Uwe Hallenga im Interview: Kleinwindkraft gerecht behandeln!
Solarthemen: Kleinwind-Strom ist teurer als Strom aus großen Windkraftanlagen und als Solarstrom. Kann er zur Energiewende überhaupt einen sinnvollen Beitrag leisten.
Uwe Halenga: Das ganz entscheidende Argument ist, dass der Strom da produziert wird, wo er gebraucht wird. Unmittelbar beim Verbraucher. Gerade bei Häusern im Außenbereich fallen bei der heutigen zentralen Energieversorgung große Systemverluste an. Bei einer Windkraftanlage, die am Haus steht, stehen Erzeugung und Nutzung mehr oder weniger im Verhältnis 1:1. Da sind Kleinwindanlagen an allen Stellen, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, eine perfekte Ergänzung zur Photovoltaik.
Kann man den Stand der Kleinwindbranche statistisch beschreiben?
Es gibt keine Statistik. Es steht aber eine Aussage im Raum, dass wir in Deutschland etwa 12000 Anlagen haben. Das reicht von Mini-Mikro-Anlagen bis hin zu 20 kW. Bis vor drei Jahren hatten wir einen Hype in der Kleinwindbranche. Das hat leider dazu geführt, dass in dieser Welle viele Betrüger mit auf den Plan gekommen sind, die ein paar Bleche zusammen genagelt, einen Baumarktmotor darunter gesetzt und das Ganze dann als Windkraftanlage verkauft haben. Die haben teilweise sehr viel Geld verdient und viel verbrannte Erde hinterlassen. Das führte in den beiden letzten Jahren zu einem massiven Einbruch der Nachfrage und des Umsatzes – leider auch bei den seriösen Anbietern.
Wie kann denn ein Betreiber in spe Spreu vom Weizen unterscheiden?
Indem er sich viel Zeit damit lässt, ein Produkt nicht einfach im Internet oder einem Katalog auszusuchen. Er sollte sich wirklich intensiv erkundigen, wo man sich eine Anlage im Betrieb anschauen kann. Man sollte mit Betreibern sprechen, die Erfahrung haben. Man sollte nicht einfach einem Händler glauben.
Gibt es weitere Ratschläge?
Empfehlenswert sind auch zwei Internetseiten: Die eine ist www.klein-windkraftanlagen.com von Patrick Jüttemann, eine sehr gute Plattform für grundlegende Informationen. Die andere ist meine eigene Seite www.kleinwindanlagen.de. Da kann man im Forum auch einfach mal fragen: Kennt jemand diese oder jene Anlage – weiß jemand, wo eine steht? Wir haben inzwischen über 40000 Einträge im Forum – es gibt kaum eine Anlage die wir nicht irgendwann schon mal kommentiert haben. Und bevor man eine Anlage kauft sollte man natürlich an dem Standort den Wind messen – jedenfalls, wenn es um Wirtschaftlichkeit geht und nicht bloß um Spaß und Hobby.
Wie lange sollte man messen?
Mindestens 3 Monate, besser 6 Monate, am besten länger. Je länger man misst, desto zuverlässiger wird die Prognose.
Was kostet denn eine Windmessung?
Ich empfehle: Kaufen Sie sich ein kleines, gutes Messgerät. Keine Wetterstation, wie sie von Discountern angeboten wird, sondern eine richtige kleine Windmessanlage mit einem Datenlogger. Einen guten Datenlogger mit Anemometer gibt es ab circa 350 Euro. Und der kann nach Abschluss der Messung auch wieder verkauft werden.
Ab welcher Windgeschwindigkeit kann sich die Sache denn rechnen?
Zur ganz groben Orientierung kann man sagen: Ab einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 4 m/s in Nabenhöhe. Bei geringeren Windgeschwindigkeiten ist dann doch übers Jahr verteilt zu wenig Energie im Wind, den die Windkraftanlage umwandeln könnte. Außerdem kann man über den Daumen sagen, ab einer Anlagengröße mit einer Nennleistung von mindestens 5 kW fängt es an, betriebswirtschaftlich funktionieren zu können. Kleinere Anlagen sind pro Kilowatt spezifisch teurer. Im Einzelfall ist das allerdings anders, zum Beispiel, wenn ich sonst keinen Stromanschluss habe. Es gibt zum Beispiel abgelegene Pferdeställe, die einfach etwas Licht brauchen oder auch im Winter eine kleine Beheizung der Wassertränken. Mit Photovoltaik kann ich das nur bedingt machen.
Man hört immer wieder von schwierigen Genehmigungsverfahren. Wo liegt das Problem?
Baubehörden haben einfach Angst, dass sie eine Welle lostreten, und, wenn sie eine Anlage genehmigt haben, alle genehmigen müssen. Das ist sachlich falsch. Wir haben in einigen Bundesländern eine Verfahrensfreistellung für Windkraftanlagen unterhalb von 10 Metern. Da kann man eine Windkraftanlage einfach aufstellen, solange sie diese Höhe nicht überschreitet. Nur weil es eine Verfahrensfreistellung gibt, heißt das allerdings nicht, dass der Bauherr dieser Anlagen nicht trotzdem alle Pflichten erfüllen müsste. Die Anlage darf natürlich trotzdem nicht zu laut sein und den Nachbarn nicht nerven, indem sie Schatten auf dessen Terrasse wirft. Sie muss trotzdem sicher sein, so dass niemand verletzt werden kann.
Die 5-kW-Anlagen, die Sie empfehlen, sind aber eher höher als 10 Meter.
Gerade dort, wo wir diese Verfahrensfreistellung haben, tun sich die Bauämter dann schwer mit den etwas größeren Anlagen, die über 10 Meter hoch sind. Da fordern sie mitunter alles, was sie aus der großen Windbranche so kennen. Dabei kommen skurrile Dinge heraus: Da will einer eine 500-Watt-Windkraftanlage aufbauen mit 2,5 Meter Rotordurchmesser und will die auf einen 12-Meter-Mast stellen. Und dann sagt die Baubehörde: Ich möchte ein Fledermaus-Gutachten, ich möchte ein Vogelschutzgutachten, ich möchte ein Bodengutachten, ich möchte nur eine zertifizierte Windkraftanlage. Sie stellen Forderungen, die völlig überzogen und nicht mehr sachgerecht sind. Es gibt so viele Sachen, die ich einfach so aufstellen darf: Einen großen Carport, einen Mast mit einer riesigen Fahne für BVB oder Ferrari, die die ganze Nacht vor sich hinknattern darf. Danach muss ich niemanden fragen. Wegen einer Windkraftanlage, die nur 3 Meter hoch ist, müsste ich zum Beispiel in Niedersachsen einen Bauantrag stellen. Da haben die Behörden einfach Sorgen, wenn sie etwas freigeben, einen gnadenlosen „Wildwuchs“ zu fördern. Dieser Begriff geistert immer wieder durch die Debatten.
Wie sollte der Gesetzgeber Kleinwind in Deutschland fördern?
Ich persönlich würde mir wünschen, dass das Baurecht die Installation von solchen Anlagen sachgerecht vereinfacht, so dass man sich nicht mehr an den Genehmigungsverfahren für große Windkraftanlagen orientiert. Denn dadurch, dass kleine Windkraftanlagen für eingespeisten Strom nur die gleiche Vergütung von etwa 8 Cent bekommen wie die großen Windräder, lohnen sie sich nur für den Eigenstromverbrauch. Das begrenzt automatisch ihr Größenwachstum. Sinnvoll wäre zweitens ein Qualitäts-Labeling. Der Branche selbst fehlen für solch eine aufwändige Label-Entwicklung die Gelder. Da würde ich mir wünschen, dass der Bund Geld zur Verfügung stellt, um die Qualität transparenter zu machen. Und ich würde mir drittens eine Vereinfachung der Netzeinspeisung wünschen: das so genannte Net Metering, also eine bilanzierende Zählung. Viele Kleinwindbetreiber benötigen eine höhere Vergütung nicht. Eigentlich wollen sie nur in Ruhe gelassen und bilanzierend gezählt werden: Ich speise ein, wenn ich zuviel habe und nehme den Strom wieder aus dem Netz, wenn ich nicht genug habe. Das wäre so extrem unbürokratisch! Es müssen keine Rechnungen geschrieben werden. Und einen zweiter Stromzähler braucht dann auch keiner mehr.
Interview: Guido Bröer
Foto: Hallenga privat