Im Interview: Dirk Mangold – „Großspeicher sind wirtschaftlich“

Solarthemen 444. Dirk Mangold leitet das Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites). Hier befasst er sich seit rund 20 Jahren mit großen und saisonalen Speichern. Die Solarthemen sprachen mit ihm über den aktuellen Stand der Technik und wirtschaftliche Perspektiven. Weitere Informationen finden sich unter www.saisonalspeicher.de.

Solarthemen: Das Bundeswirtschaftsministerium will, so zeigt es dessen jüngstes Eckpunktepapier, Wärmespeicher über das KWK-Gesetz weiter fördern und Förderhöchstbeträge erhöhen. Welche Bedeutung hat das?

Dirk Mangold: Das ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, denn das politische Signal heißt, dass Wärmespeicher wichtig und seitens der Regierung erwünscht sind. Dabei kann die Förderung allein nicht zur Wirtschaftlichkeit von Speichern führen, sondern dies hängt von weiteren Faktoren ab. Aber das Beibehalten des Förderprinzips oder sogar eine Erhöhung der Förderhöchstgrenzen demonstriert die Stabilität der Rahmenbedingungen, die erforderlich ist. Es dauert ein paar Jahre, bis große Speicher geplant und realisiert sind. Daher ist die Verlässlichkeit der politischen Unterstützung für Investoren von sehr großer Bedeutung.

Solarthemen: Allerdings gibt es, selbst wenn man Jahrzehnte zurückblickt, nur sehr vereinzelt Projekte mit großen Speichern ab 1000 Kubikmetern. Ist das Thema tatsächlich noch aktuell?

Dirk Mangold: Die realisierten Speicher waren Forschungsspeicher, da unterirdische Speicher – anders als oberirdische – kein Stand der Technik waren. Ob solche Projekte aktuell realisiert werden können, hängt vom Gesamtsystem ab. Bei den früheren Speichern war von den Forschungsprogrammen des Bundes vorgegeben, dass diese Speicher nur mit Solarwärme beladen werden und saisonal zu nutzen sind. Heute, im Zeichen der Energiewende, das heißt in den letzten vier und in den kommenden Jahren, werden solche großvolumigen Speicher nicht nur genutzt werden, um Solarwärme zu speichern, sondern für jegliche Wärme. Ziel ist, die Wirtschaftlichkeit des Gesamtenergiesystems – also Wärme und Strom – zu verbessern. Es geht dabei nicht mehr so sehr um eine saisonale, sondern um eine multifunktionale Nutzung des Speichers.

In welchem Zusammenhang machen solche großen Speicher derzeit Sinn?

Da gibt es ein paar schöne Beispiele von sehr großen Speichern, die in Dänemark realisiert worden sind. Diese Speicher machen als zentrales Element eines Wärme- und Stromversorgungssystems dann Sinn, wenn sie die Wirtschaftlichkeit der Stromproduktion verbessern, wenn etwa die Kraft-Wärme-Kopplung stromgeführt gefahren und die Wärme in den Speicher abgegeben werden kann. Und es hilft, wenn diese Speicher weiterhin zusätzliche Energiemengen aufnehmen können, wie Abwärme aus der Industrie oder von erneuerbaren Energien oder auch im Rahmen des Regelenergiemarktes als Power-to-Heat. In diesem Gesamtkontext wird der Speicher dann für viele unterschiedliche Anwendungen genutzt. So sind die heute in Dänemark gebauten Speicher ohne Förderung wirtschaftlich.

Warum funktioniert das in Dänemark, aber in Deutschland eher selten?

Die KWK-Anlagen, die in Dänemark den Strommarkt mitbestimmen, haben im Vergleich zu Deutschland schwierigere wirtschaftliche Anforderungen aufgrund des höheren Regenerativ-Strom-Anteils. Sie benötigen daher Wärmespeicher, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Der zweite Grund ist, dass die Stromerzeugungsanlagen in Dänemark ein bis mehrere Faktoren kleiner sind als in Deutschland und die Betreiber zum großen Teil Genossenschaften sind. Die Entscheidungswege sind hier kürzer und bei Investitionen für die Fernwärmeversorgung bestimmt ein Großteil der Bevölkerung gemeinsam, welche Art der Energieversorgung sie wünscht. Diese Genossenschaften haben es einfacher als ein Stadtwerk in Deutschland, das immer im Wettbewerb steht. Das kann nicht so einfach entscheiden, den Wärmepreis zu erhöhen, um eine zukunftsweisende Energieversorgung aufzubauen.

Bedeutet das, dass für Speicher in Dänemark aufgrund der Rahmenbedingungen mehr Geld ausgegeben werden kann als in Deutschland?

Wichtig ist hier, dass die Kosten des Speichers nur ein kleiner Bruchteil der Kosten des Gesamtsystems sind, in das der Speicher eingebunden ist. In Dänemark kommen mehrere Faktoren zusammen. Wie schon gesagt, ist der Regenerativ-Strom-Anteil höher und der dänische Staat verlangt eine Sondersteuer, wenn die Wärmeerzeugung rein über Gas erfolgt. Beides führt dazu, dass der Speichereinsatz häufig, auch in Verbindung mit dem Einsatz von solarthermischen Anlagen, die wirtschaftlichste Lösung ist.

Was ist in Deutschland möglich?

Der Strommarkt in Deutschland gestaltet sich derzeit auch sehr dynamisch – vor zwei Jahren waren die Bedingungen noch ganz andere. So entstehen auch hier Speicher mit Technologien, die schon lange Stand der Technik sind: Das sind mehrere tausend Kubikmeter große oberirdische Stahltanks, die neben Großkraftwerken gebaut werden. Abhängig von den zukünftigen Entwicklungen im Strommarkt müssen die Speicher aber kostengünstiger werden. Und sie werden dies, wenn man diese Speicher in den Untergrund integriert. Dann trägt dieser statisch die Last mit und die Hülle kann kostengünstiger gebaut werden. Allerdings ist es im Untergrund eine komplexe Aufgabe, die Wärmedämmung über mehrere Jahrzehnte zu sichern. Dies benötigt noch Forschungs- und Entwicklungsarbeit – auch wenn wir bereits erfolgreich Erfahrungen in einigen Projekten mit solchen unterirdischen Speichern sammeln konnten.

In Deutschland bauen inzwischen erste Stadtwerke Speicher, auch um BHKW flexibler betreiben zu können. Ist das derzeit der wirtschaftlichste Ansatz?

Aus unserer Sicht selbstverständlich. Aber der Wärmespeicher erfordert im Vergleich zu einem fossil betriebenen Wärmeerzeuger hohe Investitionskosten, hat dafür jedoch über die Lebenszeit, die bei unterirdischen Speichern bei 30 bis 50 Jahren liegt, so gut wie keine Betriebskosten. Das heißt, abhängig davon, welche Kosten für Gas und welche Stromvergütung mittelfristig anfallen, kann ein Speicher schon bei einer Betrachtung von zehn Jahren sehr wirtschaftlich sein oder auch nicht. Die Wirtschaftlichkeit hängt davon ab, welche Preisentwicklung ich für die Brennstoffe und auch im Strommarkt annehme.

Nun gibt es in Dänemark und in ersten Ansätzen auch in Deutschland Fernwärmenetze, die auch über solarthermische Anlagen versorgt werden. Wie wichtig sind hier Speicher?

Das scheint im Markt oft noch unklar zu sein, doch die Antwort ist ganz einfach: Wenn die Solaranlage nur einen kleinen Teil der jährlichen Wärmemenge von 5 bis 10 Prozent decken soll, dann speist diese direkt in das Fernwärmenetz ein. Ich brauche dann keinen Speicher oder für die mittäglichen Solarspitzen nur einen kleinen Pufferspeicher. Doch je höher der Anteil sein soll, den die Solaranlage zur Wärmeversorgung über das Jahr beisteuert, umso größer muss der Speicher sein. Und bei Anteilen ab 30 bis sogar 60 Prozent Solarwärme in einem Fernwärmenetz bin ich im Bereich der saiso­nalen Speicher. Die sind natürlich zunächst unwirtschaftlicher als Systeme mit niedrigem solaren Deckungsanteil.

Aber?

Aber trotzdem – und hier sind wir wieder bei der Betrachtung des Gesamtsystems unter anderem mit der Optimierung des KWK-Betriebs – kann der multifunktionale Einsatz eines großen Speichers die wirtschaftlichste Lösung sein. Dazu gibt es auch Beispiele in Deutschland, wie den Multifunktionsspeicher in Hamburg-Bramfeld, der dort 2010 in Betrieb genommen wurde.

Sonnenhäuser mit hohem solarem Deckungsanteil sind mit ausreichender Betriebsdauer wirtschaftlich. Lässt sich diese Erfahrung auch auf große Gebäude oder Quartiere übertragen?

Im Zusammenhang mit den in der europäischen Gebäuderichtlinie vorgesehenen „Nahezu-Nullenergie-Häusern“ sehe ich ein großes Potenzial für große Speicher in großen Gebäuden und in Quartieren, wobei hier auch andere erneuerbare Energien neben der Solarthermie einbezogen werden können. Ein solches Beispiel ist das neue Gebäude des Umweltbundesamtes in Dessau, das mit einem saisonalen Speicher geplant war, um diesen Gebäudestandard zu erreichen.

Sie sagten, die unterirdischen Speicher seien noch nicht Stand der Technik. Wer kann sich denn dann an solche Projekte mit großen Wärmespeichern überhaupt herantrauen?

Natürlich können sich da alle herantrauen. Die ersten saisonalen Wärmespeicher in Deutschland sind nun 20 Jahre in Betrieb. Die Technologie hat ihre Zuverlässigkeit gezeigt. In Dänemark werden große, in den Untergrund integrierte Wärmespeicher ohne zusätzliche Förderung gebaut. In Deutschland werden wir als nächsten Schritt sehen, dass hier größere Unternehmen in diese Technologien einsteigen und großvolumige, in den Untergrund integrierte Speicher für Investoren schlüsselfertig anbieten.

Wenn nun Wohnungsbaugesellschaften, Stadtwerke oder auch Energiegenossenschaften in große Speicher investieren wollen, worauf sollten sie achten?

Der Wärmespeicher lebt vom System, die Wirtschaftlichkeit hängt von der Systemintegration ab. Unsere Erfahrung zeigt eindeutig, dass ein Speicher wirtschaftlich nicht optimal betrieben werden kann, wenn man erst das System ohne Speicher plant und dann erst überlegt, welcher Speicher denn nun passen könnte. Eine wirtschaftliche Lösung wird erreicht, wenn nicht nur der Speicher an das System, sondern auch das System an den Wärmespeicher angepasst wird.

Interview: Andreas Witt
Foto: solites

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