Fritz Brickwedde im Interview: BEE wird zum Systemverband

15.01.2015, Berlin, DEU, Deutschland, Bundesverband Erneuerbare Energien Neujahrsempfang
Dr. E. h. Fritz Brickwedde ist seit Oktober 2013 Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Die Solarthemen sprachen mit ihm über die Neustrukturierung des Verbandes, an der er maßgeblich beteiligt war. Die Mitgliederversammlung hat die Satzung geändert. Bald können auch Unternehmen ordentliches Mitglied im BEE mit Stimmrecht werden. Brickwedde hatte vor seiner Tätigkeit beim BEE seit 1991 als Generalsekretär die Deutsche Bundesstiftung Umwelt aufgebaut und geleitet.

Solarthemen: Der Bundesverband Erneuerbare Energien hat kürzlich eine Satzungsänderung beschlossen. Was sind die wesentlichen Änderungen?

Fritz Brickwedde: Erstmals können Unternehmen dem BEE als stimmberechtigte Mitglieder beitreten. Dies ist einer der wichtigen Schritte, um den BEE noch stärker zu einer kraftvollen Stimme für die Energiewirtschaft der Zukunft zu machen. Bisher waren wir ein reiner Dachverband mit knapp 30 Verbänden. Nun wollen wir mit unseren Spartenverbänden und der Expertise aus der Praxis einen leistungsstarken Dach- und Mitgliederverband herbeiführen. Das heißt, wir bauen Kompetenz, personelle Stärke und Finanzkraft auf und vernetzen uns noch stärker als zuvor.

Welchem Zweck soll das dienen?

Wir haben bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag und zur EEG-Novelle gesehen, dass wir im Wettbewerb stärker werden müssen. Wir wollen die Energiewende weiterentwickeln – und zwar in allen drei Bereichen: Strom, Wärme und Verkehr. Vor einem Jahr, zu Beginn des Prozesses, ist die Fusion aller Verbände erwogen worden. Am Ende sprachen aber die besseren Argumente für eine Integration und die verstärkte Nutzung von Synergieeffekten.

Sie sprachen über die Alternativen einer Verbandsfusion oder -integration. Was hat den Ausschlag gegeben sich für die Konstruktion zu entscheiden, die Sie mit Integration bezeichnen?

Wir haben das sehr ausgiebig und partnerschaftlich diskutiert und uns für die Integration entschieden. Wenn eine kommende Generation, also Verantwortliche nach mir, eine Verbändefusion machen möchte, so ist dies nicht ausgeschlossen. Aber für die nächsten Jahre ist die Integration der richtige Weg, weil wir nicht nur schlagkräftiger werden wollen, sondern vor allem auf die Vielfalt in unseren Reihen setzen. Diese Vielfalt ermöglicht es, möglichst viele Partner an uns zu binden. Das kann man am Beispiel der Bioenergie gut deutlich machen. Der Bioenergie-Verband hat als natürlichen, starken Partner den Deutschen Bauernverband, die deutsche Landwirtschaft. Diese starke Partnerschaft ist auch von politischer Bedeutung. Auf solche natürlichen Partnerschaften, auf diese Nähe wollen wir nicht verzichten. Es gibt heute ein Netzwerk unterhalb des Dachverbandes BEE, das uns hilft, alle mitzunehmen: die befreundeten Unternehmen, die befreundeten Verbände, die Kirchen und Gewerkschaften. Dafür ist das jetzt gewählte Verbandsmodell am besten geeignet. Meine Aufgabe als BEE-Präsident war es natürlich, eine Verbandsreform zu betreiben, die von allen mitgetragen wird.

Die einzelnen Verbände werden nun mehr Kompetenzen gegenüber dem Dachverband abtreten. Sie haben angesprochen, dass es gewachsene Strukturen der Fachverbände gibt. Ist es da tatsächlich richtig, sich mehr auf einen Verband auszurichten?

Wir brauchen ein starkes gemeinsames Sprachrohr gegenüber der Politik, aber auch gegenüber der Wirtschaft, anderen Verbänden und Medien. Wir befinden uns nun mal nicht mehr in einer Nische. Die Erneuerbaren erobern fortschreitend Marktanteile und verändern damit das Design der Märkte. Wir werden bald 30 Prozent und mehr Ökostrom im gesamten Stromverbrauch haben. Da müssen wir als Nummer 1 am Markt für das Gesamtsystem immer mehr Verantwortung übernehmen und alle wesentlichen energiewirtschaftlichen Fragen beantworten können. Die Politik erwartet von uns, dass wir uns an übergreifenden Systemlösungen und Rahmenbedingungen für die Energiewende beteiligen. Und deswegen brauchen wir eine Stärkung der Kompetenz unter dem Dach des BEE. Ich glaube, dass wir mit der Änderung der Satzung und der Beitragsordnung einen ganz großen, ich würde sogar sagen, historischen Schritt nach vorn gegangen sind.

Auch bisher schon gab es ein Zusammenspiel zwischen den einzelnen Verbänden und dem BEE als Dachverband? Wo ist nun der wichtige Unterschied zur vorherigen Situation?

Das A und O ist die Kompetenz, die wir uns zusätzlich ins Haus holen. Das passiert auf drei verschiedenen Ebenen. Sehr wichtig ist die Öffnung des BEE für Unternehmen als stimmberechtigte Mitglieder. Das können zum Beispiel spartenübergreifend tätige Firmen oder Stadtwerke sein. Ihr Vorteil ist, dass sie mehr Gestaltungskraft und Einfluss haben, als sie das als fördernde Mitglieder hatten. Unser Vorteil ist: Wir profitieren von deren Expertise und natürlich von den Beiträgen. Übrigens wollen wir explizit neue Unternehmensmitglieder gewinnen, so dass wir uns auf keinen Fall innerhalb unserer Erneuerbaren-Verbände Mitglieder wegnehmen. Zum anderen haben wir beschlossen, die Beiträge der Mitgliedsverbände an den BEE im Lauf der kommenden zwei Jahre zu verdoppeln. Auch das ist ein qualitativer Sprung. Warum? Um beim BEE zusätzliche Personalkompetenz schaffen zu können. Und drittens vertiefen wir unsere Zusammenarbeit, so dass wir unsere Synergien noch besser nutzen. In dem Zuge werden wir gemeinsam im und für den BEE systemrelevante Querschnittsthemen bearbeiten und die Spartenverbände sich weiter in Richtung ihrer spezifischen Fragestellungen professionalisieren. Auch im Präsidium bildet sich künftig der systemübergreifende Gedanke stärker ab und wir werden uns stärker auf die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität ausrichten. Das wollen wir auch durch Unternehmensvertreter verankern.

Es geht auch um mehr finanzielle Mittel. Was wollen Sie damit konkret erreichen?

Wir wollen Schritt halten mit der fortschreitenden Energiewende und für die vielfältigen Aufgaben zusätzliche Fachkompetenz und deshalb auch fachliche Personalkapazitäten aufbauen. Wir haben jetzt bei der Mitgliederversammlung beschlossen, dass der BEE gemeinsam mit den Fachverbänden BEE-Kompetenzzentren mit jeweils eigenen Budgets aufbaut. Fünf sind bereits im Entstehen. Das sind erstens Wärme, zweitens Stromnetze, drittens Energiemärkte und Stromdesign, viertens Mobilität und fünftens Europa. Die Kompetenzzentren, die besetzt werden sollen mit Mitarbeitern aus dem BEE und den Fachverbänden, widmen sich vor allem systemübergreifenden Aufgaben. Das werden Verbandspositionen sein oder auch gemeinsame Stellungnahmen oder Studien. Sie bündeln eben die Kompetenz. Deshalb sollen sie auch themenspezifischer Ansprechpartner für die Mitglieder im BEE sein.

Auseinandersetzungen gibt es auch innerhalb der Branche. So sind beim Thema Dumping in der PV-Branche starke Interessengegensätze zu finden. Bislang hatte der BEE als Dachverband damit weniger zu tun. Besteht nicht die Gefahr, dass man sich mit der Aufnahme von Unternehmen, die nicht zwangsläufig alle das Gleiche wollen, Konflikte in den Verband holt?

Jedes Unternehmen, das Mitglied im BEE werden will, muss vom Vorstand aufgenommen werden. So ist gewährleistet, dass nur solche Unternehmen zu uns stoßen, die das Gesamtinteresse der Erneuerbaren im Blick haben. Für uns steht im Vordergrund, dass wir jetzt in einer Phase sind, in der es hauptsächlich um die großen energiewirtschaftlichen, systemrelevanten Fragestellungen geht, also etwa zum Strommarktdesign. Überhaupt müssen wir uns bei einer Vielzahl von Themen im Zusammenhang mit der Systemfrage besser aufstellen. Man sieht etwa bei der Klimaabgabe, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgestellt hat, wie hart die Interessenvertreter der fossilen Energien auftreten und ihre Pfründe verteidigen. Der Ausbau der Erneuerbaren bringt die Reduktion der Fossilen mit sich. Da wird noch vieles heiß umkämpft sein. Deshalb brauchen wir unsere gebündelte Power. Wir haben große Chancen, die wir klug nutzen werden. Beim Strom haben wir schon einiges erreicht, in den Bereichen Wärme und Mobilität sind die Herausforderungen jedoch noch größer. Wir sind gefragt, als Erneuerbaren-Verbände gemeinsam mit den Unternehmen Antworten zu geben.

Wo sehen Sie für den Bundesverband Erneuerbare Energien in seiner neuen Struktur in den kommenden Jahren die wesentlichen Aufgaben?

Der Grünbuch-Weißbuch-Prozess ist eine aktuelle Aufgabe, in die wir uns sehr stark einbringen. Dann geht es um sehr wichtige Fragen wie die Flexibilisierung der Strommärkte. Und wir werden sicherlich auch in Zukunft noch weitere Kämpfe haben, etwa zu der Frage, wie Ausschreibungen ausgestaltet werden sollen. Gibt es dort Chancen für kleine und mittlere Anbieter, indem die De-minimis-Regelung der Europäischen Union zur Anwendung kommt? Für den Erfolg der Bürgerenergie wird das entscheidend sein. Bei der ersten PV-Ausschreibung haben wir ja erlebt, dass nicht eine einzige Energiegenossenschaft den Zuschlag bekommen hat. Systemfragen werden wir also genug zu diskutieren haben, mit dem Bundeswirtschaftsministerium ebenso wie mit den Bundesländern und auch der Europäischen Union. Je stärker die erneuerbaren Energien werden, umso mehr müssen sie Systemantworten geben.

Interview: Andreas Witt

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