Deutschland ist noch Leitmarkt für Inverter
Noch vor wenigen Jahren war die Produktplanung für Hersteller von Wechselrichtern deutlich einfacher. Sie produzierten am Fließband allein für den deutschen Markt, der einen großen Teil des Weltmarktes ausmachte. Konnten Hersteller ihre Geräte gut bei Kunden in Deutschland absetzen, hatten sie die hiesigen Trends erkannt, dann war das schon mehr als die halbe Miete. Im nächsten Schritt ging es dann nur darum, die Produkte so zu modifizieren, dass sie auch für andere Märkte passten. Deutschlands Relevanz sinkt Inzwischen bringen die deutschen Abnehmer nicht mehr das Absatzvolumen, das allein ausreichen könnte – jedenfalls nicht für die größeren Hersteller. 2010, im bislang besten Jahr für die SMA Solar Technology AG, erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 1,92 Milliarden Euro – davon fast 1,06 Milliarden allein in Deutschland. Der Anteil des Auslands am Umsatz lag bei 44,9 Prozent. Bis 2014 stieg der Anteil des Auslands am Umsatzes auf 76 Prozent. Im 1. Quartal 2015 lag er gar bei 88 Prozent. Doch SMA konnte 2014 nur einen Gesamtumsatz von 805,4 Millionen erreichen. In Deutschland erwirtschaftete der Wechselrichter-Primus im vergangenen Jahr noch 193,3 Millionen Euro – nur 18 Prozent des Deutschland-Umsatzes vier Jahre zuvor. Ursachen dafür sind politische Entscheidungen der schwarz-gelben und der schwarz-roten Koalition sowie wachsender Konkurrenz- und Preisdruck. 2015 könnte sich der Abwärtstrend in Deutschland fortsetzen, sagt SMA-Pressesprecherin Susanne Henkel: „Der SMA-Vorstand erwartet für 2015 für Deutschland einen PV-Zubau von 1,4 bis 1,6 GW, was einem Rückgang um 15 bis 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprechen würde. Damit läge Deutschland auf dem Zubauniveau des Jahres 2008 (1,5 GW) und würde nur etwa 3 Prozent des weltweiten PV-Zubaus ausmachen.“ SMA werde 2015 voraussichtlich mehr als 80 Prozent des Umsatzes im Ausland erzielen. Neue Herausforderungen Somit müssen sich die Unternehmen, die insbesondere in Deutschland tätig sind oder waren, zunehmend einer neuen Herausforderung stellen: Kleinteiligeren Märkten, deren Kunden auch individuellere, den Bedingungen ihres Landes folgende Anforderungen an Wechselrichter haben. Und dabei geht es nicht allein um technische Spezifikationen der Netzbetreiber – auf die mussten sich Hersteller auch in den vergangenen Jahren bereits einstellen. Wohl die meisten lösen diese Aufgabe durch bereits programmierte Softwareeinstellungen. Für sehr viele Länder seien die Parameter für den Wechselrichterbetrieb bereits bei der Auslieferung hinterlegt, erklärt Ulrich Winter, Spartenvertriebsleiter Solarelektronik bei der Fronius Deutschland GmbH. Im Inbetriebnahmezyklus müsse der Installateur nur das jeweilige Land auswählen und der Rest laufe dann automatisch. Lediglich für den nordamerikanischen Bereich gälten gänzlich andere Bedingungen. „Wir produzieren ein Gerät, das kann alles außer Nordamerika“, so Winter. Für diese Region seien weitergehende Änderungen an den Geräten erforderlich. Die Leitmärkte Für Fronius ist Deutschland weiterhin ein Leitmarkt. „Fast alle technischen Normen in Europa sind zuerst in Deutschland gültig“, sagt Winter. Zudem sei dieser Markt in Europa immer noch der größte. Andere europäische Länder würden daher stark nach Deutschland schauen, so Winter: „Und Australien schaut auf Europa.“ Die Präsenz in den USA und der europäische Leitmarkt können aber wohl auch gegenseitig ein Unternehmen voran bringen. So hat die Kooperation von Fronius mit dem Elekromobilhersteller Tesla, der nun auch in den Markt für stationäre Batteriespeicher einsteigen will, für Aufmerksamkeit gesorgt. Andererseits will Tesla seine „Powerwall“ in Kooperation mit Fronius im 4. Quartal zuerst in Deutschland einführen. Speicher als Stütze des Eigenverbrauchs von Solarstrom sind für Winter eine folgerichtige Weiterentwicklung. Reine Einspeisemärkte kann es aus seiner Sicht nur in Pionierphasen der Photovoltaik geben. Hier sei Deutschland wieder Trendsetter. Auch Michael Voigstberger, Geschäftsführer der Steca Elektronik GmbH, sieht Deutschland als Treiber der Entwicklung. Steca sei allerdings schon immer stark auf den Export ausgerichtet gewesen. Nachdem das Unternehmen schon lange Laderegler für netzferne Solarsysteme angeboten hatte, war es erst relativ spät in den Markt für Wechselrichter eingestiegen. Da sei der Heimatmarkt auch schon durch andere Unternehmen belegt gewesen, so der Geschäftsführer. OEM statt Marke Aber Steca habe gut aufgeholt, sagt Voigtsberger. Die Marktanteile in Deutschland seien gestiegen und es sei auch absolut mehr verkauft worden. Mitverantwortlich dafür sei eine Änderung der Strategie: „Wir haben aufgegeben, auf die Marke zu pochen.“ Steca habe sich jetzt auch als OEM-Produzent etabliert. „Wir können gut Leistungselektronik, auch für andere“, so Voigstberger. Die Markenbildung überlasse Steca anderen. Das helfe auch, um mit Anbietern von Systemen ins Geschäft zu kommen, weil man so zu deren Marke nicht in starke Konkurrenz trete. „Unternehmen wie SolarFrontier und weitere tragen uns mit.“ Spezialisierung als Strategie Ein weiterer Erfolgsfaktor ist für Voigstberger die Spezialisierung: „Wir haben uns stark auf den Einfamilienhausbereich konzentriert.“ Hier beobachtet er, bedingt durch die Orientierung auf den eigenen Verbrauch, einen Trend zu wieder kleineren Anlagen. Zudem würden vermehrt standardisierte, vorkonfektionierte Systeme verkauft, bei denen alles aufeinander abgestimmt sei. Dies sei auch erforderlich, um die Systemkosten zu reduzieren. Es gebe weniger Varianten, was auch bei der Produktion von Wechselrichtern ein Kostenvorteil sei. Dies müsse auf die Anforderungen in den jeweiligen Zielländern angepasst werden. Deutschland sei aber noch prägend. Das liege auch daran, dass viele große Partner hier ihren Sitz hätten. Es sei fraglich, ob Deutschland noch der Leitmarkt sei, merkt Markus Vetter, an der Leiter von Marketing und Kommunikation bei der Kostal Solar Electric GmbH. Man habe es in der Photovoltaik mit einem schon stärker fragmentierten Markt zu tun, der sich von den Strukturen, die vor wenigen Jahren noch herrschten, unterscheide. Vetter erwartet zudem wie in anderen Technologiebereichen eine Verkürzung der Entwicklungszyklen, um sich neuen Anforderungen zu stellen. Damit verbunden sei aber auch die Frage, welche Entwicklungen sich noch für ein Unternehmen lohnten. Eine Strategie, Produkte für deutsche Kunden zu entwerfen und dafür dann weitere Märkte zu suchen, reiche künftig wohl nicht aus. Für sehr wichtig hält Vetter auch den Kontakt zu den Kunden. Zwar setze Kostal weiter auf den 3-stufigen Vertrieb. Doch habe sich die Großhandelsstruktur gewandelt. Während der Solargroßhandel mehr Beratung gegenüber den Installateuren geleistet habe, sei dies bei Elektrogroßhändlern, die auch Wechselrichter als ein Produkt von vielen anböten, nicht in dem Maß der Fall. Daher sei der direkte Kontakt zu Installateuren wichtig. Es gelte, Netzwerke aufzubauen, von denen dann Hersteller, Installateure und letztlich auch Großhändler profitierten. Welche Regionen sich Unternehmen für den Verkauf erschließen können, hängt damit auch von solchen Ausgangsbedingungen ab. So ist Vetter mit Blick auf China zuversichtlich, weil Kostal mit anderen Geschäftsbereichen dort vertreten sei: „Wir profitieren davon, dass Kostal in China schon länger vor Ort ist.“ Der Marketingexperte erwartet jedoch nicht, dass China zu einem Hauptmarkt wird. In Asien Fuß zu fassen, sei für ein europäisches Unternehmen schwierig, meint Winter. So habe Fronius sich bewusst entschieden, nicht nach Japan zu gehen, weil dort die Hürden zu hoch seien. In Indien habe Fronius allerdings ein Tochterunternehmen gegründet, weil die Zugangsbedingungen dort für Fronius besser seien. Abenteuer China SMA hat sich China über das chinesiche Tochterunternehmen Zeversolar erschließen wollen. Doch das Unternehmen hat im vergangenen Jahr sehr viel Lehrgeld gezahlt. So hat sich der Vorstand entschieden, China nicht mehr als Absatzmarkt für SMA-Wechselrichter zu betrachten. Allerdings will SMA die Strategie beibehalten, möglichst jeden technologischen Markt zu bedienen. „SMA wird auch weiterhin Solar-Wechselrichter für alle wichtigen Märkte, alle Anwendungsbereiche der Photovoltaik und alle Anlagengrößen anbieten“, erklärt Henkel. Dabei gehe es insbesondere beim Eigenverbrauch um „preiswerte Lösungen, die einfach und unkompliziert zu bedienen sind“. Die Kaco New Energy GmbH hat vor wenigen Monaten ein neues Wechselrichterkonzept mit kleinen Niederspannungswechselrichtern vorgestellt, die in Reihe geschaltet auf eine beliebige Spannungsebene gebracht werden können. Dieses Produkt wird jedoch – zumindest zunächst – vorrangig in den USA angeboten. In Europa setze Kaco auf Direktverbrauch im gewerblichen Maßstab, sagt Pressesprecher Andreas Schlumberger. Und dabei nutzt das Unternehmen größere Wechselrichter und Innovationen, gerade auch in Verbindung mit Speichertechnologien.
Hier spiele der Standort Deutschland durchaus eine Rolle, so Schlumberger: „Die Technologie hat hier starke Wurzeln.“ Die aber könnten durch ein derzeit zu geringes Volumen im Heimatmarkt geschädigt werden. Text: Andreas Witt, Foto: Fronius