Interview mit Oliver Schäfer: Photovoltaik aus der Nische holen
Solarthemen: Aus EPIA wird SolarPower Europe. Was ändert sich dadurch?
Oliver Schäfer: Alles, denn als EPIA vor 30 Jahren gegründet wurde, gab es keine PV-Industrie. Dazwischen war PV-Industrie vor allem Zellen-, Modul- und Inverterproduktion. Jetzt ist es ein ganzer Sektor von Softwareprovidern, Finanzierern, Entwicklern und weiteren – und es wird auch noch mehr kommen in nächster Zukunft. Und das wollen wir im Verband repräsentieren.
Wie wird die Änderung von den Mitgliedern aufgenommen?
In der Mitgliederversammlung gab es 100 Prozent Zustimmung bei den anwesenden Mitgliedern.
In ihrem Verband sind sowohl nationale Organisationen wie der deutsche Bundesverband Solarwirtschaft, andererseits auch Unternehmen Mitglied. In welchem Verhältnis stehen Sie zu den nationalen Verbänden und wie soll dies künftig aussehen?
Auf der Mitgliederversammlung wurde auch beschlossen, die nationalen Verbände innerhalb von SolarPower zu stärken, ihnen mehr Stimmrechte, mehr Mitspracherechte zu geben. Wir wollen die Kooperation der Verbände besser koordinieren. Wir wollen zum Beispiel von Best-Practice-Beipielen lernen. So wollen wir die Erfahrungen mit Ausschreibungen zusammentragen. Dabei sind natürlich die nationalen Verbände von ganz großer Bedeutung.
Es gibt also auch strukturelle Veränderungen im Verband. Welche Rolle soll SolarPower Europe denn künftig in Europa spielen?
Ziel ist es, den solaren Sektor aus der Nische herauszuführen und zu einem wichtigen Spieler im Energiemarkt zu machen. Und SolarPower Europe soll die Vertretung dieses kompletten Sektors sein.
Es gab auch Kritik an EPIA. So hat der grüne Politiker Hans-Josef Fell im Frühjahr bemängelt, EPIA lasse sich vor den Karren der konventionellen Energiewirtschaft spannen und betreibe Lobbying für die Erdgasindustrie. Was halten Sie einer solchen Kritik entgegen?
Das ist völliger Quatsch. EPIA beziehungsweise SolarPower Europe ist ebenso wie der ganze Solarsektor nur einfach erwachsen geworden. Wer diesen Schritt nicht mitgehen mag und ignoriert, wie die Realitäten sind, der lebt in der Vergangenheit. Wir müssen nach vorn schauen und pragmatisch sein. Als ein Spieler auf dem Energiemarkt müssen wir die Realitäten anerkennen.
Was ist denn die derzeitige Realität in der Energiewirtschaft?
Solar- und Windenergie sind auf manchen Märkten Europas ein wichtiger Spieler. Aber es gibt auch andere Spieler, mit denen wir uns befassen müssen. Das ist nicht David gegen Goliath. Sondern es ist einfach so, dass wir wichtig werden wollen und von 5 auf 50 Prozent kommen wollen. Und da muss ich erstmal anerkennen, dass derzeit 80 bis 90 Prozent des Energiemarktes von anderen gestaltet werden – und mit denen muss ich mich befassen.
Im Führungsteam von SolarPower Europe, dem Board of Directors, sind mit Enel und Total Energiekonzerne gut vertreten. Ist SolarPower da unabhängig genug, um die Interessen der Solarindustrie vertreten zu können?
Man muss sich die ganze Mitgliedschaft ansehen. Da gibt es ganz unabhängige Solarunternehmen und es gibt Unternehmen mit Beschäftigten im Solarsektor. Es ist ja nicht so, dass etwa Enel und Total nicht Milliardenschwere Investments im Solarbereich getätigt hätten. Diese Unternehmen sind auch Spieler im Solarsektor. Der ist breiter als nur die reinen Solarunternehmen.
Ich möchte auf ein Streitthema in der Solarindustrie kommen, das damit natürlich auch ein Thema für die Verbände ist. Das ist die Frage der Antidumpingmaßnahmen gegen chinesische Solarfirmen. Bei SolarPower Europe gibt es klare Befürworter, aber auch Gegner solcher Maßnahmen. Wie kann man in einem Verband mit einem solchen Konflikt umgehen?
Wir lernen aus Konflikten. Das ist ein Konflikt wie in ganz vielen Themenbereichen und den überstehen wir. Es gibt prominente Unternehmen, die gegen eine Positionierung zu dem Thema sind, und die bleiben im Verband. Wir hatten schon früher Auseinandersetzungen zu anderen Themen. Es gab technologische Auseinandersetzungen und Anfeindungen. Das sind immer Einzelthemen. Wenn wir aber als Industrie nicht wettbewerbsfähig, also Wettbewerber im Energiemarkt werden, dann wird es problematisch. Das ist das Hauptziel. Aber würden wir auf diesem Weg immer die gleiche Meinung haben, wäre irgendwas falsch.
Ziel ist also die Wettbewerbsfähigkeit. Im neuen Namen des Verbandes ist Europa weiterhin enthalten. Wo sehen Sie denn die europäische Solarindustrie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten?
Europa ist unsere Heimat. Wir wollen den europäischen Markt wieder stärken. Der ist so drastisch zurückgegangen, dass alle Unternehmen weltweit ein Problem damit haben. Jeder, der auf diesem Markt aktiv ist, kann gerne bei uns mitwirken. Und die klassische europäische Solarindustrie wollen wir auf diesem Weg mitnehmen und stärken. Ich glaube, wenn der Markt wieder wächst, wieder zurückkommt, dann wird auch die europäische Industrie gestärkt.
Das heißt, Sie gehen davon aus, dass es weiter eine nennenswerte europäische herstellende Industrie und nicht nur einen Vertrieb von Waren aus anderen Regionen geben wird?
Ich wünsche mir, dass es weiter eine klassische Industrie gibt. Es wäre schön, wenn das weiterhin Teil der Wertschöpfung sein würde.
Was kann denn die europäische Politik tun, um die Photovoltaik wieder zu stärken?
Erstmal den Markt wieder ankurbeln. Ein größerer Kuchen hilft allen, egal, ob die Produkte in oder außerhalb Europas hergestellt werden. Denn die Wertschöpfungskette ist wesentlich größer als die klassische Industrie. Und dann muss sich die Europäische Union überlegen, ob sie die klassische europäische Industrie aktiv fördern möchte. Doch wie ich die Realität einschätze, gibt es dafür derzeit weder eine Strategie noch den Willen. Ich bin gerne bereit, mich dafür einzusetzen. Klassische Industriepolitik mit Unterstützung und Anreizen, wie es sie in anderen Wirtschaftssektoren auch gibt, das wäre eine Möglichkeit.
Gibt es denn von SolarPower Europe konkrete Vorschläge, wie man den Bereich wieder voranbringen kann?
Ich komme wieder darauf zurück: Es hängt am Markt. Wenn wir wieder einen 15 Gigawatt starken europäischen Markt haben, dann würde das den europäischen Sektor komplett stützen und fördern. Unser Ziel ist: Wir wollen das komplette Energiesystem umstellen. Wir wollen weg von der klassischen Grundlast. Wind- und Solarenergie sollen die Basis für die Energieversorgung werden. Alles andere soll Beiwerk sein.
Und wie erreicht man das?
Es muss eine Politik betrieben werden, die die komplette Energieversorgung, die Energiemärkte umstellt. Es geht nicht darum, eine Nische zu fördern und zu fordern. Das ist nicht die Zukunft. Wenn wir aber die Energiemärkte so regulieren, dass Technologien wie Wind- und Solarenergie, die keine laufenden Kosten haben, gefördert werden, dann kommen wir automatisch auf wesentlich höhere Anteile am Energiemarkt.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei seinem Amtsantritt erklärt, er wolle die erneuerbaren Energien voranbringen. Sehen Sie dafür schon Ansatzpunke?
Ja, durchaus. So hat die Kommission eine Initiative zur Förderung des Eigenverbrauchs gestartet, was mit Sicherheit der Solarenergie zugute kommen würde. Und dann das große Thema Strommarktdesign. So wie es läuft, funktioniert es nicht mehr. Wir müssen am ganz großen Rad drehen. Das kann in verschiedene Richtungen gehen. Momentan will die Kommission die Strommärkte komplett umdefinieren. Es geht nicht mehr darum, saubere Technologien in ein mehr als ein Jahrhundert altes System mit dreckigen Technologien hineinzupressen, sondern das System umzustellen.
Und wie kann SolarPower Europe, wie können die nationalen Verbände dazu beitragen, das zu erreichen?
Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Positionen in Brüssel vorgestellt, wie das auch die nationalen Verbände in ihren Ländern getan haben. Wir führen fast täglich Gespräche mit Entscheidungsträgern. Ich bin daher optimistisch, dass wir in zwei Jahren Veränderungen erkennen werden.
Wo sehen Sie im Jahr 2030 die Photovoltaik in Europa?
Wenn man die Grundlagen der Energiemärkte umstellt, dann werden wir 2030 viel weiter sein, als wir uns das heute vorstellen. Vor zehn Jahren haben wir auch noch nicht gesehen, was heute schon erreicht ist.
Interview: Andreas Witt