Streit um Versorger-Rechnungen für Null-Verbrauch
Hundertausende Betreiber von Solarstromanlagen sind potenziell von den möglicherweise unberechtigten Forderungen der Grundversorger betroffen. Es geht um all die Fälle, in denen bei Volleinspeisung des Solarstroms der Netzbetreiber einen Zweiwegezähler eingebaut hat, mit dem sowohl der von der Anlage gelieferte Strom als auch der – eventuell – bezogene Strom gemessen wird. Einige Empfehlungen Mit diesem Thema hat sich die Clearingstelle EEG bereits in den Jahren 2008 und 2009 befasst. Die Schlichtungsstelle Energie fasste dazu am 21. März 2013 einen Beschluss (Az. 4977/12) und sprach am 30. April 2014 eine Empfehlung bei PV-Anlagen mit minimalen Verbrauch aus (Az. 4615/13). Zuletzt hat sich allerdings die Bundesnetzagentur am 18. August 2014 zur Streitfrage geäußert. Demnach gibt es nur zwei Möglichkeiten: 1. Bei jedem minimalen Verbrauch kommt automatisch ein Vertrag mit dem Grundversorger zustande. 2. „In Fällen, in denen der Zähler keinen Strombezug anzeigt, kommt aus Sicht der Bundesnetzagentur auch kein Entnahmevertrag zustande. Denn die nach dem Gesetz erforderliche Entnahme von Strom kann in solchen Fällen nicht nachgewiesen werden.“ Im 1. Fall teilen einige Juristen die Meinung der Netzagentur nicht und verneinen eine Zahlungspflicht der Anlagenbetreiber bei sehr geringen Verbräuchen jedenfalls in der Höhe, die von den Grundversorgern gefordert wird. Dabei ist vor allem die Grundgebühr strittig, die im Jahr bei etwa 80 Euro oder sogar noch darüber liegt. Im Laufe von 20 Jahren summiert sich dies auf eine stolze Summe. Verbrauch ist zu messen Im 2. Fall scheint die Rechtslage eigentlich klar zu sein. Das bestätigt auch die Fachanwältin Margarete von Oppen gegenüber den Solarthemen: „Was nicht gemessen wird, ist nicht da.“ Gemeint ist der Stromverbrauch. Doch einige Grundversorger fordern von den Anlagenbetreibern in Kooperation mit den Netzbetreibern auch bei einem Verbrauch von 0 Kilowattstunden, der so in der Rechnung ausgewiesen wird, die Grundgebühr. Sie stellen Rechnungen und Mahnungen, rufen diese teils auch wieder zurück, um später erneut eine Rechnung für den (nicht gemessenen) Bezugsstrom zu stellen. So erhielt eine Familie im ostwestfälischen Kalletal am 3. Mai von der E.ON Energie Deutschland GmbH eine Mahnung für den Bezugsstrom. Doch am 11. Mai ruderte der Versorger wieder zurück. Die Familie solle sich gedulden und nicht zahlen, bis E.ON mit dem Netzbetreiber gesprochen habe. Denn der habe bisher nachträglich Rechnungen für Messung und Abrechnung bei nicht gemessenem Stromverbrauch storniert. Und daraufhin habe E.ON dem Anlagenbetreiber den Grundpreis ebenfalls erstattet. Allerdings kann sich dieses Spiel auch mehrfach wiederholen, so die Erfahrung der Anlagenbetreiber. Per Gericht gegen Versorger Ein Anlagenbetreiber, Holger Opitz im niedersächsischen Weye, wollte sich darauf gar nicht erst einlassen. Er erhob gegen E.ON eine negative Feststellungsklage und gewann nach eigener Aussage. Eine solche Feststellungsklage ist in Paragraf 256 der Zivilprozessordnung geregelt. Mit ihr kann man vor Gericht feststellen lassen, dass ein von anderen behauptetes Rechtsverhältnis nicht besteht. Opitz wollte gerichtlich klären lassen, dass mit E.ON kein Vertrag über den Bezug von Strom zustande gekommen sei, weil auch kein Strom verbraucht werde. Die Klage hatte Opitz am 28. September 2014 eingereicht. Nach seiner Aussage hätte er sich dabei nicht die Mühe machen müssen nachzuweisen, dass es an seiner PV-Anlage nicht zu einem Strombezug aus dem Netz kommt. Denn E.ON sei eigentlich beweispflichtig gewesen. Das aber wäre für den Versorger schwierig gewesen, wenn der Zähler nichts gezählt hat. Zu einem Gerichtsverfahren kam es nicht. Denn am 20. Januar 2015 schrieb E.ON an das Amtsgericht Syke, der Kläger, also Opitz, habe nachweisen können, dass sein Wechselrichter keine Energie aus dem Netz beziehe. Somit, erklärte E.ON, bestehe auch kein Vertragsverhältnis. Ein Urteil war aus Sicht von Opitz nicht mehr erforderlich E.ON stimmt zu Der Energieversorger folgte damit der genannten Empfehlung der Bundesnetzagentur. Als Nachweis für den Nicht-Bezug von Strom aus dem Netz dienten Opitz das Datenblatt des Wechselrichters und ein Schaltbild. Opitz nutzt als Wechselrichter einen Solarmax 3000C von der Sputnik Engineering GmbH. Hier findet sich als Angabe zum Nachtverbrauch der Wert von 0 Watt. Anlagenbetreiber, die sich derzeit mit ihrem Grundversorger über die Grundpreise streiten, sollten also einen Blick in das Datenblatt ihres Wechselrichters werfen. Eventuell ist einem gutwilligen Versorger ein entsprechender Hinweis schon genug, damit er mit Bezug auf die Empfehlung der Bundesnetzagentur von weiteren Rechnungen absehen kann. So wird etwa bei einigen Wechselrichtern der Baureihe Powador von der Kaco New Energy GmbH ebenfalls ein Nachtverbrauch von 0 Watt angegeben. Wie Pressesprecher Andreas Schlumberger gegenüber den Solarthemen erklärte, könne dann tatsächlich davon ausgegangen werden, dass kein Strom in Richtung Solaranlage fließe. Allerdings sei der Streit um Bezugsstrom bisher noch kein Thema für Kaco gewesen. Auch handele es sich bei den Powador-Geräten um Auslaufmodelle, die Kaco allerdings für alte Anlagen weiter vorhalten wolle. Tatsächlich betrifft das Streitthema eher ältere Anlagen, weil neuere Anlagen häufig als Eigenverbrauchsanlagen konzipiert wurden und werden. Und hier entfällt der Konflikt, weil es für den Bezug von Strom für das zu versorgende Gebäude und eventuell den Wechselrichter nur einen Zähler gibt. Moderne Wechselrichter können auf höhere Nacht- oder Stand-by-Verbräuche kommen, weil sie etwa auch nachts ein beleuchtetes Display haben oder die Betreiber jederzeit Daten abfragen können. Zum Teil können solche Nachtfunktionen aber auch abgeschaltet werden. Ulrich Winter von der Fronius Deutschland GmbH sagt, dies sei bei der Fronius IG-Serie möglich, die auch laut Datenblatt einen Nachtverbrauch von 0 Watt oder auch 0,25 Watt (hier macht Fronius unterschiedliche Angaben) hat. SunnyBoy „schläft“ nachts Sehr viele Solaranlagenbetreiber mit Volleinspeisung nutzen einen SMA SunnyBoy. So wird für den SB 2500 von SMA ein Nachtverbrauch von unter 0,5 Watt angegeben. Dies ist eventuell auch nur als theoretischer Wert zu verstehen. In der Praxis weisen Stromzähler bei solchen Geräten einen Null-Verbrauch aus – jedenfalls, wenn die Betreiber nicht häufig das Display aktivieren. Nach Aussage von SMA-Pressesprecherin Susanne Henkel soll der SunnyBoy nachts in einen Schlafmodus wechseln. „Unsere Wechselrichter für kleine Anlagen beziehen in der Regel den sehr wenigen Strom, den sie selbst verbrauchen, von der DC-Seite und ‘schlafen’, wenn die PV-Anlage nicht produziert“, sagt Henkel: ,Es gibt also so gut wie keinen Verbrauch aus dem Netz, es sei denn, der Anwender hat spezielle, über den üblichen Betrieb hinaus gehende Funktionsanforderungen, die einen Stromverbrauch außerhalb der Betriebszeiten des PV-Generators erfordern.“ Allerdings geht der völlige Null-Verbrauch nicht aus den Datenblättern hervor. Hier wäre eine klare Aussage von Herstellern zum tatsächlichen Bezug von Strom aus dem Netz für Anlagenbetreiber hilfreich. Letztlich, folgt man der Bundesnetzagentur, sollte es allerdings auch reichen, wenn der Stromzähler selbst keinen Verbrauch anzeigt. Mit einer Herstellererklärung wäre es nur viel einfacher. Text: Andreas Witt, Foto: Guido Bröer