Detlef Neuhaus von Solarwatt im Interview: Nur Systeme lassen überleben
Solarthemen: Es ist noch nicht so lange her, da war Solarwatt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Wie haben Sie es geschafft, die Kurve wieder zu bekommen?
Detlef Neuhaus: Es ist richtig – wir haben im Rahmen der allgemeinen PV-Krise dunkle Zeiten hinter uns. Dabei beinhaltete unsere damalige Strategie im Grunde schon das, was man auch auf unserem diesjährigen Intersolar-Messestand sehen konnte. Das ist die systemische Anwendung von Solartechnik, integriert in die Haustechnik mit offenen Schnittstellen für Marktteilnehmer. Eine solche Strategie stand zunächst mal nur auf dem Papier. Da braucht man dann die passenden Produkte und das Geschäftsmodell, um die Strategie umzusetzen. Auf den Weg hatten wir uns begeben – und mussten zwischenzeitlich auch noch die Restrukturierung bewältigen. Wir haben aber nie aufgehört, unsere Strategie konsequent umzusetzen. Wir haben trotz Restrukturierung und Kostenoptimierung in Forschung und Entwicklung, Produktmanagement und Vertrieb investiert. Und wir haben Gesellschafter, die an das Unternehmen glauben, an die Strategie, die Energiewende und den Markt glauben. Das war die Basis.
Es war und ist sicherlich wichtig, dass Sie mit Stefan Quandt einen Investor haben, der sich für Solarwatt entschieden hat. Er hätte im Solarbereich viele Möglichkeiten gehabt, sich finanziell zu engagieren. Was meinen Sie, hat ihn gerade von Solarwatt überzeugt?
Die Frage müsste man natürlich eher an ihn persönlich stellen. Und man sollte auch nicht übersehen, dass er ein Portfolio an Investitionen hat. Ein solcher Investor beteiligt sich in ganz unterschiedlichen Sektoren mit Risikokapital, weil er weiß, dass aus dem einen oder anderen Investment auch einmal der berühmte Shining Star wird. Es geht aber nicht um Herrn Quandt allein. Ich würde es gern auf den gesamten Verwaltungsrat ausweiten, auch wenn Herr Quandt sicherlich das prominenteste Mitglied und der Hauptinvestor ist. Dem Verwaltungsrat sind wir Rechenschaft schuldig und mit ihm haben wir immer sehr offen geredet. Wir haben gesagt, woran wir glauben und welche Strategie wir verfolgen. Und wir haben dann im Alltagsgeschäft bewiesen, dass wir die Dinge, die wir tun können, auch tatsächlich tun. Und am Ende des Tages sind die Turbulenzen, die wir erlebt haben, und die Schwierigkeiten, die wir gehabt haben, nicht auf eine falsche Strategie zurückzuführen. Sondern wir wissen alle, wie es im PV-Markt ausgesehen hat.
Solarwatt hat sich zum Systemanbieter gewandelt. Wie wichtig ist es da noch, selbst Module zu produzieren? Sie könnten die auch einfach, vielleicht sogar günstiger, zukaufen.
Ja, wir könnten alles zukaufen und Solarwatt draufschreiben. Aber das sind dann nicht wir. Wir haben im Rahmen unserer Strategie Unternehmenswerte ausgearbeitet. Darin sagen wir, was wir sind und was uns von anderen unterscheidet. Da kann man zum Beispiel lesen, dass Solarwatt solide und erfinderisch ist. Und wir bekennen uns auch zu Dresden. Da würde es nicht zu uns passen, wenn wir die Komponenten nur einkaufen und unser Label draufkleben würden. Manchmal macht OEM Sinn, man kann nicht alles selbst können. Aber für die Kernkompetenz, die dezentrale Energieerzeugung im Residential- und im KMU-Bereich, da muss man auch die technologische und produktionstechnische Kompetenz im Haus haben. Und das Solarmodul gehört dazu. Genauso wie wir für den Energiemanager die Software selbst schreiben – das sind unsere Leute, das ist unsere Intelligenz. Genauso wie My Reserve eine komplette deutsche Engineering-Entwicklung ist. Das bekommen sie sonst nirgendwo am Markt so – mit Ausnahme der reinen Zelle. Und zu unserem Produkt gehört das Modul dazu. Wir bieten als einzige das Komplettpaket mit Modul, Management, Speicher, alles made in Germany, mit zum Teil deutlichen Wettbewerbsvorteilen. Und im Moment ist für uns nicht erkennbar, dass wir damit aufhören. Wir sind in der Modulproduktion für unser Segment mit bis zu 350 Megawatt Produktionskapazität gut ausgestattet.
Nun gibt es Experten, die sagen, mittelfristig habe eine Modulproduktion in Europa keine Chance. Sehen Sie das auch so?
Wenn dies reduziert wird auf die reine Modulproduktion, dann sehe ich das auch so. Ich glaube nicht, dass ein nur Module produzierender europäischer Anbieter – vielleicht mit ein, zwei Ausnahmen – erfolgreich sein kann. Und mit erfolgreich meine ich nicht, in Mengen Module unter Herstellkosten zu verkaufen. Das können relativ viele eine Zeit lang, bis sie in die Insolvenz gehen. Aber das machen wir auch nicht. Für uns ist das Modul Bestandteil eines Systems. Und das wird dann eben mitgekauft. Wenn Sie ein Auto kaufen, ein Premiummodell, dann kommen ja nur die wenigsten auf die Idee, das spezielle Navigationssystem des gewählten Automodells nicht dazuzunehmen. Wenn wir nun ein Gesamtpaket haben für 9000 Euro, da sind dann eben unsere guten Glas-Glas-Module mit dabei. Die machen 25 bis 30 Prozent des Systems aus. Doch die Mehrkosten machen bezogen auf das Gesamtsystem nur noch zwei oder drei Prozent der Kosten aus. Das ist vernachlässigbar und die Endkunden sowie mehr und mehr Installateure sagen, wir nehmen bzw. verkaufen das alles aus einer Hand. Dafür gibt es dann gute Argumente. Es passt alles wunderbar zusammen. Und da sehe ich eine Zukunft. Da kann ich mir vorstellen, dass man auch langfristig für dieses Residential-Segment eine Modulproduktion in kleiner oder mittlerer Größe noch profitabel aufrechterhalten kann. Als reiner Modulproduzent, der gezwungen ist, mit den großen Asiaten auf dem Weltmarkt mitzuhalten, da würde ich micht anschließen. Das halte ich für chancenlos.
Würde man nicht in der Konsequenz, wenn man nur auf Kostenvorteile schaut, die Module besser bei anderen fertigen lassen?
Das ist ein Modell. Ich würde dies nicht für verwerflich halten. Nur, wie gerade gesagt, es würde nicht zu uns passen. Wir bekennen uns zu Dresden. Wir bekennen uns zu den Arbeitsplätzen dort. Und wir sind erfinderisch. Das heißt, wir legen schon Wert darauf, dass wir in jedem einzelnen Produkt, auch im Modul, Pionierleistungen erbringen. Das haben wir mit dem Glas-Glas-Modul getan, wo wir die ersten waren, die es überhaupt gemacht und die ultraleichten Glas-Glas-Module vor zwei Jahren eingeführt haben – mit denen wir jetzt im Modulsegment 50 Prozent unseres Umsatzes machen. Und wir sehen auch niemanden, der bereit wäre, unsere qualitativen Ansprüche zu erfüllen. Denn für die großen Asiaten ist das ein absoluter Nischenmarkt. Die wollen nichts im Bereich von 30 bis 50 Megawatt in Deutschland verkaufen. sondern die wollen Gigawatt verkaufen. Und deswegen machen die das mit Glas-Folien-Modulen. Und wenn wir sagen würden, macht das mal für uns, aber mit den und den Anforderungen, dann müssten wir erst ein Gigwatt abnehmen. Und von daher ist die Entscheidung für uns ganz klar. So lange das so ist, bleibt auf absehbare Zeit die Modulproduktion in Dresden.
Herr Quandt ist mit 90 Prozent der Hauptanteilseigner von Solarwatt. Er ist aber auch Miteigentümer von BMW. Gibt es dadurch besondere Verbindungen zwischen Solarwatt und dem Automobilkonzern?
Das sind aus Sicht von Herrn Quandt zwei völlig unterschiedliche und unabhängige Investments. Finanziell gibt es keine Verknüpfungen zwischen uns und BMW. Aber natürlich – und das ist ganz unabhängig davon, dass Herr Quandt unser Hauptanteilseigner ist – sind zwischen BMW und uns hervorragende Synergien. Wir haben BMW wegen unserer Kompetenz im Energiemanagement als Exklusivpartner gewinnen können. Und wir entwickeln mit denen gemeinsam die Verbindung von E-Mobility und Homemanagement. Und das macht völlig unabhängig von Herrn Quandt Sinn und wäre auch ohne ihn genauso gelaufen, weil wir dieses Thema akquiriert haben. Doch wir teilen nicht die Batteriezellen mit BMW. Die Automotive-Zelle ist was völlig anderes als die für unseren Speicher. Es gibt auch keine Einkaufsallianzen oder sonst irgendwas.
Speicher sind ein wichtiges Thema für die Branche. Sie haben gerade ihr neues Produkt präsentiert. Wir erleben Sie nun die ersten Reaktionen?
Die Reaktionen sind so umwerfend, dass mir die Worte fehlen. Ich kann sie, ehrlich gesagt, noch gar nicht glauben. Wir haben hier einen Zustrom an Kunden und konkreten Anfragen, der alles überschreitet, was sich selbst der optimistischste Mitarbeiter von uns vorgestellt hat. Jetzt geht es darum, die Erwartungen auch möglichst schnell zu erfüllen, also, mit anderen Worten, auch lieferfähig zu sein, aber nicht hektisch zu werden und nicht der Versuchung zu unterliegen, alles noch schneller, aber auf Kosten der Qualität zu erledigen. Wenn Sie mich fragen, wie zufrieden ich auf einer Skala von 1 bis 10 bin, dann würde ich sagen 11.
Es gab auf der Intersolar sehr viele Speicher, sehr viele Konzepte. Worauf führen Sie den, Sie sagen es selbst, Überraschungserfolg jedenfalls in dem Ausmaß zurück?
Ich glaube, dass der Speicherherstellermarkt unglaublich fragmentiert ist und dass auch die Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Herstellern gigantisch sind. Wir haben – ebenso wie ein paar andere – Maßstäbe gesetzt, weil es in eine industrielle Fertigung hineingeht. In den nächsten drei Jahren werden sich einige Anbieter vom Markt verabschieden, weil sie die Innovationsgeschwindigkeit nicht werden mithalten können. Wir haben unser Projekt nicht wegen des Speicher-Hypes begonnen, einfach, um auch einen Speicher zu haben. Sondern es war die Frage nach unserer Kernkompetenz. Wir wollten einen Speicher, der erstens wirtschaftlich und zweitens deutlich wettbewerbsfähig ist.
Interview: Andreas Witt