Eveline Lemke im Interview: Die Chance nicht verstreichen lassen!
Solarthemen: In der vorigen Sitzung des Bundesrats haben Sie nochmal für die steuerliche Abschreibung von Gebäudesanierungen plädiert – warum? Die Bundesregierung hatte das Projekt aufgrund des Widerstands Bayerns gegen die Finanzierungsideen doch schon für gescheitert erklärt.
Eveline Lemke: Wir haben die energetische Sanierung ja noch im Bundesratsverfahren. Es gibt also noch eine Chance. Und die würde ich nicht verstreichen lassen.
Muss die Politik dieses Thema nicht schnellstens beerdigen und sagen: Schluss der Debatte – schöne Idee, aber politisch nicht durchzusetzen. Fördert man nicht sonst noch weiter den Attentismus von Hausbesitzern
Das ist eine Frage der eigenen Möglichkeiten. Die Länder haben die Schuldenbremse einzuhalten; sie haben weniger Geld. Das Geld vom Bund, was die Länder an die Kommunen weiterreichen, muss auch in die energetische Sanierung fließen, damit es in den kommunalen Kassen eine Entlastung gibt. Das reicht mir aber nicht. Ich will an die Bürger ran. Ich möchte auch, dass die Bürgerinnen und Bürger diesen Impuls an das Handwerk weitergeben. Und dafür bedarf es auch eines anderen Elements, nämlich der steuerlichen Förderung. Wir kommen nicht umhin, dass Bund und Länder sich dazu verständigen. Die Große Koalition in Berlin macht es sich zu einfach. Die spannende Frage ist jetzt auch, was macht Hamburg unter Rot-Grün? Werden wir jetzt durchsetzungsfähig sein? Olaf Scholz war immer derjenige, der – rein rot – den Einfluss des grünen Partners im Bundesrat durchkreuzen konnte. Es kann doch nicht sein, dass die Bayern allein in der Lage sind, das auszubremsen. Also: Es geht in die nächste Runde, und wir hören einfach nicht auf. Wir werden das Thema treiben als Grüne, was das Zeug hält.
Also noch mal zwei Jahre, in denen niemand sein Häuschen saniert, weil er auf eine vage Steuerersparnis wartet?
Ich kann nicht aufhören es weiter zu versuchen. Ich sage aber gleichzeitig: Jede Sanierung, die früher erfolgen kann, die bringt auch schon jetzt eine Energieeinsparung. Und alle Energieberater im Lande rechnen das vor. Wir finanzieren auch die Erstberatung der Verbraucherzentrale mit, die zeigt, es lohnt sich schon heute. Der große Frust, auch für den Solarbereich, ist nicht durch die Debatte um die Gebäudesanierung entstanden, sondern durch diese Reform des EEG, wo alle gesagt haben, die Energiewende ist teuer, teuer, teuer. Das ist eine massive Kampagne der alten Lobbyisten gewesen. Die hat beim Bürger ein Stimmungsgefühl erzeugt, dass sich jetzt niemand mehr rührt. Und das müssen wir aufbrechen. Deswegen heißt es jetzt: Überzeugt sein, weiterkämpfen, an jeder Stelle. Wir sagen weiterhin, die Bürgerinnen und Bürger sollen die Energiewende machen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt …
Ich habe auch ein paar Zahlen mitgebracht: Wir haben 34 Energiegenossenschaften in Rheinland-Pfalz, 46 Prozent der Investitionen, die in Erneuerbare gehen, sind durch Bürgerhand geflossen. Das heißt: Die Bürger können das; und sie können auch ihre eigenen Häuser sanieren. Wir kriegen das zusammen hin. Also: Anpacken und weitermachen wie bisher. Da ist noch viel Kraft und Potenzial, und wir können das nutzen.
Bürgerenergie ist auch in Rheinland-Pfalz bislang eher ein Stromthema. Wo setzen Sie bei der Wärme an?
Zum einen bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Da sind wir im Bundesvergleich weit voraus. Wir haben eine Kraft-Wärme-Kopplungsquote von 42 Prozent. Zur Erinnerung: Die Bundesregierung will auf 25 Prozent kommen. Und mit den Plänen, die Herr Gabriel jetzt für das KWK-Gesetz angekündigt hat, kommt er höchstens auf 17 Prozent. Er wird das eigene Ziel mit seinen Instrumenten nicht erreichen.
Warum ist Rheinland-Pfalz weiter?
Wir sind weiter, weil wir die Kraft-Wärme-Kopplung massiv gefördert und systematisch aufgebaut haben – auch im Mittelstand. Überall, wo viel Wärme anfällt, gerade auch Prozesswärme, für die ich als Wirtschaftsministerin zuständig bin, gibt es große Potenziale. Wir hatten schon 2014 eine gute Aktion mit dem Mittelstand. Da sind Brauereien dabei und auch die chemische Industrie einschließlich BASF. Die Unternehmen haben großes Interesse, da noch weiter voran zu kommen. Im Umgang mit Wärme hängt aber ab 2017 vieles in der Luft. Bei der anstehenden Novelle des KWK-Gesetzes geht es auch um die Bestandsanlagen. Da darf Herr Gabriel jetzt keine Fehler machen – wir werden darauf achten. Wärme ist aber noch viel mehr. Es ist der gesamte Gebäudesektor. Hier bin ich extrem enttäuscht von der Bundesregierung. Ich hätte erwartet, dass sie ein richtiges Konjunkturpaket auflegt. Das hat sie sich nicht getraut und sich nicht einmal zu steuerlichen Maßnahmen durchgerungen.
Wo ist die Wärmewende eher zu gewinnen – in den ländlichen Regionenwie Hunsrück, Eifel oder in industriellen Zentren wie Ludwigshafen?
So vielfältig wie das Land ist, so vielfältig müssen wir unsere Schwerpunkte setzen. Wir haben in den Dörfern Nahwärmenetze, die wir fördern. Die verknüpfen, was das Land zu bieten hat, auch an Bioenergie. Aber großindustrielle Prozesswärmenutzung in den Produktionsanlagen ist genauso ein Teil der Wärmegeschichte.
Wie können Sie hier als Landesministerin etwas bewegen. Das große Geld hat der Bund. Was ist Ihr Werkzeug?
Es gibt viele Werkzeuge. Das erste ist unsere Klimastrategie. Wir haben ein Klimaschutzgesetz gemacht und machen jetzt einen Klimaschutzmaßnahmenplan. Eine Folge wird die Analyse der Details für die Wärmenutzung sein, die über die Nahwärmenetze und die KWK hinaus geht. Dabei wollen wir Fördermechanismen konzertieren, so dass ich die Möglichkeit habe, dies gezielt zu pushen, wenn ich in die nächste Wahlperiode gehe. Wir brauchen ein Wärmegesetz auf Bundesebene. Wenn es nicht kommt, können wir es auf Länderebene machen.
Ein solches Wärmegesetz hat bislang nur Baden-Württemberg. Wie lange wollen Sie noch auf den Bund warten?
Die Vorgängerregierungen waren einfach noch nicht so weit. Wir hatten hier Aufholbedarf. Aber Sie sehen an den Zahlen, zum Beispiel an den 42 Prozent Wärmenutzung aus KWK, dass wir auch ohne Gesetz weiter gekommen sind als Baden-Württemberg. Jetzt will ich das beides aber verschränken, unsere guten Erfahrungen der ganz gezielten Förderung und dann aber auch ein eigenes Wärmegesetz machen, wenn es im Bund nicht kommt.
Sie haben also auch den ordnungsrechtlichen Hebel im Blick. Nicht nur fördern, sondern auch fordern?
Sicher haben wir den im Blick. Ich will aber auch niemanden überfordern. Wir müssen hier die Energiewende Schritt für Schritt umsetzen. Und jetzt, in dieser Wahlperiode, stand erstmal die Windkraft im Fokus. Wenn Sie uns da mit Baden-Württemberg vergleichen, dann sehen sie kolossale Unterschiede. Da sind wir riesig stolz drauf. In der nächsten Periode gehen wir mehr an die Wärme ran.
Das habe ich aber auch schon öfter mal irgendwo gehört.
Aber von mir nicht. Ich regiere die erste Periode. Ich bin angetreten mit der Aussage, wir machen jetzt erstmal Solar und Wind. Und Wind-Onshore war genau die wesentliche Arbeit dieser Legislaturperiode. Wir hatten 1000 Windkraftanlagen, jetzt haben wir 1500, in 2030 wollen wir bei 2600 sein. Wir sind voll im Fahrplan.
Welche Rolle spielen die erneuerbaren Energien in Ihrem Wärmefahrplan?
Das ist noch ein relativ unberührter Bereich hier in Rheinland-Pfalz. Da müssen wir noch stärker ran gehen. Ich sehe das auch als ein Thema für die Bürgerhand an – gerade auch in unseren Dörfern. Ich glaube, dass unser gesetzlicher Rahmen dafür noch nicht ausreicht. Aber mit dem, was hier die Energieagentur oder der Solarverein Trier an Bewusstseinsbildung leisten, sind wir gut auf dem Weg, das Thema zu pushen. Die Wirkweise der Sonne ist verstanden worden. Es ist jedem klar: wir brauchen Speicher. Wärme und Sonne heißt Speicher. Genau an dieser Stelle kann man weitermachen. Erneuerbar heißt für mich natürlich auch Biomasse, es sind Nahwärmenetze. Wir haben gute Beispiele im Land, aber noch zu wenig. Der Rhein-Hunsrück-Kreis hat da ja einiges vorgemacht: 100 Prozent Biomasse ist dort der Plan, aber die heutige Ausbeute ist auch schon sehr hoch. Wir haben an dem Punkt auch als Landesregierung schon ein bisschen vorlegen können: Wir haben die Abfallwirtschaftspläne so weit kongruent gemacht, dass unsere Landkreise sich verantwortlich überlegen müssen, wie sie mit der Biomasse umgehen wollen.
Wie sehen sie die Chancen für Solarwärme in Nahwärmenetzen? Was kann das Land dafür tun?
Da geht es erstmal um Aufklären, um das Vorführen von Beispielen. Es ist aber auch eine Frage der Stadtplanung. Ich sehe da ein wachsendes Bewusstsein bei Bauträgern. Da tut sich im Moment sehr viel. Wir kommen zu anderen Bautechniken, in die viel mehr solare Wärme und solare Speicher einfließen werden.
Interview: Guido Bröer