeisung sind auch ihre relativ hohen Jahresenergieerträge. Stadler ermittelt in seinen Simula­tions­rechnungen für konkrete Projekte durchschnittlich 450 bis 500 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Das sind wesentlich höhere Erträge, als sie typische Solarsysteme erreichen, die im Wohnungsbau eingesetzt werden. Stadler be­gründet dies damit, dass die netzgebundenen Anlagen im Sommer normalerweise keine Stagnationsausfälle hätten. Alte Geschäftsmodelle fraglich Zwar stellt der dänische Arcon-Chef Sören Elisiussen fest, das Solar-Wissen sei bei Stadtwerke-Ingenieuren in Deutschland heute noch nicht sehr verbreitet. Umso mehr spüren diese allerdings, dass ihre tradionellen Geschäftsmodelle für die Fernwärme unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht mehr funktionieren. „Die Kraft-Wärme-Kopplung, die für die meisten Wärmeversorger das Rückgrat gewesen ist, kommt mit den aktuell niedrigen Strompreisen an ihre Grenzen“, sagt Matthias Sandrock von derHIC Hamburg-Institut Consulting GmbH. Der Branchenkenner stellt fest, dass selbst bestehende KWK-Anlagen heute immer häufiger still stehen, weil sich die Wärme teils günstiger in bestehenden Spitzenlastkesseln erzeugen lasse. Mit den reinen Brennstoffkosten dieser Kessel könnten große Solarthermieanlagen mit Gestehungs­- kosten von 35 bis 40 Euro pro MWh konkurrieren, bekräftigt Sandrock. KWK-Novelle kommt „Es ist richtig und wichtig, dass sich die Betreiber von
Wärmenetzen heute wieder stärker auf den Wärmemarkt fokussieren“, sagt Sandrock. Bislang hätten sie sich oft zu sehr auf kontinuierlichen Einnahmen ihrer KWK-Anlagen im Strommarkt ausgeruht. Deshalb beobachtet Sandrock das politische Ringen um die von der Bun­des­regierung angekündigte Novelle des KWK-Gesetzes mit gemischten Gefühlen. Vielen in der tradionellen Energieversorgerlobby gehe vor allem darum, die KWK-Zulage – feste Zuschüsse für die Netzeinspeisung von Strom aus KWK-Anlagen – anzuheben, um den wirt­- schaftlichen Betrieb der Anlagen auf Dauer zu sichern. Damit wäre allerdings der Leidensdruck aufgehoben, der die Versorger neuerdings nach kostengünstigeren Lösungen suchen lässt und damit für die Solarthermie möglicherweise eine Tür aufstößt. Sandrock, der den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) jüngst bei dessen Positionsfindung zur KWK-Gesetzesnovelle beraten hat, schlägt deshalb vor, dass die KWK-Zulage künftig nur noch während der Heizperiode gewährt werden soll. Der BSW wirbt derzeit im politischen Berlin für den Vorschlag, wobei er sich dafür ausspricht, die im Sommer eingesparten Fördergelder auf die winterlichen Fördersätze drauf zu schlagen. So würde sich die Wirtschaftlichkeit für die Anlagenbetreiber insgesamt nicht verschlechtern. „Damit kämen wir genau zu dem System, das wir in Dänemark heute schon sehen“, sagt Sandrock. Dort übernimmt die traditionell starke Kraft-Wärme-Kopplung zunehmend die Rolle eines Lückenfüllers für die Windkraft, die 2014 schon 40 Prozent zum gesamten dänischen Stromverbrauch beisteuerte. Thomas Pauschinger, der sich im Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme, kurz solites, in Stuttgart seit vielen Jahren wissenschaftlich für solare Wärmenetze engagiert, beobachtet den regulatorischen Rahmen genau. Zwar gehe es bei der aktuellen KWK-Novelle um sehr viel Geld, merkt er an, „aber es wäre für die Politik schwierig, auf Dauer gegen generelle Marktveränderungen zu fördern. Dadurch kann sich das Fenster für die solaren Wärmenetze sehr schnell öffnen.“ Die Projekte, von denen jetzt einige in Vorbereitung seien, hätten allerdings einige Jahre Vorlaufzeit, warnt er vor überzogenen Erwartungen. Tief hängende Früchte ernten Während sich das solites seine Meriten früher mit der wissenschaftlichen Begleitung von Demonstrationsprojekten zur saisonalen Wärmespeicherung mit hohen solaren Deckungsraten verdient hat, komme es heute vor allem auf die Demonstration der Wirtschaftlichkeit an, sagt Pauschinger: „Wir brauchen jetzt mehr große Anlagen mit Deckungsraten bis 20 Prozent. Einerseits können dies neue regenerative Wärmenetze in Dörfern und Kleinstädten sein. Andererseits geht es um die Integration der Solarthermie in bestehende Fernwärmenetze. Das sind gewissermaßen die tief hängenden Früchte, die wir jetzt ernten wollen.“ Nicht immer sei es dabei hilfreich, zu sehr auf die dänischen Weltrekordanlagen zu schielen, findet Pauschinger. Während dortige Megawattprojekte wie Vojens, Dronninglund und Marstall auf immer höhere solare Deckungsgrade und saisonale Speicherung setzen, würde sich Pauschinger nach eigener Aussage derzeit besonders über ein 10000 bis 20000 Quadratmeter großes Kollektorfeld freuen, das vielleicht nur marginale 2 Prozent der Energiemenge in einem großen deutschen Fernwärmenetz beisteuert. Text: Guido Bröer  

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